Subido por Linda Waldhoff

VL Sprachwissenschaft II

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VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
VL Sprachwissenschaft II: Grammatikalisierung
VORLESUNG 1+2:
1. Metaphern als Brücke zum Verständnis von Sprachwandel: eine erste Annäherung
Sprache als Individuum in verschiedenen Lebensphasen: erste Beobachtungen zur Entstehung des
Spanischen (Antonio de Nebrija 1492, Gramática de la lengua castellana)
Sprache entsteht nicht nur, wird geboren, durchläuft eine Kindheitsphase, eine Phase der Entwicklung und
eine Blütezeit, sondern verfällt auch, wird durch eine andere Sprache ersetzt. (Latein und romanische
Sprache -> Spanisch)
Wozu Grammatik einer (gesprochenen) Sprache? Damit Sprache nicht verfällt und der Sprachwandel
ausgebremst wird, Kommunikation zu den nächsten Generationen möglich bleibt
Grenzen der Organismusmetapher
- Lebewesen haben biologische determinierte Lebensdauer  trifft auf Einzelsprachen nicht zu, Ende
der Sprache wenn Spezies Mensch nicht mehr existiert oder Gemeinschaft andere Sprachen
übernehmen
- Bis wohin ist die Metapher hilfreich und wo führt sie doch auf den Holzweg?
2. Sprachliche Ebenen im Wandel – was verändert sich?
Lautwandel
- Z.B Assimilationsprozesse p-t-k (amicum  amigo (Sonorisierung intervokalischer Okklusiva)
- Verstummung von Auslautkonsonanten des Lateinischen in den romanischen Sprachen
Morphologischer Wandel
- Schwund von Morphemen: Aufgabe des lateinischen Kasussystems, Passivs und Futurs
- Regularisierung von Konjugartionsparadigmen durch Analogien
Levar
llevar
Lievo
llevo
Lievas
llevas
Lieva
lleva
Levamos
llevamos
Levais
lleváis
Lievan
llevan
Syntaktischer Wandel
- SOV präferiert im Latinischen > SVO in den romanischen Sprachen
- Null Subjekt/Pro-drop im Lateinischen und Spanischen. Obligatorische Subjektsetzung im
Französischen und brasilianischen Portugiesisch
Wandel auf Textebene
- Wandel von Diskurstraditionen: Betreff, Anrede, Grußformeln (Brief, Email, SMS, etc.)
Pragmatischer Wandel
- Änderung bei Konventionen der Anrede, Änderung bei der Präferenz für bestimmte
Höflichkeitsstrategien
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Lexikalischer Wandel
- Semantischer Wandel: Metonymie lengua (Zunge  Sprache), ratón de ordenador (Maus)
- Entlehnungen
- Wortbildung Coronaferien
Semantischer Wandel
- Lexikalischer Bedeutungswandel
- Entstehung grammatischer Morpheme (Artikel, Tempusmorpheme, etc) und die Entstehung von
pragmatischen Markern (bzw. Diskursmarkern) meist in Verbindung mit lautlichen und
morphosyntaktischen Veränderungen
Auslöser von Sprachwandel (Wurzel, 1994)
- Veränderung in der außersprachlichen Wirklichkeit bedingen sprachliche Veränderungen (z.B
Wortschatzerweiterung)
- Sprachkontakt: Entlehnung, Kreol- und Mischsprachen, Entstehung von Pidgins
- Bewusste, explizite Eingriffe im Kontext von Standardisierung, Sprachpolitik und Sprachplanung (z.B
Gender: *innen)
- Sprachsystembedingter Wandel: Tendenz zu Veränderung ist sprachimmanent und weist auch
sprachebenentypische Mechanismen auf
Das Lexikon ist offen fü r sprachexterne Einflü sse und bewusste Manipulation, während Phonologie und
Morphosyntax ü berwiegend nicht intendiertem sprachsystemimmanentem Wandel unterworfen sind.
3. Die Wahrnehmung und Erforschbarkeit von Sprachwandel
Sprachgeschichte und -wandel gehen über die Betrachtung einer Abfolge von synchronen Zuständen hinaus
(verschiedene Zustände verbinden  Diachronie)
-
Sprachwandel muss nicht unbedingt gerichtet sein
Wandelprozesse können abbrechen
Wandelgeschwindigkeit kann variieren
Konservative und innovativere Elemente können aus synchroner Perspektive koexistieren
Verwendung indirekter Daten:
- Metakommentare (z.B in Grammatiken)
- Fingierte Mündlichkeit (z.B in Theaterstücken)
- Fragmente verschriftlicher Umgangssprache (Graffiti)
- Horizontale Daten, d.h Sprachen- und Varietätenvergleich, die womöglich unterschiedliche
Wandelstadien aufweisen
- Rekonstruktion fehlender Stadien auf der Grundlage von bekannter Mechanismen & Tendenzen der
Gegenwart (Prinzip der Uniformität oder Aktualität, d.h. der Gleichförmigkeit von
Wandelmechanismen in der Diachronie)
Für die jüngere Vergangenheit:
- Heranziehung von apparent-time-Daten (nach Labov) unter der Annahme, dass ältere Sprecher
frühere Sprachzustände eher konservieren als jüngere Sprecher (Diachronie in der Synchronie)
- Und in die Zukunft gerichtet: Planung von Längsstudien
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- Metasprachliches Wissen von (älteren) Sprechern, da sich Sprecher bis zu einem gewissen Grad
Veränderungen in ihren Sprachgemeinschaften bewusst sind
Exkurs: Uniformitätsprinzip
Erkenntnisse über vergangene Prozesse können von aktuell stattfindenden Prozessen abgeleitet werden, da
sie selben Prinzipien in verschiebenden Epochen wirksam sind.
 nicht alle vergangenen Mechanismen sind auch nicht der Gegenwart noch nicht belegt
 Brüche, beschleunigte oder gebremste Prozesse
Historisch bedingte Faktoren, die epochenspezifisch sind und die Sprachwandel beeinflussen:
- Grad & Art der Sprachkontakte
- Grad der sozialen Stabilität
- Größe der Sprachgemeinschaft
- Dichte der sozialen Netze
- Umfang der geteilten Informationen innerhalb einer Sprachgemeinschaft
- Demographische Brüche als beschleunigter Faktor
- Standardisierung & starke Schriftkultur als konservierender Faktor
4. Sprachwandel- weshalb verändern sich Sprachen?
Sprachwandel als Problem für strukturalistische Theorien:
- Nimmt an, dass eine Sprache synchron ein in sich geschlossenes perfekt funktionierendes System ist
sollte es eigentlich keinen Wandel geben können
- Der Strukturalist Martinet schlägt zwei Antriebskräfte vor:
1. „chaine de traction“ (Zugkette): das Auffüllen von Lücken im System
2. „chaine de propulsion“ (Schubkette): Verdrängung von Elementen durch Neuerungen
Conseriu:
1. Individuelle Innovationen angestoßen durch Kreativität beim Sprechen (Möglichkeit für
Sprachwandel
2. Selektion & Übernahme von Neuerungen durch andere Mitglieder der Sprachgemeinschaft
4.1 mögliche Gründe für Innovation
a) Direkt außersprachlich bedingte Innovation
- Anpassung des Lexikons an eine veränderte Lebensumwelt: Entstehung neuer lexikalischer Einheiten
z.B. bei technischen Innovationen
- Gesellschaftliche Umbrüche, z.B. geschlechtergerechte Sprache, Standardisierungsprozesse
b) Brüche in der Transmission zwischen Generation beim kindlichen Erstspracherwerb
- Fehler bei der Übergabe, die dann zu Sprachwandel führen („Flüsterpost“)
Offene Fragen bezüglich der fehlerhaften Transmission von Sprache
a) Es gibt keine klar definierte Abfolge von Generationen, Sprachgemeinschaften zeichnen sich durch
ständigen Zuwachs und Verlust aus. Einschnitt & Brüche können aber extern bedingt seine durch
Kriege, Epidemien, Migration (z.B. Entstehung Kreolsprachen)
b) Kinder werden sprachlich vermutlich stärker durch (etwas ältere) Kinder als auch Erwachsene geprägt
c) Vor der Pubertät findet eine ständige Anpassung & Restrukturierung der Sprachen nach jeweiligen
Modellen statt
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d) Fehlerhafte Übermittlung erklärt nicht, weshalb bestimmte sprachliche Bereiche eher stabil und
andere Bereiche eher zum Wandel tendieren
e) Viele Sprachwandelprozesse sind gerichtet (unidirektional), fehlerhafte Übermittlung kann dies nicht
erklären
f) Übermittlungsfehler scheinen insgesamt eher marginal zu sein angesichts der relativen Stabilität von
Sprachen
