Subido por Jana Schweingruber

ZF Rechtsphilosophie Jana

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ZF Rechtsphilosophie HS23
Vl 1: Einführung Rechtsphilosophie
Rechtswissenschaft: tatsächlich bestehendes, positives Recht
Rechtssoziologie/Rechtstheorie: Beschreibung Recht externe Perspektive
Rechtsphilosophie: Wirklichkeitsbericht des Rechts, Verbindung von Recht mit allgemeinen
philosophischen Rahmen und abstrakten Erkenntnissen der Welt
 Verfassungsrecht, abstraktere Normen wie Menschenwürde
Gemeinsamkeiten Rechtssysteme
1. Strafrecht: Regeln/Normen die bestimmten Verhaltensweisen unter Strafe verbieten
oder vorschreiben
2. Haftungsrecht: Menschen entschädigen diejenigen, die sie in bestimmter Weise
verletzen
3. Kondit. Recht/ Privatrecht: legen fest, was man tun muss (Verträge, Konditionen…)
4. Judikative: Bestimmen, was Regeln sind, wann sie gebrochen wurden und welche
Strafe/Entschädigung
5. Legislative: neue Gesetze erschaffen und alte Abschaffen
Recht und Moral/Gerechtigkeit
Gesetz: Akt der Setzung
Recht: Richtigkeit
Problem ungerechten Rechts: Inwiefern zielt Recht auch auf Gerechtigkeit? Ist ungerechtes
Recht auch geltendes Recht?
Problem der praktischen Autorität: Recht beansprucht Gehorsam; ist sie moralischer Natur?
Oder ist Rechtsgehorsam nur eine Frage von Gewalt und Androhung?
(Hart: ungerechtes Gesetz ist kein Gesetz)
Radbruch: 5 Minuten Rechtsphilosophie
Naturrecht -> Verbindung von Recht und Gerechtigkeit
 Thomas v. Aquin (rationalistischer Naturrechtler)
Rechtspositivismus-> keine intrinsische Verbindung von Recht und Gerechtigkeit
 John Austin (klassischer Rechtspositivist)
Positivistische Lehre: Gesetz gilt, weil es Gesetz ist. Sie setzt Recht der Macht gleich. Nur wo
Macht ist, ist Recht. Nur was Recht ist, nützt dem Volk
 Gesetze, die den Willen zur Gerechtigkeit bewusst verleugnen, fehlt es an Geltung
und das Volk schuldet keinen Gehorsam.
 Rechtsgrundsätze: sind stärker als jede rechtliche Satzung (Naturrecht/Vernunftrecht)
VL 2: Autorität
Autorität
Auf Leistung, Tradition oder Ausstrahlung beruhender Einfluss einer Person oder der
Institution und daraus erwachsendes Ansehen, massgeblichem Einfluss und hohem Ansehen
Kant: «Auch Engel brauchen Autorität.» -> Koordinationsschwierigkeiten
Strafrecht als Hilfsmittel, um Autorität zu unterstützen
Kollektive Autorität: Moral
Antigone
 Kreon will Polyneikes nach seinem Tod für seinen Hochverrat bestrafen und erlässt
ein Gesetz, dass man ihn nicht beerdigen darf
Argumente Kreon:
- Polyneikes war Staatsfeind, Kreon beschützt Stadt (Polis) vor Unheil (Polyneikes), hat
also Basis der Verfassung das Gemeinwohl beschützt
- Es ist egal, ob man das als gerecht empfindet, man muss der Stadt (Kreon) so oder so
Gehorsam leisten
Argumente Antigone:
- Kreon hat Macht (=Autorität) unter den lebenden, aber nicht unter Toten (unterliegen
den ungeschriebenen und ewig geltenden Gesetzen der Götter)
- Diese Gesetze bestehen seit eh und je
- Antigone wollte sich nicht den Gesetzen der Götter/Prinzipien der Gerechtigkeit
widersetzen, aus Furcht vor lebendem Herrscher (Kreon)
- Kreons Wille so ungerecht, dass er gegen göttliche Gesetze/Gerechtigkeitsprinzipien
verstösst
 Antigone sagt nicht, dass Kreon illegitimer Herrscher sei, sie erkennt seine Legitimität
und Macht im Bereich der Lebenden an. (leistet zivilen Ungehorsam, aber widersetzt
sich keinem spezifischen Gesetz, ist also nicht einverstanden mit Autorität)
 Begrenzung der Autorität von Kreon: Clash zwischen Autorität Staat und Prinzipien
der Gerechtigkeit (Radbruch)
Hannah Arendt
Macht:
Fähigkeit, nicht nur zu handeln, sondern sich mit anderen zusammenzuschliessen und im
Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Über Macht verfügt niemals ein einzelner, bleibt nur so
lange existent, wie Gruppe zusammenhält.