c) Sprachökonomie (bzw. Bequemlichkeit)
- Maxime der Quantität nach Grice: Gesprächsbeitrag so informativ wie möglich, aber nicht mehr als
nötig
- Prinzip des geringsten kollaborativen Aufwands
Ökonomie beim Sprechen: Artikulation, Assimilationsprozesse
Ökonomie der Sprechkapazität: unregelmäßige Verben
Ökonomie beim Hören: maximal einfache Analyse
d) Der Deutlichkeitstrieb als Gegengewicht zur Bequemlichkeit
- Abnutzung und Verdeutlichung
e) Extravaganz
4.2 Von der individuellen Innovation zum Sprachwandel: Ausbreitung & Neuerungen
Entstehung neuer Varianten (Innovation)  Auswahlprozess (Selektion)  Verbreitung (Diffusion) in Form
eine S-Kurve
VORLESUNG 3+4:
-
-
-
Die Diffusion innerhalb einer Sprachgemeinschaft wird durch soziolinguistische Faktoren bestimmt,
dabei sind bestimmte Sprechergruppen besonders empfänglich für Innovation, andere Gruppen
erfordern eine kritische Schwelle der Verbreitung
Für die Selektion einer Innovation, die sich im Sprachsystem etabliert, spielt das Prestige bestimmter
sozialer Gruppen eine entscheidende Rolle
Das Abflachen der Kurve ist bedingt durch die Sättigung relevanter Kontexte, sobald das Phänomen
in (fast) allen relevanten Kontexten alternative Ausdrücke verdrängt hat, steigt die Frequenz nicht
mehr an
Sprache ist kein Naturphänomen, kein Organismus
Sprache ist aber auch kein Artefakt
Sprache ist ein Phänomen der dritten Art & entsteht unbeabsichtigt (sozusagen durch die
„unsichtbare Hand“) durch menschliche Handlungen  Erste Reihe im Vorlesungsraum bleibt frei
 Einzelne Sprecher die wahrgenommen werden wollen. Innovation kann nur auf lexikalischer
Ebene stattfinden, Grammatik ist gefestigt. Im Verlauf der Verbreitung geht es nicht mehr um
Auffallen, sondern um die Anpassung.
5. Funktionalistische und formale Theorien
Grundannahmen der generativen Grammatik
1. Die Syntax ist der zentrale Teil des Sprachsystems. Sie ist autonom
2. Die Grammatik einer Sprache ist ein Modul im Geist eines idealen Sprecher-Hörers, seine
Sprachkompetenz. Wirkliche Sprecher-Hörer haben Instanzen diese Moduls im Kopf, welche sie
benutzen, wenn sie – in der Performanz – sprechen und verstehen
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3. Für die Grammatik = Sprachkompetenz gibt es eine genetische Grundlage, die „universale
Grammatik“
4. Universale Eigenschaften der Grammatiken der Sprecher der Welt spielen eine große Rolle in dem
Modell. Sie werden aber nicht funktional erklärt, also nicht unter Bezug auf die Bedingungen, unter
denen menschliche Sprachtätigkeit, sondern menschlichen Genom zugeschrieben
Grundannahmen funktionalistischer Theorien
1. Sprache ist ein Teilsystem des gesamten kognitiven Systems
2. Die sprachlichen Formen werden durch die Funktionen bestimmt und geprägt; formale Beziehungen
können nicht unabhängig von der Funktion untersucht werden
3. Die sprachlichen Ebenen Lexikon, Morphologie, Syntax und Pragmatik bilden ein Kontinuum.
Kompetenz & Performanz können nicht streng getrennt werden. Anstelle der strukturalistischen
Dichotomien werden ebenfalls Kontinua angenommen
4. Syntaktische Konstruktionen sind nicht abstrakte bedeutungsleere Strukturen, sondern von
konkreten Redeereignissen abstrahierte Schemata, die immer noch bis zu einem gewissen Grad in
der konkreten Erfahrung verankert sind und bedeutungshaltig sind
6. Die Entdeckung der Grammatikalisierung
Seit 10. Jhd.: Unterscheidung zwischen „vollen“ und leeren“ sprachlichen Zeichen (China)
18. Jhd.: Interesse für Grammatikalisierung im Westen (J. J Rousseau)
19.Jhd.: Untersuchung Entstehung Romanistik, erste Erklärungen für bestimmte grammatischen Strukturen
(Humboldt)
Meillet, Begründer der modernen Grammatikalisierungsforschung, der außerdem den Begriff der
Grammatikalisierung einführt.
Kurylowicz (1965) erweitert die Definition der Grammatikalisierung auf alle Prozesse, damit die dazu führen,
dass Elemente grammatischer werden und schließt damit auch Fälle ein, bei denen sich ein bereits
grammatisches Morphem weiterentwickelt und noch grammatischer wird.
Ende des 20.. Jahrhundert: Entwicklung von Parametern des Wandels & Mechanismen & Auslöser der
Grammatikalisierung zunächst in funktionalistischen/ kognitivistischen Ansätzen
7. Wozu Grammatik?
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Ontogenese: Kindlicher Erstspracherwerb
Phylogenese: Entstehung der Sprache
Grammatik als Verarbeitungsoptimierung (Lüdtke)
 Zweigleisige Verarbeitung möglich
Morphologie als Sekundärphänomen durch Automatisierungsprozesse
Untertypen des Langzeitgedächtnisses
Langzeitgedächtnis:
1. deklaratives (explizit): episodisch (persönliche Erinnerungen) & semantisch (Faktenwissen
2. nicht-deklaratives System (implizit): prozedural (Fertigkeiten, Gewohnheiten, Morpho-syntax &
priming (Assoziationen)
 Grammatik wird im prozeduralen Gedächtnis gespeichert und verarbeitet, während lexikalische
Bedeutung überwiegend im deklarativen Gedächtnis verankert ist.
-
verarbeitet typischerweise kontextabhängige Reiz-Reaktions-Regeln
die gespeicherten Relationen sind regelgesteuert und starr, unflexibel und unabhängig von anderen
mentalen Systemen (informationell eingekapselt)
Regeln werden schnell und automatisch umgesetzt
eine bewusste Kontrolle prozeduraler Routinen ist nicht mö glich - langsames Erlernen prozeduraler
Fertigkeiten
8. Ontogenese & Phylogenese der Grammatik
Entwicklung eines Einzelwesens (Ontogenese) dir kurze Wiederholung seiner Stammgeschichte
(Phylogenese) ist. Grundlage: Individualentwicklung baut auf alten Entwicklungsprogrammen der
stammgeschichtlichen Vorfahren auf. Darwin
Entstehung der Grammatik in der Ontogenese
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Entstehung der Grammatik in der Phylogenese
Prägrammatischer Kode  Dann Grammatischer Kode
-
-
vormenschliche Spezies unterscheiden in der Kommunikation zwischen Konzepten von Entitäten
(Substantiven) und Ereignissen (Verben), bestimmte Tiergattungen kö nnen Unterscheidungen
zwischen Substantiven, Verben und Adjektiven erlernen.
dagegen ist der Erwerb von Morphosyntax durch vormenschliche Spezies bisher nicht gelungen
Durch Rekonstruktion früherer Sprachen kann nachgewiesen werden, dass frühere Sprachen weniger
komplex waren (späte Entwicklung von Tonsprachen, Nasalvokalen..)
der Ü bergang vom prägrammatischen Code zum grammatischen Code kann bei der Entstehung von
Kreolsprachen beobachtet werden.
Grammatik (Abfallprodukt des Sprechens)  ökonomische Art Sprache zu produzieren und Sprache zu
verarbeiten
Sprachliche Ebenen der Grammatikalisierung am Beispiel von Tempora I
Verbalsystem Latein  Verbalsystem Spanisch
- erhalten bleiben: Präsens, einfaches Perfekt, Imperfekt, Konjunktiv Präsens, Plusquamperfekt
- Verändert: lat. Plusquamerfekt (-ara)  span. Impferfecto de subjuntivo, l
Lat. Konjuntiv Plusquamperfekt  sp. Konjuntiv Imperfekt
- Verschwinden: Futur I (Ind.), Futur II (Ind. & Konj.), Passiv Plusquamperfekt (Ind. & Konj.)
- Neue Formen (übernehmen alte oder auch neue Funktion): Futur I, Futur II, Passiv, Plusquamperfekt
Ind. + Konjuntiv
2. Die Grammatikalisierung von Futur
Zukunftsproblem I:
Latein morphologisch nicht kohärent (bsp. 1.Form)
Zukunftsproblem II:
Alle Aussagen über zukünftige Ergebnisse, Erwartungen und Vermutungen ausgehend von unserer Erfahrung
der Gegenwart  Aussagen über Zukunft daher unsicher!
2.1 Der Ausdruck von Futur im modernen Portugiesischen & Spanischen
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- Synthetische
Futur
(mit
Flexionsendung):
cantaré

Vermutungen
Angebote/Gebote/Verpflichtungen
- Analytische Futur (mit Hilfsverb): voy a cantar  Zukünftigkeit mit Gegenwartsbezug
+
2.2 die Ausgangskonstruktion für die Entstehung des modernen analytischen Futurs
-
Spanisch ab 16. Jhd
Polysemie dann Semantischer Wandel (Grammatikalisierung)
-
„semantic bleaching“: durch Grammatikalisierung verblassen alle lexikalischen semantischen
Merkmale, bis nur noch grammatische Funktion übrigbleibt
Aber: ein Bewegungsverb enthält kein semantischer Wandel
Metapher zur Erschließung abstrakter (grammatischer) Funktionen durch konkrete Bereiche (
Similarität = Ähnlichkeit), wie ergreifen/begreifen = verstehen
-
Eigenschaften & Funktionen von Metaphern
-
Metaphern setzten Sprünge zwischen zwei Domänen voraus
Metaphern schaffen neue Beziehungen & Strukturen
Abstrakte Grammatische Funktionen für uns nicht greifbar  anschauliche Metaphern (ABER:
Lateinische hatte schon Futur, warum dann noch eine Form mit ir?)
Wandelmechanismus Metonymie: (dominiert heute als Theorie)
-
Räumliche Nähe (Teller = Gericht)
Metonymie greift auf vorhandene Strukturen zurück im Gegensatz zur Metapher
Metonymie & der pragmatische Mechanismus der „invited inference“
= Implikaturen, die von Sprechern zielgerichtet kommuniziert werden (bewusst neue Bedeutung)
 zunächst im Hintergrund Gemeinte (Implikatur) kann in den Vordergrund rücken  semantischer Gehalt
Gerichtete Metonymie & der Prozess der Subjektivierung
 Einstellungen/Einschätzungen
Das Frame der Fortbewegung: mit Instrument & Absicht: Ich gehe nach Hause
Bewegung > Absicht > Futurität (sind Metonymien, Bewegung > Futurität = Metaphern)
Metaphern bei Grammatikalisierung als Epiphänomen (bzw. optische Täuschung)
- Einzelnen Wandelschritte bei der Entstehung von Futurität aus einer Konstruktion mit
Bewegungsverb sind metonymische, durch Sprecherintendierte („invited“) Inferenzen angestoßene
Prozesse.
- Beziehung zwischen Anfangs- und Endpunkt: erscheint als Metapher, da durch metonymische
Schritte das Ausgangsframe verlassen wurde
- ABER: Metapher kognitiv wirksam, beeinflussen Auffassung von Zeit
-
VL 5+6:
para
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Die Ausgangskonstruktion für die Entstehung des heute synthetischen Futurs (cantaré)
Lateinische Ausgangskonstruktion Infinitiv und habere
- Vorstufte: Possesivbedeutung des Vollverbs habere
- Obligation (Verpflichtung)
- Nahe Zukunft
Bedeutungsnuancen in mittelalterlichen Sprachstufen
- Obligativ, tendenziell bei der noch analytischen Form
- Proximal, Gegenwartbezug (Ich werden euch gleich von… erzählen)
- Aber auch ohne Gegenwartsbezug
Schritt 1: wörtliche Lesart: Ich habe hier einen Gegenstand
Inferenz  Ich versichere damit, dass ich die Verpflichtung zu einer Handlung an diesem Gegenstand
übernehme
Schritt 2: wörtliche Lesart: Ich habe eine Verpflichtung
Inferenz  Ich versichere damit, dass ich eine Handlung in der Zukunft vollziehen werde
Kommunikationsziel:
1. Besitz > Verpflichtung und damit auch Teil der Bedeutung
2. Verpflichtung (ich muss etwas tun) > Futurität (Ich werde etwas tun)
Gründe für die Entstehung des synthetischen Futurs
- Ähnlichkeit des lateinischen Futurs mit Perfekt- und Präsensformen (morphologisch nicht eindeutig)
- Keine stringenten paradigmatischen Merkmale
- Generelle Tendenz zur Analytizität beim Übergang vom Lateinischen zum Romanischen (Verlust von
Flexionskategorien)
- Bedeutung des (moralischen) menschlichen Handelns für die eigene Zukunft im frühen Christentum
- Kommunikative Strategie (invited inference) zur Beglaubigung eigener zukünftiger Handlungen
gegenüber Gesprächspartner
Das zusammengesetzte Perfekt im modernen Spanischen & Portugiesischen
Spanisch: Resultative Lesart
Spanisch: Nahe Vergangenheit/Gegenwartsbezug in einer vergangenen Handlung
Portugiesisch: Imperfekt, andauernde Handlung mit Beginn in Vergangenheit
Aber: in Lateinam. Häufig indefinido statt p.c.
Die lateinische Ausgangskonstruktion für die Entstehung des zusammengesetzten Perfekts
Possesives Vollverb + modifiziertes direktes Objekt (Substantiv + Partizip)
 Vergleichbar mit der modernen Konstruktion tener
Subjekt von flektiertem Verb & Partizip müssen sich nicht decken, meistens allerdings wird ein Subjekt
implikatiert
Auch metonymischer Wandel: Possession Resultat einer vergangenen Handlung  Verweis auf eine
Handlung in der Vergangenheit
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Kippeffekt: Resultat  Vorgang in der Vergangenheit, „invited inference“: Ich habe das wirklich getan – hier
ist das (greifbare) Ergebnis als Beweis
Position der span. Konstruktion tener + Partizip Perfekt
-
Durativ: Este chico tiene preocupada a su madre (ständig)
Durative Zustände, die aus vergangenen Ereignissen resultieren: Tengo pedido el libro (habe das Buch
jetzt bestellt)
Iterative vergangene Ereignisse: Me tiene dicho repetidas veces que no puensa casarse con él.
Problem der Position von Stufe II
-
Stufe II: Durativität/Iterativität in einer bis zu Gegenwart reichenden Zeitspanne
Aber 17.Jh: Port. Zeigt nichtdurative Verwendungen, die heute nicht mehr möglich sind
Sprachkontakt Spanisch/ Franzö sisch oder Einfluss formalerer Register
oder: unabhängige Entwicklung aus Stufe I, Weiterentwicklung: durative Lesart mit statischen Verben
etabliert sich im 19.Jh. (s. auch Becker 2016)
unterstü tzendes Argument: keine Belege aus dem Franzö sischen und Italienischen fü r Stufe II
Der Ursprung des Perfekts mit Auxiliarverb ser im Altspanischen & Altportugiesischen
-
Kongruenz des Partizips mit dem Subjekt:
Cuando son llegados, fallaron quinientos e diez cavallos
-
Lateinische Quelle: analytische Perfektform im Passiv, erhalten und reinterpretieret bei verba
deponentia (passive Form, aktivische Bedeutung)
 Analog übertragen auf intransative Verben, typischerweise Bewegungsverben
Beziehung zwischen den beiden Auxiliarkonstruktionen
Das lateinische analytische Perfekt Passiv beruht ebenfalls auf einer ursprü nglich resultativen Konstruktion:
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(1) Hic murus bene constructus est. ‘Diese Mauer ist wohlgebaut’. (Detges 1999)
• diese ältere Konstruktion lieferte womö glich ein Modell fü r die Konstruktion mit ter/haber, neben einer
lateinischen Verbalperiphrase mit Kognitionsverben (cognitum habeo ‘Ich habe gelernt/Ich weiß’)