«Ich habe Macht.» -> ist von bestimmter Anzahl Menschen ermächtigt, in ihrem Namen zu
handeln
 Ohne ein Volk oder eine Gruppe gibt es keine Macht
Sowohl in einer Demokratie als auch in einer Diktatur kann eine Rechtsordnung nicht über
Jahre erfolgreich aufrechterhalten werden, wenn an den Hebeln der Macht nicht Personen
sitzen, die Gesetzgeber loyal ergeben sind
Stärke:
Im Gegensatz zur Macht immer einem einzelnen, sei es Ding oder Person
Stärke hält der Macht der vielen nie stand. Wo der Starke mit der Macht der vielen
zusammenstösst, wird er immer durch die Überzahl überwältigt
Autorität:
Kann Eigenschaft einer einzelnen Person sein (Eltern/Kind, Lehrer/Schüler) oder einem Amt
zugehörig (Senat in Rom/katholische Kirche).
 Kennzeichen ist die fraglose Anerkennung seitens derer, denen Gehorsam abverlangt
wird, sie bedarf weder des Zwangs noch der Überredung
Kraft:
Wo physische oder gesellschaftliche Bewegungen bestimmte Energiequanten erzeugen, wie
die «Wasserkraft» oder «Kraft der Verhältnisse», die sich auf den Einzelnen auswirken
Gewalt:
Gekennzeichnet durch instrumentalen Charakter, steht Phänomen der Stärke am nächsten,
da Gewaltmittel dazu dienen, die menschl. Stärke/organischen Werkzeuge zu vervielfachen,
bis Stadium erreicht ist, wo künstliche Werkzeuge die natürlichen ganz und gar ersetzen.
Arendt: Autorität
«Ihr Kennzeichen ist die fraglose Anerkennung seitens derer, denen Gehorsam abverlangt
wird, bedarf weder des Zwanges noch der Überredung
 Man glaubt oder tut etwas, weil Autorität es verlangt, nicht weil man gezwungen
(Gewalt) oder überredet (Überzeugungskraft) wird.
 Autoritäre Staaten = Gewaltvolle Staaten NICHT Autorität im Sinne Arendts
Autoritäre Herrschaftsform: Macht bezieht sich weder auf Gewalt noch tyrannischen Willen,
sondern muss immer legitimiert werden, und zwar indem sie sich auf eine Quelle beruft, die
ausserhalb und über der Machtsphäre derer liegt, die gerade Gewalt innehaben (Göttliche
Gebote/Naturrecht)
 Der Gebrauch von Autorität ist eine Weise, menschliches Verhalten zu regulieren, die
in der Mitte zwischen moralischen Argumenten und dem Gebrauch von Gewalt
stehen
VL 3: Strafen/Autorität
Strafe vs. Konsequenz
Wer sich nicht an rechtliche Regeln hält, erhält rechtliche Konsequenz, Strafen aber nur im
Strafrecht
Strafe wird intendiert, geschieht also nicht einfach so, auch ohne Gewalt möglich
Godwin
Vernunft vs. Gewissen
Jede Autorität hat Grenzen, schwierig bei staatl. Autorität (Antigone)
Bsp: Menschenrechtsverletzung-> kollektive Befehlsverweigerung
Ignatius von Loyola
Kadavergehorsam: Absoluter Gehorsam, kein eigenes Gewissen mehr
Sich von der göttlichen Vorsehung mittels des Oberen führen und leiten lassen, als wäre man
ein toter Körper, der sich wohin auch immer bringen und auf welche Weise auch immer
behandeln lässt
 Gehorchen, trotz anderer Meinung/ im Sinne der Jesuiten muss Gewissen weg
Max Weber
Gehorsam soll bedeuten, dass Handeln des Gehorchenden so abläuft, als hätte er den Inhalt
des Befehls um dessen selbst Willen zur Maxime seines Verhaltens gemacht
 Lediglich um des formalen Gehorsamverhältnisses und nicht auf die eigene Ansicht
über Wert/Unwert
Thomas Hobbes
Rat: Vorschrift, bei der Grund für Gehorsam der Sache selbst entnommen ist. (Quelle ist die
Sache selbst -> «Ich rate dir mit dem Trinken aufzuhören», sachlich)
Befehl: Grund für Gehorsam abhängig vom Willen des Befehlshabers («Weil der Chef es
gesagt hat», nicht sachlich)
 Man kann nicht sagen: «So will ich, und so befehle ich», es sei denn der Wille steht
für einen Grund
Wolff: Dilemma der Autorität
Kantianer, Konflikt äusserer Autorität (Staat) und innerer Autonomie (Mensch)
 Soweit ein Mensch seine Verpflichtung erfüllt, sich selbst zum Autor seiner
Entscheidungen zu machen, wird er den Anspruch des Staates, Autorität über ihn zu
haben, ablehnen, Anarchismus ist einzige politische Lehre, die mit Autonomie in
Einklang steht
 Bereits wenn ich mir die Frage stelle, ob ich gehorchen soll oder nicht, verliert der
Staat die Autorität
«(…) in jedem Einzelfall die endgültige Entscheidung über Kooperation oder NichtKooperation (staatlicher Befehle) vorbehält, dann bestreitet es die Autorität des Staates. Bei
Akzeptanz Autorität verliert es die Autonomie.»