und: die Konstruktion mit Hilfsverb ser fü llte zunächst eine Lü cke, da die Konstruktion mit ter/haber
ursprü nglich auf transitive Verben beschränkt war (nur davon kann Passiv gebildet werden)
aber: das zusammengesetzte Perfekt ist bei bestimmten intransitiven Verben mit einem Auxiliarverb
von lat. esse ist im Franzö sischen und Italienischen erhalten:
(2) Je suis arrivée / Sono arrivata.
Das ‚Haben‘-Perfekt: ein europäisches Kontaktphänomen?
Alle romanischen und germanischen Sprachen, sowie auch in einige Balkansprachen und das Tschechische
besitzen ein ‚Haben‘-Perfekt (mit unterschiedlichen Bedeutungsnuancen).
Das ‚Haben’-Perfekt ist fast ausschließlich auf Europa beschränkt.
Eine Gruppe europäischer (nicht nur indo-europäischer) Sprachen teilt außerdem weitere spezifische
strukturelle Merkmale wie definiten und indefiniten Artikel, „Nominative experiencers“ (der Erlebende ist
Subjekt), Partizipiales Passiv und weitere grammatikalische Merkmale
Diese Sprachen bilden einen Sprachbund: Das Standard Average European (SAE)
Der europäische Sprachbund besteht aus den germanischen, romanischen, balto-slawischen Sprachen, ben
finno-urgischen Sprachen, Albanisch und Griechisch
Definition Sprachbund: Geographische Region, die drei oder mehr Sprachen enthält, die mehrere
strukturelle Merkmale aufgrund Kontaktes teilen, z.B Handelskontakte, Kriege, Exogamie, Sprachverlust.
Mögliche Erklärungen für die Gemeinsamkeiten:
-
Erhalt protoindoeuropäischer Strukturen & Verbreitung in nicht indoeuropäischen Sprachen
Einfluss einer gemeinsamen vorindoeuropäischen Substratsprache
Sprachkontakte in der Zeit der Spätantike und beginnendem Mittelalter (Völkerwanderung,
Christianisierung?)
Gemeinsames Kulturadstrat Latein im Mittelalter
Gemeinsame europäische Kultur ab der frühen Neuzeit/Renaissance
Kontaktbedingte Entstehung neuer Strukturen
a) durch calque („polysemy copying“)
b) durch kontaktbedingten Anstoß von Grammatikalisierungsprozessen:
- Sprecher bemerken, dass die Sprache M eine grammatische Kategorie Mx enthält
- sie kreieren in Sprache R eine identische Kategorie Rx – auf der Basis der in R verfü gbaren Strukturen und
universeller Grammatikalisierungspfade
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- eine Struktur Ry wird allmählich zu einer Struktur Rx grammatikalisiert
SoSe 2021
c) durch „Replikation“
- Sprecher bemerken, dass die Sprache M eine grammatische Kategorie Mx enthält
- sie kreieren in Sprache R eine identische Kategorie Rx – auf der Grundlage eines Ausdrucks aus R, der
ü ber dieselben Grammatikalisierungspfade wie M zu Rx führt: My>Mx : Ry>Rx
- eine Struktur Ry wird allmählich zu einer Struktur Rx grammatikalisiert
Generelle semantische Tendenz der Grammatikalisierung von Tempus:
Die Drift vom Gegenwartsbezug zum Verlust des Präsensbezugs
Tempora können nach Reichenbach durch unterschiedliche Relationen zwischen drei Bezugspunkten
charakterisiert werden:
1) Sprechzeitpunkt
2) Ereigniszeitpunk
3) Referenzzeitpunkt
Perfekt:
-
Schritt 1 Resultativ  R
Schritt 2 Anterior (Vergangenheit mit Gegenwartsbezug)  E
Schritt 3 Vergangenheit  E (R verschwindet)
Futur:
-
Schritt 1 Prospektiv  S & R
Schritt 2 Posterior/Nachzeitig  E
Schritt 3 Futur  E (R verschwindet bzw. fällt mit E zusammen)
 Vergangenheitsbezug stark gekoppelt mit „invited inference“!!
„host-class expansion“
= Erweiterung der Kombinationsmöglichkeiten und damit
Produktivität
-
-
Futur & Perfekt: Verlust der Restriktion auf
menschliche Subjekte ( & die Präferenz für
Diskursparizipant)
Perfekt: Verlust der Restriktion auf transitive
der
Verben
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Morphosyntaktischer Wandel im Zuge der Grammatikalisierung
Syntaktisierung
Konstruktionen mit Diskursfunktionen werden zunehmend syntaktisch fixiert:
Perfekt: Fixierung der Reihenfolge Auxiliarverb + Partizip (conquistas las ha  ha conquistado)
Synthetisches Futur: Reihenfolge Infinitiv + flektiertes Auxiliarverb
Analytisches Futur: Fixierung einer Konstruktion: mit Präposition im Spanischen, ohne Präposition im
Portugiesischen
 Tendenz, dass Wortstellung weniger variabel wird
Morphologisierung (wird zu einem Wort: vorm Haus, haste se gesehen?)
Aus ursprünglich freien lexikalischen Morphemen kö nnen über den Schritt der Klitikisierung durch Fusion
des Auxiliarverbs mit dem lexikalischen Element gebundene Morpheme entstehen:
Zunehmende Restriktionen fü r intervenierende Elemente:
• Perfekt:
Altsp. tierras de Borriana todas conquistas las ha.
conquistado
mod. Sp.: las ha
• Futur: Klitika kö nnen im Altspanischen noch zwischen den urspr. Infinitiv und das Hilfsverb gesetzt
werden:
Altsp. Alá iré; ó que fure, aoralo he
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Vollständige Morphologisierung: cantare habeo > *cantar-á jo > sp. cantaré / port. cantarei aber noch im
modernen Portugiesischen, Trennung durch Klitika: falar-me-á
Demorphologisierung (nicht erkennbar, dass es mal zwei Wörter waren)


die Morphemgrenzen verschwimmen, zunehmende Verschmelzung von Stamm und Endung
heute unregelmäßige Futurformen:
 Sp. tendré, valdrá , vendrá , habrá , hará , diré...
 Port. trarei, farei
VL 7+8: Adverben auf -mente
Syntagmatische und pragmatische Konsequenzen der Grammatikalisierung (Lehmann)
Parameter der Grammatikalisierung nach Lehmann
Syntagmatische Ebene  Morphologisierung
- Einzelnen Parameter bedingen sich gegenseitig
Prinzipien der Grammatikalisierung nach Hopper (1991)
1. Layering: Koexistenz älterer und neuerer Formen, schwächer und stärker grammatikalisierter
Konstruktionen. (subjuntivo de impferecto: zwei Formen)
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2. Divergence: bei formalem Wandel (insb. Morphologisierung) kann das lexikalische Ausgangselement
erhalten bleiben und sich seinerseits weiterentwickeln. Habere  tener
3. Specialization: im Zug der Grammatikalisierung werden formale Alternativen reduziert, die wenigen
erhaltenen Alternativen nehmen allgemeinere Bedeutungen an.  Paradigmatisierung, wird immer
allgemeiner
4. Persistence: grammatikalisierte Konstruktionen bewahren häufig Reste der ursprü nglichen lexikalischen
Bedeutung. (Nahe Zukunft, Perfekt mit Gegenwartsbezug)
5. De-categorization: Verlust der Zugehö rigkeit zu einer der lexikalischen Wortarten (N, V, A)  wie beim
semantic bleeching; habere  haber (verliert alle Verbeigenschaften)
Ausblick: weitere (mö gliche) Grammatikalisierungsprozesse im Bereich der Verbalphrase
• Konditional
• weitere zusammengesetzte Zeiten: Plusquamperfekt
• aspektuelle Verbalperiphrasen
• Passiv
• unpersönliche Konstruktionen
• Modalverben?
• persö nlicher Infinitiv im Portugiesischen?
• vom Konjunktiv zum subjuntivo?
Zusammenfassung: Ebenen der Grammatikalisierung
• semantische Ebene: zunächst Subjektivierung, Verlust lexikalischer Bedeutung, Ü bernahme
grammatischer Funktionen ( Verliert Bezug zur Sprechereinstellung), Verlust semantischer
Kombinationsrestriktionen
 wichtigste Ebene; Auslöser; Sprechereinstellung/ -strategien, um bestimmte Dinge kommunikativ zu
erreichen
• morphosyntaktische Ebene: Zunehmende Fixierung der Wortstellung in einigen Fällen bis hin zur
morphologischen Verschmelzung (+ Verlust)
• phonetische Ebene: Verlust an prosodischer Prominenz und Betonbarkeit, Lautreduktion, allerdings als
gebundenes Morphem mö glicherweise endungsbetont
Die Entstehung der Adverbbildung auf -mente
Das Adverb stellt eine grammatische Kategorie invariabler (nichtflektierbarer) Lexeme dar, die syntaktisch
(meist) optional sind und alle Konstituententypen mit Ausnahme von Substantiven modifizieren können.
(beziehen sich auf Verben, Adjektiven und ganze Sätze)
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Formale Klassifikation von adverbialen Ausdrü cken
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Lexik:



morphologisch einfache Adverbien: sp. bien, mal, entonces, port. bem, mal, então
(nichtflektierte) Adjektive: sp. hablarbajo, trabajarduro, vendercaro, port. falar baixo, vender caro,
gostar imenso...
Nominalphrasen mit adverbialer Funktion, z.B. Wochentage: sp. Mi ti ́a viene a verme domingo,
port. O pessoal da mudança vem quarta-feira.
Syntax/Konstruktion:


Präpositionalphrasen: por la tarde,con el martillo,en breve,a ciegas,a tientas
teilkonventionalisierte Präpositionalphrasen mit modifizierten Substantiven der Art und Weise
(manera/maneira, modo, forma): de manera convincente/ a la manera de Disney
Flexion


Suffixoide, die sich mit Substantiven und/ oder Adjektiven verbinden (dt. -mäßig, -technisch, weise, engl. -wise (Zwischending zwischen Kompostition & Derivation)
Romanische Adverbbildung auf -mente (Suffixe)
Semantische Adverbkategorien: Adverbklassen in Anlehnung an Frey (2003)
• Satzadvberbien:



sprecherbezogene Satzadverbien (z.B. sprechaktbezogen, epistemisch, evaluativ, evidential):
francamente, probablemente, afortunadamente, aparentemente:
Häufig an der Satzperipherie: Francamente no me parece bien. aber: Está francamente loco.
subjektbezogeneSatzadverbien:arrogantemente
Adverbien der Perspektivierung: Econó micamente no vale la pena.
• Verbbezogene Adverbien