 Es gibt auch vernünftige Autorität (Strassenverkehrsregeln), Anarchist wird aber
niemals die Befehle des Staates als legitim ansehen, als bindende moralische Kraft
Autorität: Recht zu befehlen, und dementsprechend das Recht, gehorcht zu werden,
Unterschied Macht; Gehorsam erzwingen durch Anwendung oder Androhung von Gewalt
Wichtig: Gehorsam besteht nicht darin, zu tun was jemand sagt zu tun. Sondern darin zu tun,
was er Ihnen sagt, zu tun, weil er Ihnen sagt es zu tun.
Beispiel: Einem Dieb gebe ich mein Portemonnaie, weil er Macht über mich hat, aber nicht,
weil er Autorität hat
Überzeugende Argumentation: Ich bin zur Überzeugung gelangt, etwas zu tun. Ich gehorche
also nicht einem Befehl, sondern erkenne die Kraft eines Arguments oder die Stärke einer
Vorschrift an
Autoritativer Befehl: Personen besitzen Autorität, aufgrund dessen, was sie sind und nicht
aufgrund dessen, was sie Befehlen.
 Autonomie gem. Wolff bedeutet, wenn Mensch freien Willen als auch Vernunft
besitzt (verantwortungsvoller Mensch), es gibt für ihn strenggenommen keine
Befehle, handelt eigenständig und denkt selbst nach
Konzepte des Staates
Normativ: Staat ist eine Gruppe von Personen, die das Recht haben, in einem Gebiet oberste
Gewalt auszuüben, Normen (Polizei in Stadt Bern)
Deskriptiv: Gruppe von Personen, die als oberste Autorität innerhalb eines Territoriums
anerkannt sind (Bundesrat)
Green: Rational, Autorität zu gehorchen?
Rationalität: erfordert nach Abwägen aller Faktoren, dass wir immer das tun, was am besten
zu sein scheint
Autorität: gegen die Bilanz aller Gründe und somit dem Anschein nach gegen die Vernunft
handeln (gibt aber auch vernünftige Autoritäten)
 Autorität der Vernunft/Rationalität ist die einzige, der wir folgen sollten
VL 4: Rationalismus vs. Voluntarismus
Verstand: Rationalität/assoziiert mit Gründen
 Verstand soll Willen dominieren, schwache und schlechte Menschen werden vom
Willen getrieben
 Rationalismus
Wille: Strebungsvermögen mit Absicht
 Verstand ist Sklave des Willens
 Voluntarismus
Beide Positionen akzeptieren die Seele als zweiteilig, sie sind sich aber darin uneinig, welches
Seelenteil dominiert
Göttliche Gebotstheorie
Handlungen, die Gott befiehlt, sind moralisch geboten. Handlungen, die er verbietet, sind
moralisch falsch. Alle anderen Handlungen sind zulässig oder lediglich moralisch neutral.
Vorteile:
- Das Problem der Objektivität der Ethik ist gelöst. Was richtig oder falsch ist, ist
vollkommen objektiv bestimmt
- Liefert uns einen Grund, warum wir uns mit Moral befassen sollen
Nachteile:
- Verhalten ist gerecht, weil Gott es befiehlt, Gott kann nach dieser Auffassung alles
befehlen, was er will (auch Mord oder Gewalt)
Dilemma von Euthyphro - Willkürargument
Wird das Gerechte von Gott geboten, weil es gerecht ist? Oder ist es gerecht, weil es geboten
wird?
Rationalisten:
- Wir unterwerfen uns einfach Gottes launenhaften Willen
- Wenn Gott Gründe hat, dann wird er überflüssig. Die wirkliche Normativität ist nicht
Gottes Willen, man kann sich also an dem richten, an was er sich richtet
Die rationale Moralität existiert auch ohne Gott, er ist nur der Verkünder.