Mit Subjektorientierung: Alberto contemplaba atentamente los cuadros
Mit Objektorientierung: La avalancha la hirió mortalmente.
instrumental: manualmente
aspektuell: reiteradamente
bezogen auf die Art und Weise der Handlung: Escribió lentamente. Habló francamente.
• Adjektivbezogene Adverbien: sp. muy, terriblemente, port. muito, terrivelmente..
Bildung auf -mente
Bildung: feminine Form des Adjektivs + -mente quasi-panromanisch (Ausnahme Süditalien, Sizilien,
Rumänien)  rápida -mente
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Status der Adverbbildung auf –mente:
Flexion, Derivation oder Komposition oder phrasales Affix ? (Torner 2005, Detges 2015 )
Argumente gegen eine Analyse als Flexionsendung:

Einschränkungen der Produktivität: (Kovacci 1999, Gó mez Ferreiro González 1989)
a) semantische Restriktionen: *rojamente, *inglesamente (roterweise gibt keinen Sinn)
b) morphologische Restriktionen bei span. Adjektiven auf –ble, -do, -nte (in einigen Fällen
abhängig vom Präfix: indefectiblemente vs. *defectiblemente
c) euphonische Beschränkungen der Verwendung *extremamente lentamente
d) syntaktische Beschränkungen: *respetuosamente de los demás

mö gliches „gapping“ im Spanischen und Portugiesischen (formalere Register!):
• Ela
respondeu correcta e rapidamente. /Respondió correcta y rápidamente.
• >> vgl. Katalan.
Rápidament i silenciosa[ment] (Torner 2005)
Argumente fü r die Analyse als Kompositum:
• Im Spanischen: Beibehaltung des Akzents
• fácil–fácilmente,difi ́cil-difi ́cilmente
aber: Im Portugiesischen: Verlust des Adjektivakzents:
• amável–amavelmente, fácil–facilmente,difi ́cil-dificilmente

Trennbarkeit (gapping) in manchen romanischen Sprachen (nicht aber bei franz. –ment oder auch
bei engl. –ly)

Koexistenz von –mente mit einem Lexem mente (nicht aber z.B. im Franzö sischen)
Argumente gegen eine Analyse als Kompositum
• -mente besitzt keine lexikalische Bedeutung mehr
Argumente gegen eine Analyse als Derivationsaffix (und ebenfalls schwächeres Argument gegen
Komposition)
• Position von -mente nach der Genusendung detenidamente
• Position von –mente nach dem Superlativsuffix: brevi ́simamente
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
Argumente fü r -mente als phrasales (Derivations-)Affix
SoSe 2021
>> Kombination mit Adjektivphrase bzw. flektiertem Adjektiv, nicht Adjektivstamm (Torner 2005)






nichtlexikalische Semantik von –mente
gapping
Beibehaltung des Akzents im Spanischen
Position von -mente nach der Genusendung: detenidamente
Position von -mente nach dem Superlativsuffix: brevi ́simamente
phrasale Struktur: [[más inteligente] y [más profunda]] mente. (Torner 2005: 133)
Frage des Verlusts des Flexionsstatus der Adjektivendung und Reanalyse als Fugenelement: vgl. ipso facto >
ipsofactamente (Rainer 1993: 87)
aber: heterogene Femininendungen von franzö sischen Adjektiven (franc/franche, net /nette..) auch bei der
Adverbbildung!
Die lateinische Ausgangskonstruktion der Adverbbildung auf –mente (s. Detges 2015)
• suffixale Adverbbildung im Lateinischen–e,-iter,-o,-(t)im(Karlsson1981)
• neue, explizitere Konstruktionen im Lateinischen zum Ausdruck von subjektiven Einstellungen:
 ADJ + pectore ( pectus ‘Brust’), z.B. laetanti pectore ‘aus fröhlicher Brust’ (Bauer 2010: 341),
 ADJ + corde (cor ‘Herz’), z.B. ardenti corde ‘mit leidenschaftlichem Herzen’
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
 ADJ + animo (animus ‘Seele, Geist, Laune’), z.B. studioso animo ‘mit eifrigem Geist’ (vgl. sp.
unánime, port. unânime)
 ADJ + mente (mens ‘Geist’), z.B. placida mente ‘ruhigen Geistes’
• Bestandteile der Konstruktion:
 Ablativform mente ‘Geist, Gesinnung, Einstellung’ + ADJ
 Kongruenz mit dem femininen Substantiv mente

Funktion: Spezifizierung einer auf ein menschliches Subjekt (oder anderes Argument) bezogenen
mentalen Einstellung:
in lateinischen Textbelegen finden sich lediglich Verwendungen der geistigen Haltung eines
Agens/Experiencer

In der ersten Person fallen Sprecherrolle und Subjekt bzw. Agens zusammen!
>> “invited inference”: Bekräftigung einer moralischen Geisteshaltung

Häufige Verwendung mit Adjektiven der christlichen Verhaltensnormen in der Spätantike: pia
mente (‘frommen Geistes’), purissima mente (‘reinen Geistes’) (Detges 1998)
metonymischer Kippeffekt: von der mentalen Disposition bei einer Handlung zur expressiven
Charakterisierung einer Handlung

Adverbbildung auf -mente ein Kultismus?
Weisheitsliteratur breitet sich auf die Umgangssprache aus. Mente eher in Distanzsprache und in
geschriebener Sprache.
Formale Argumente fü r eine Entstehung oder Verbreitung in der Distanzsprache
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
• im Spanischen Durchsetzung der nicht diphthongierten Form -mente, mö glicherweise gestützt durch
Sprachkontakt (andere romanische Sprachen, insb. Okzitanisch, Katalan., evtl. Latein (?), s. Company
Company 2012), die erbwö rtlichen Formen zeigen Diphthongierung (mientre, mient, miente). Ab dem 14.
Jh. setzte sich –mente durch (Karlsson 1981: 94, in Detges 2015).
• Fusion mit dem lateinischen Adverbialsuffix –iter im Altspanischen und weiteren mittelalterlichen
romanischen Sprachstufen: Altital. –mentre, Altspan. -mientre aus VLat. *MENTITER, aus mente + iter
(Karlsson 1981: 44).
• Tendenz, nach frü hen zusammengeschriebenen Formen die Elemente wieder zu trennen (vgl. Glossen,
10. Jh. mondamientre, studiosamientre, Çid (12./13. Jh.) fuerte mientre. Ab dem 16. Jh. Fusion (Karlsson
1981: 103 in Detges 2015). (erst zusammen, dann getrennt, dann Fusion)
•„gapping“(Detges 2015, Karlsson(1981): allmähliche Entstehung der heutigen Regeln und Varianz in der
Romania in den frü hen romanischen distanzsprachlichen Texten (keine sehr frühen Belege!), ab dem 15.
Jh. etablierten sich im geschriebenen Spanischen die heutigen Regeln (Karlsson 1981: 102).  Weglassen
eines Elements Mente bei der Koordination von zwei Adverbien (Distanzsprachlich)
Abnehmender Skopus = abnehmende Reichweite
VL 5: Die Grammatikalisierung von Adverbmarkern Die Entstehung des Definitartikels
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Die Lehmannschen Grammatikalisierungsparameter und die Entstehung von -mente:
Paradigmatik
-
-
zunehmende Paradigmatizität: Durchsetzung der Konstruktion mit mente gegenüber den
konkurrierenden ablativischen Nominalphrasen mit pectore, corde, animo…
abnehmende Wählbarkeit, bei Funktionsausweitung von -mente auf weitere Adverbfunktionen
liegen keine Varianten mehr vor (aber: Registerunterschiede: adverbiale Adjektive in der
gesprochenen Sprache).
Abhane der Integrität: Verlust der lexikalischen Bedeutung, Funktionsausweitung, aber:
Dekategorialisierung des ursprünglichen Substantivs, z.B sichtbar in der Fixierung des Singulars
(kein Plural etc. mehr möglich)
Aber: keine lautliche Reduktion von mente
“Host-class expansion” (Himmelmann 2004: 32f.):
Erweiterung der Kombinationsmö glichkeiten und damit der Produktivität:
“Host-class expansion” im Falle der Adverbbildung auf –mente:
• Verlust der Restriktion auf menschliche Argumente (meist Subjekte)
• Verlust der Restriktion auf Adjektive der geistigen oder emotionalen Haltung (primeramente,
únicamente, antiguamente)
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Die Stigmatisierung der spanischen –mente-Adverbien heute in Stilhandbü chern und anderen
präskriptiven Texten
-
Bitte vermeide Verben auf -mente!
Hinweis auf (Sport)Pressesprache, Stigmatisierung als schlechter Stil
Sprachlicher Tick: en plan (de)
 perspektivieren oder Ebene einzuführen, auf der eine Handlung stattfindet
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
En plan meditado, en plan de aventuras, en plan de confidencial, en plan gran hermano
Alternative Adverbialkonstruktionen der Art und Weise: de + N + ADJ (Mihatsch 2020)
−de (una) manera + ADJ
−de (una) forma + ADJ
−de (un) modo + ADJ
Fiera guisa (=gleicherweise, folgenderweise)  für mente
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Fazit
-
Die Grammatikalisierung von Adverbialmarkern zeigt typische Merkmale von Grammatikalisierung
Aber: Adverbialgrammatikalisierung scheint in den romanischen Sprachen eine distanzsprachliche
Entwicklung darzustellen
Mögliche Ausgangsfunktionen finden sich auf verschiedenen adverbialen Funktionsebenen
Neben diskursiven Gründen (Bekräftigung von Geisteshaltungen, Perspektivierung) können auch
Funktionslücken und die Stigmatisierung etablierter Verfahren zum Wandel beitragen 
Alternativen entstehen
Die Entstehung des Definitartikels
Lokalisierung eines Referenten in einer Menge von Referenten (...), die dem Hö rer durch die Situation
(Deixis), durch Vorerwähnung im Text oder sein Vorwissen vermittelt ist.
Semantischer Ansatz: Verweis auf einen einzig möglich identifizierbaren Referenten
Pragmatischer Ansatz: Definitheit wird bestimmt durch Vertrautheit (subjektive Aspekte)
Definitheit nach Ward/Birner (2013): Individuierbarkeit im jeweiligen Diskursmodell (Beziehungen werden
hergestellt)
Indefinitartikel: Ich habe einen Schrank gekauft (gehen davon aus, dass Gegenüber diesen noch nicht
kennt)
Funktionen des Definitartikels
-
Bezug auf Äußerungskontext: Gib mir DIE Butter, DER Briefträger (pragmatisch-definit)
Referent ist bekannt: Der Mond (es gibt nur einen)  Definitartikel muss gesetzt werden
Ein bestimmter Referent, konkrete oder noch nicht konkrete Person: un archivero, el archivero
Superlativ: ein Referent  keine Alternative
Körperteile: los labios
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
- El hombre erklärt im vorherigen Satz
- Assoziative Metapher  semantische Beziehung: He comprado una casa en muy buen estado; só lo
el tejado necesita una pequeñ a reforma.
- Vor Possesiva
- Umgangssprachlich/dialektal: Eigennamen
Die wichtigsten Gebrauchskontexte von Definitartikeln (Ferraresi 2014: 40f.)


A unmittelbar situativer Gebrauch
B anaphorischer Gebrauch
 Gesprächssituationsabhängig: pragmatisch-definit



C assoziativ –anaphorischer Gebrauch
D abstrakt-situativer gebrauch, Weltwissen, z.B. Unika (Substantive mit einem einzigen mö glichen
Referenten)
E generischer Gebrauch
 semantisch-definit
 Fall von sekundärer Grammatikalisierung: Ausgangspunkt Demonstrativa, die bereits grammatische
Morpheme sind (und nicht aus lexikalischem Material entstehen)
 Artikel als Merkmal des Standard Average European
Exkurs: Deixis
• Zeigen auf Situationselemente, meist ausgehend vom deiktischen Zentrum (Origo= Jetzt und Hier)(Bü hler
1934)
• Typen der Deixis:
• Personaldeixis: sp. yo, tú..., port. eu, você
• Sozialdeixis: tú/usted
• Lokaldeixis: aquí, allí...
• Temporaldeixis: sp. ahora /port. agora, antes
• Objektdeixis: sp. este, ese, aquel, port. este, esse, aquele
Universelle Gebrauchskontexte von Demonstrativa (Himmelmann 2001)
1) Situativer Gebrauch : This guy behind you waits to get back to his seat.
2) Diskursdeiktischer Gebrauch: ... and that’s the end of that story (Bezug auf vorangehenden Diskurs)
3) Anaphorischer Gebrauch (“Tracking use”): ... and a man comes along with a goat, and this goat
obviously is interested in the pears (Beziehung auf zuvor erwähntes Element)
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
4) “recognitional use”, anamnestischer Gebrauch, Verweis auf spezifisches gemeinsames Wissen der
Gesprächsparter*innen, oft in Kombination mit pragmatischen Markern wie you know? or remember?
 spezifisches Wissen (Du weißt schon, was ich meine)
(a) those dusty kind of hills that they have out here by Stockton and all
(b) hitting one of those bounce-back things, you know, the little thing that had elastic, and it has a ball
Demonstrativbegleiter vs. Artikel
-
Assoziative Anapher: Es una historia increible. No quiero contarte el final (este final geht nicht)
First mention”-Kontexte (Erstnennung): la luna, esta luna
Superlativ: el hombre más sabio del pueblo, NICHT: ese hombre más sabio del pueblo
Aber: Nichtidentifizierende Anapher und Modifikatoren:
Brückenkontexte: vom Demonstrativum zum Definitartikel
Anaphorischer Gebrauch („Tracking use“)
- … dieser (bereits erwähnt & erklärt)
„recognitional use“, anamnestischer Gebrauch, Verweis auf spezifisches gemeinsames Wissen der
Gesprächsparter
- Demonstrativa expressiver (Beziehen Zuhörer mehr ein auf der Suche nach dem Referenten)
- Gemeinsames Wissen:
Übergang zur Generalisierung & Verlust der subjektiven Färbung von der pragmatischen zur
semantischen Definitheit
Die Expansion der Artikelverwendung im Spanischen
-
-
Semantischer Substantivtyp: menschliche Substantive > belebte Substantive > unbelebte Konkreta
> Körperteile > temporale Substantive > Abstrakta / mass nouns (je belebter, desto eher wird
definiter Artikel gesetzt)
Syntaktische Position: Subjekt (Thema, schon bekannt)> direktes Objekt > weitere Argumente >
Präpositionalphrasen/Zirkumstantialphrasen
Genus: Maskulin > Feminin
Numerus: Singular > plural
Referenzielle Funktionen: referierend > generisch > Unika
Beispiel für Artikellose Verwendungen im Altspanischen:
entraron sobre mar, en las arcas son metidos
tovieron castellanos el Puerto gran bien guardado
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
VL 11+12: Entstehung des Definitartikels; Entstehung des Indefinitartikels, von Quantoren & Intensivierern
Artikellose Verwendungen im Gegenwartsspanisch
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
Prädikativ: María es profesora
Apposition: Ana, profesora de inglés
Präpositionalphrase: No lo hizo por miedo. Miquel trabaja de noche
Direktes Objekt: Tiene sed. Pasan coches. Comemos pan
Koordination: Abandonó mujer e hijos.
Sprichwörter: Perro que ladra no muerde
Präverbale betonte Subjekte oder Objekte: (una) casa tan barata no la encuentras ya fácilmente
Grammatikalisierungsstatus heutiger Demonstrativa
Demonstrative typische Quelle für Definitartikel
Anaphorische & anamnestische Verwendungen (Brückenkontexte, aber noch keine Grammatikalisierung)
Anaphorisch: Diese Letztere ist besonders
Mögliche Anzeichen für eine Abschwächung der deiktischen Funktionen im Portugiesischen
-
Verschwinden des Kontrasts zwischen ese/este
Optionale Verstärkung im gesprochenen Portugiesischen
Bemerkungen zum formalen Status der spanischen & portugiesischen Definitartikel
-
Klitika (freie Morpheme, aber mit enger Bindung an andere Morpheme, unbetont)
Segmental teils reduziert im Vergleich zu den Pronomina der 3. Person
Obligatorische Position vor dem Substantiv
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Die Entstehung des spanischen & portugiesischen Indefitinartikel
Indefinitheit
- „fehlen Angaben zur Lokalisierung des Referenten
- Indefinitheit ist dadurch charakterisiert, dass Hörer den Referenten nicht identifizieren können
Funktionen:
- Indefinit-spezifische Verwendung: spezielles Haus
- Indefinit-unspezifisch: unspezifisches Haus
- Prädikativ: Anna ist eine Jugendliche
- Generisch: stellvertretend für die gesamte Klasse
- Emphatisch
Indefinite Nominalphrasen finden sich häufiger in Objekt- als in Subjektposition, da sie neue
Informationen beisteuern (rhematisch verwendet werden  im Gegensatz zum Thema noch nicht
bekannt)
Indefinitartikel können nicht mit unzählbaren Substantiven kombiniert werden, es sei denn:
- Sie beziehen sich auf eine (zählbare) Portion: „universal packager“  ein Bier = Maß?
- Sie beziehen sich auf eine Unterklasse: „universal sorter“
Sind unos/unas das pluralische Pendant des Indefinitsartikels?
 selbe Funktion wie die Singularform, sind aber optional
ABER: Die generische Lesart ist beschränkt auf Kontexte, die exemplarische interpretierbar sind
Schritte der Grammatikalisierung
Latein: kein Indefinitartikel, aber Zählbarkeit wird anders markiert
Schritt 1: Entstehung aus dem Numeral ,einer´in der Lesart ,ein bestimter/gewisser´emphatisch für
spezifische neue Referenten
Schritt 2: Verwendung in indefinit-unspezifischen Kontexten:
- Brückenkontexte: Sätze mit Futur/Konditional/Imperativ, bei denen die Spezifität in den
Hintergrund rücken kann
Schritt 3: Generische Verwendung über die Brücke verallgemeinernder Kontexte: Vertreter einer Klasse >
Gesamtklasse
Grammatikalisierungspfad des spanischen Indefinitartiekl
-
Numeral ,eins´
Emphatische Verwendung ,ein bestimmter/gewisser´
Indefinit-spezifische Verwendung
Indefinit-unspezifische Verwendung
Generische Verwendung
Indefinitartikel & die Prinzipien der Grammatikalisierung nach Hopper (1991)
-
Layering: Koexistenz älterer & neuerer Formen, schwächer & stärker grammatikalisierter
Konstruktionen: spezifische (indefinite) & unspezifische (beliebige) Ausdrücke
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
- Persistence: grammatikalisierte Konstruktionen bewahren häufig Reste der ursprünglichen
lexikalischen Bedeutung: Dominanz der singularischen Bedeutung
- De-categorization: Verlust der Zugehörigkeit zu einer lexikalischen Wortart (N, V, A): vom
adjektivischen Zahlwort zum Artikel
Formale Eigenschaften des Indefinitartikels
-
Formal reduziert im Vergleich zum Pronomen (Endvokal verschwindet: un chico + betonter
Anfangsvokal: un alma)
- Akzentuierbarkeit unklar
- Plural unos Argument für einen Verlust der Zahlwortbedeutung & für den Artikelstatus
 Klitisierung
Quantoren (Mengenausdrücke)
Quantoren: mucho, poco, demasiado, algunos, varios, un montón de,…
Grandintensivierer: muy, poco, demasiado, super, terriblemente,…
 hängen zusammen!
Lateinisch: MULTUS  multifunktionaler Ausdruck
Romanische Sprachen erben diesen Ausdruck
Eine neue iberoromanische Differenzierung: mucho; muy
- Komparativ
- Muy im Jugendspanisch
- Te pareció interesante? Muy (gesprochen aber eher mucho)
Verschiedene Kontexte & Funktionen der Adjektiv- & Adverbmodifikation
- I Gradierbare Adjetive & Adverben: Es muy inteligente
- II Gradierbare Verben: La aprecio mucho (lange)
- III Quantifikation eines Ereignisverbs/Komparativ eines Adjektivs: Duerme mucho (häufig)
- IV Quantifikation eines unzählbaren Substantivs: Comí mucho chocolate (Menge)
- V Quantifikation eines zählbaren Substantivs: Comí muchos chocolates
Die Grammatikalisierung neuer expressiver Quantoren
Die Entstehung von Quantoren aus Substantiven
- zur Bezeichnung großer Mengen: un montón, una pila de
- Ausgangskonstruktion: binominale Konstruktion
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
Kopf: un montón + Modifikator: de arena
Kopf zum Quantor: und montón de arena
SoSe 2021
„invited inference“ & Metonymie
Brückenkontext:
Zweideutig: un montón de zapatos (Ein Berg Schuhe (visuell) tritt in den Hintergrund  die große Menge)
Also beiden möglich
Switch context: nur noch die große Menge möglich
Quantoren in der Jugensprache (Binominalquantoren)
-
(un) mazo (de): = Kartenstapel
 indefinitartikel & Präposition wird weggelassen (-> Anzeichen Grammatikalisierung)
Caleta (de) = Bucht (Ort an dem ich Diebesgut verstecken kann)
Alternativen:
Gradintensivierer: super, mega, híper, etc.  wird zum Quantor?!
„Das gefällt mir mega“
VL 13+14:
Pronomina: Eine Einführung
-
Ersetzen keine Substantive, sondern Nominalphrasen
Bsp: Alguien llama a la puerta. Elena llama a la Puerta
Klassifikation der Pronomina & Determinanten
-
Personalpronomina: yo, tú  el, la
Possesivpronomina: el mío  mi, tu
Demonstrativpronomina: este, esta, esto  este, esta
Relativpronomina: que, quien, el cual  cual
Interrogativpronomina: qué, quien  qué, cuál
Indefinitpronomina: algo, alguien, uno, nada, nadie, cualquiera  algún, un, ningún, cualquier(a)
Unpersönliche Pronomina: uno, “man” oder “sie“
Wozu Pronomina?
- Können ersetzt werden
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
- Pronomina sind grammatische & damit prozeduralisierte Ausdrücke, die ökonomisch im
Hintergrund operieren & minimale semantische Informationen mit abstrakten Instruktionen zur
Referenz mit Spezialisierung auf bestimmte syntaktische Positionen kombinieren
Indefinitpronomina & Indefinitartikel: umfangreichste Klasse an Pronomina
Un, algún, (un) cierto, outro, un determinado, ningún, (un) tal, …
Indefinitfunktionen & ihre nichtexpressiven & expressiven Varianten:
1. Unspezifisch indefinit:
Toma un/cualquier bolígrafo
2. Spezifisch indefinit:
Un/cierto caballero preguntó por tí hoy
Die expressiven Varianten sind schwächer grammatikalisiert & zeigen mögliche Quellen der
Grammatikalisierung auf.
Die free-choice Pronomina („was du willst“, „egal, was“) als Ausgangspunkt fü r die Grammatikalisierung
von Indefinitpronomina
Das Lateinische besitzt mehrere Free-choice Quasisynonyme: quivis, quilibet, quicumque, quisquis
-
Sind port. qualquer und sp. cualquier(a) Calques aus dem Lateinischen?  keine
Grammatikalisierung
Company Company & Pozas Loyo (2009) plädieren fü r unabhängige Grammatikalisierungsprozesse!
Die Grammatikalisierung von cualquier(a) (Company-Company & Pozas-Loyo 2009)
Hypothetische Schritte der Grammatikalisierung:
a. Freier Relativsatz
Haga en él cual castigo quiera (hacer).
‚Nehmen Sie an ihm vor, welche Strafe Sie (an ihm vornehmen) mö gen.
hier auch noch mö glich: Ellipse bei Koordination: En qual ciudat quier que entrades, o en qual castillo ,
preguntat qual es ombre bono (Evangelio , 37.10.11) ...wö rtlich: ‘In welche Stadt ihr wollt, dass ihr
betretet, oder in welche Burg, fragt, wer ein guter Mann ist..‘
b. Phrasales Kompositum (noch nicht zusammengewachsen)
Haga en él cual quiera castigo.
c. Indefinites Wort
Haga en él cualquier(a) castigo
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Morphosyntaktische und lautliche Veränderungen (Company Company Pozas Loyo 2009)







Selektion des Verbs querer – vgl. die nicht grammat. Varianten: Haga en él cual castigo
considere/pareciere, quiera.
Verlust der Flektierbarkeit von querer (Tempus und Modus): bei span. cualquier(a) Fossilisierung
des Subjuntivo Präsens 3. P. sg, und bei port. qualquer des Indikativ Präsens 3. P. sg.
Verlust oder Restriktionen der Varianten mit anderen Relativpronomina (Span. quiquier,
quequier, heute niedrigfrequent quienquiera, quienesquiera, doquier.., Port. qualquer, quem quer
(que seja), onde quer: weniger stark grammatikalisiert.
Abnahme der Modifikation (bsp. Kombination mit Adjektiven)
Zunahme der Determiniererfunktion
Verwendung mit explizitem Relativsatz mit eigenem Pronomen: Indiz dafü r, dass cual nicht mehr
als Relativpronomen aufgefasst wird: en cualquier tiempo que sea
Apokope des Finalvokals im Spanischen
Umgangssprachliche Tendenzen bei der Pluralisierung
Standardsprachlicher Plural (selten): cualesquiera libros  cualquiera
 morphologische Angleichung an das produktive Nominalparadigma als Anzeichen für weiter
zunehmende Grammatikalisierung
Semantische Expansion
 neue Lesarten, die keine (reineI Idee der Beliebigkeit kommunizieren:
-
Pejorative Lesart (abwertend): un liebro cualquiera = Unwichtigkeit
Universalquantor/generisch ,alle´: Cualquiera tiene derecho a ser escuchado.
 Beschränkung im Spanischen: Me gustaría traer algo para el buffet
-
Konditional: Si ves cualquier cosa, dímelo inmediatamente (Unwissen, aber nicht reine
Beliebeigkeit)
Port. qualquer besitzt mehr (auch nicht emphatische) Funktionen als sp. cualquier(a) und ist damit
stärker grammatikalisiert!
Spanisch Tendenz der Ausweitung: Beliebigkeit über Komparativ zum Konditional (zweischrittige
Grammatikalisierung)
Portugiesisch Tendenz der Ausweitung: Überall bis auf spezifisch bekannt
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Weitere Forschungsfragen im Bereich der Grammatikalisierung der Indefinitpronomina
und -determinanten
-
Kontrast und Grad der Grammatikalisierung sp. un/algún und port. um/algum?
Kontrast und Grad der Grammatikalisierung weiterer (auch neuerer) free-choice Varianten?
Grammatikalisierung ausgehend von „spezifisch unbekannt“- Funktionen: „was weiß ich“ oder
„weiß Gott wer“?
Negative Pronomina  direkte Negation
Expressive Ausgangslexeme am unteren Skalenendpunkt: Minimaleinheiten oder Generalisierer (s. auch
Camus Bergareche 2006)
Aktuelle Ausdrü cke mit Minimaleinheiten zur Verstärkung der Negation
-
Sp. Esto no vale un duro/ una peseta/ un céntimo.
Port. Isto não vale um tostão /um cêntimo/ um centavo.
Quantitätsskala: Minimalmenge (Ich trinke keinen Tropfen mehr, kein Schwein)  Große Mengen
Die Negation der Minimalmenge verneint über eine Implikatur expressiv alle Werte der Skala!


Altportugiesische Minimalausdrü cke (Pinto2018,Amaral2020): palha, tostão, gota, figa, palma..
Altportugiesische Generalisierende Ausdrü cke (Pinto 2015): homem, rem, cousa , nada
‘Kein Mensch sollte seine Kinder mehr als Gott lieben’

Altspanische Minimalausdrü cke: paso,punto,figo, castañ a, faua
Non es uerdad, non sé qué digo;todo esto non uale uno figo

Altspanische Generalisierer: nadie/nada(<omnenado/omnenasçido)
verán un fuerte sygno qual non vyo omne nado
‚sie werden ein starkes Zeichen sehen, das noch kein geborener Mensch sah‘

verschmolzen mit einem Negationsadverb: altport. nemigalha (> nem migalha) (Pinto 2018), vgl.
port. ninguém, sp. ninguno (< lat. nec unus ‘nicht einer‘)
Status der Minimaleinheiten & Generalisierer
Tendenz zur Spezialisierung auf negative Kontexte, aber keine eigene negierende Funktion (Elemente
der negativen Polarität (NPI)):
Te gustó la película? Ni un pimiento (geht nicht nur „un pimiento“), ABER: Nada
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
Zwischenetappe oder Persistenz der älteren nicht negativen Bedeutung, NPO &
negierendes Element:
Bsp en absoluto
- positive Kontexte (inzwischen selten): Está seguro pagar a través de la página web? Sí en absoluto
- NPI: pero no me parece que desuide en absoluto un argumento replete de decisions durísimas que
tomas
- Negierendes Adverbial: Sufrió acoso en la escuela? En Absoluto.
Der „quantifier cycle“: vom negativen Polaritätselement (NPI) zum negierenden Ausdruck
1. „ein Ding“ (Indefinitausdruck)
2. „Anything“ (NPI)
3. „nothing“ (doppelte Negation führt nicht zur Affirmation = Kongruenznegation oder negatives
Indefinitpronomen)
Unpersönliche Pronomina
Verfahren der Unpersönlichkeit
Pronomina
1) People say he was mad
2) They are now introducing English lessons in the kindergarten
3) Eles aumentaram de novo os impostos
4) Your/one shouldn´t drink and drive
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
5) Man sollte das nicht ernst nehmen
SoSe 2021
Syntaktische Verfahren:
1) Der Antrag wurde abgelehnt
2) Se habla portugués
VL 15+16:
Unpersönliche Pronomina
Schritte der Grammatikalisierung der „man-impersonals“
1.
2.
3.
4.
Generische Lesart: „die Menschheit“:
Indefinit-unspezifische Lesart: Verallgemeinerung, aber nicht auf die ganze Menscheit bezogen
Indefinit-spezifische Lesart: konkreter Referent im Auge
Definite Lesart (Personalpronomen, kein unpersönliches Pronomen mehr!): nicht mehr
unpersönlich
Es gibt auch abgebrochene Grammatikalsierungspfade
Grobe Stufen der Grammatikalisierung
1. Assoziativ-anaphorisch/kontextuell: Bezug auf aus dem Kontext erschließbare vage abgegrenzte
Personengruppe
2. Unpersönlich, auch nicht referenziell bzw. generisch
- Exklusiv: Die Leute, aber nicht ich selbst
- Inklusiv: Alle, die Menschheit  weit weg von der Ausgangskonstellation. Man kann nicht mehr mit
„die Leute“ überzeugt
3. 1. Person Plural (sporadisch singular)
Verlassen des Bereiches der unpersönlichen Pronomina
Grammatikalisierungspfad a gente
1.
2.
3.
4.
Pluralische definite Personalpronomina der 3. Person (anaphorisch)
Pluralische semi-definite (teils bekannte Referenten, vage abgegrenzte Gruppen von Personen)
Nicht referierende pluralische Verwendung
Plural/Singular (referierend, Personalpronomen)
- Substantiv ist kein Substantiv mehr  Dekategorisierung
- Aber Kongruenz wird beibehalten
 Parallelen zu anderen Sprachen
„Self-detachment“-Strategien (Moltmann): Verallgemeinerung aus Sprecherperspektive
A) erst ich, dann Verallgemeinerung (Zurücknahme  größere Gültigkeit + Verstecken der Person
dahinter)
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
B) erst ich, dann Generalisierung (Schutz, Höflichkeit)
SoSe 2021
Parallelen zu sp. Uno
- uno wird meist nicht referenziell, sondern generisch/verallgemeinernd verwendet
- Entwicklung beginnt im 16. Jhd. Ausgehend von indefiniten nichtspezifischen bzw. generischen
Verwendungen & ersetzt das unpersönliche omne als Sprecherstrategie, um sich selbst
zurückzunehmen
Anzeichen für eine beginnende Grammatikalisierung
- Koreferenz
- Aber daneben auch noch anaphorische Wiederaufnahme
Zusammenfassung
• as pessoas, o pessoal, o povo: tendenziell pluralisch, eher exklusiv, eher referierend
• a pessoa/uma pessoa: eher generisch/verallgemeinernd und inklusiv
> Spuren der Ausgangsstrategien, aber beginnende Funktionsausweitung
Und erste Anzeichen morphosyntaktischer Veränderung:
 Präferierte Subjektposition  Abnehmende Modifikation  Mö glichkeit der Koreferenz
• Gründe: Funktionswandel von a gente, das heute rein inklusiv ist, und womö glich der Verlust der prodrop-Eigenschaft des bras. Portugiesischen und die Tendenz, die Subjektposition zu besetzen.
Anredepronomina
T (vertraute Anrede)/ V (distanzierte Anrede) im Mittelalter
- Typen von Machthierarchien: Von der staatlichen Gewalt zur Familie
- Pronomina als Reflexe von Machtverhältnissen: nich reziproke (asymmentrische) Anrede
- Aber: Horizontale Anrede: reziprok & schichtabhängig: als Reflex der Übernahme von V von „oben“
nach „unten“
Generalisierung von vos & der Bedarf nach neuen Formen respektvoller Anrede (Calderón
Campos)
-
Verallgemeinerung der Verwendung von vos in verschiedenen Schichten & Abbau der
asymmetrischen Anrede oder sogar gegenüber Untergebenen
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
- Ab dem 14. Jh neue hierarchische Differenzierung durch nominale Anredeausdrücke (vuestra +
abstraktes Substantiv: su señoria, vuestra señoria)
- Im portugiesischen Vossa Merce ab dem 15. Jh als Anrede gegenüer dem König
- Ende 17. Jh. Diese Formen werden im Spanischen & Portugiesischen zu Pronomen respektvoller
Anrede mit der Verbform der 3. P. sg
Siglo de oro:
Vertraut: tú/vos
Respektvoll: vuestra merced(es)
Modernes System (europ. Sp.)
Vertraut: tú + vosotros
Respektvoll: usted
Lat. Sp.
Vertraut: tú/vos + ustedes
Respektvoll: usted
VL Grammatikalisierung
W. Mihatsch
SoSe 2021
- Indefinitpronomina
- Cualquier
- Negativpronomina (nada, nadie = Geborene Wesen als Minimaleinheit)
- Unpersönliche Pronomina (entwickeln sich teilweise zu Personalpronomina)  a gente
- Vertraute & distanzierte Anrede (geht auf lexikalische Elemente zurück)
Grammatikalisierung:
Immer Gesprächsstrategien (expressive Strategien), bei denen free-choice oder Beliebigkeitspronomina,
die eigene indefferenz.(Verlust der Beliebigkeit)
Negation: Die Minimaleinheit verstärkt (Verlust der Expressivität)
Unpersönliche Pronomina: nicht expressiv. Ich nehme mich zurück, gehe einen Schritt zurück (Verlust der
Kontexte)
Höflichkeitspronomina: übertriebene Anrede  Ausweitung auf weitere Kontexte
 Verlust der ursprünglichen Strategie: welche sind betont, welche sind emphatisch
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