Es würde nicht richtig handeln, wer gegen richtige Vernunft handelt, auch wenn Gott nicht
existieren würde. (Gregor von Rimini)
Dass Gott etwas befiehlt ohne Grund ist Blasphemie, denn Gott ist rationales Wesen (Thomas
von Aquin)
Voluntaristen:
Gottes Wille erzeugt die Gerechtigkeit durch seine Gebote. Mord, Folter, Genozid können
einfach durch seine Gebote gerecht gemacht werden.
Gottes Wille ist Richtschnur für alle Dinge.
«Ich will es so.»
Naturrecht = Rationalismus
Die Gesetze der Logik sind nicht frei ERfunden worden. Sie sind mit unserer Menschennatur
gegeben und GEfunden worden. Gehorcht dem Rationalen direkt, braucht keinen
Mittelmann
 Aristoteles, Leibnis
Recht ist die höchste Vernunft, verwurzelt in der Natur, wenn diese Vernunft institutionell
gesichert ist, ist sie Gesetz
 Cicero
Antigone und göttliche Gebotstheorie
«Divine-command-theory» setzt voraus, dass an einen Gott als Gesetzgeber geglaubt wird
Voluntarismus: keine rationale Begründung, sondern der Grund, dass die Götter es befehlen,
reicht komplett aus
Wir fürchten eine Strafe, deshalb folgen wir Gott
Vitorias Kompromiss
Richtigkeit moralischer Gebote ist unabhängig von Gottes Existenz (Rationalität), aber ohne
Gottes Setzung wäre es keine Pflicht (vorher neutral, nicht verpflichtend)
Gott macht strafbar, Geboten der Vernunft nicht zu folgen.
VL 5: Naturrecht/Aristoteles
Aristoteles gehorcht dem Gesetz direkt, braucht keinen Mittelmann: «Dass ich ohne Befehl
tue, was einige zu tun gezwungen sind, aus Furcht vor dem Gesetz.»
Naturrecht: Idee, dass die Normen des menschlichen Zusammenlebens durch die Natur des
Menschen begründet werden können und müssen
 Verbindung von Recht und Moral
Physei/physikon: von Natur aus Recht/Gerecht
Nomo: gesetztes, positives Recht
Aristoteles: Nikomachische Ethik
Aristoteles trifft Unterscheidung zwischen Natur und Gesetz (Konvention) und fordert, dass
das Gesetz der von der Natur errichteten Ordnung folgen soll
 Immanente und hierarchische Zwecksordnung
Physikon: Naturrecht, hat überall die gleiche Geltung, hängt nicht davon ab, was wir denken
(Universalismus)
Nomikon: Regeln, Inhalt ist egal, entscheidend ist nur, dass es Regelungen gibt, Dinge könne
auf eine oder andere Weise geregelt werden
 Ist aufgrund der menschlichen Verhältnisse gerecht (Staatsverfassungen)
Rechtspositivisten: Alles Recht ist nomikon (konventionell)
Aristoteles: Götter unterliegen den Gesetzen der Vernunft, also sind sie unveränderlich.
Menschennatur hängt von historischen/soziokulturellen etc. Faktoren ab.
 Natürlich ist, was überall die gleiche Kraft hat und nicht davon abhängt, ob man es
anerkennt oder nicht, gesetzlich ist hingegen dasjenige, bei dem es zwar ursprünglich
keinen Unterschied macht, ob dies oder jenes gilt, wohl aber dann, wenn es einmal
so erlassen worden ist
 Natürliches Gerechtes: Umfasst all dasjenige, wohin Mensch tendiert, Vernunftnatur
des Menschen (kein göttliches Recht!!), ergibt sich aus Achtung vor anderen Wesen,
auch ohne gemeinschaftlichen Umgang oder Vertragsbeziehungen bestehend,
niemand weiss, woher sie gekommen sind
 Gesetzliches Gerechtes: durch menschliche Regelungen für richtig und gerecht
erklärt
 Politisches Recht ist entweder physikon oder nomikon
Naturrecht: Spannung zwischen göttlich-unveränderter Wesenhaftigkeit und menschlicher,
durch Situation erforderte Veränderlichkeit (Antigone)
Wie kann etwas gleichzeitig absolut und veränderlich sein?
- Das Recht hat von Natur aus dieselbe Kraft und verbietet Mord, Diebstahl und
Ehebruch
- Einheitliches Prinzip kann verschiedene Verwirklichungen haben (Bsp: Händigkeit)
Laut Aristoteles verlaufen Spannungen zwischen dem unveränderlichen Rechten von Natur
und den wechselnden Weisen seiner Verwirklichung innerhalb des Staates
->Existentielle Spannung, die nicht theoretisch, sondern nur durch die Praxis des Menschen
selbst gelöst werden kann
Rechtsstaatlichkeit: als Herrschaft des Rechts im Gegensatz zur Herrschaft des Willens einer
Person. Gesetz ist als Vernunft ohne Wünsche zu bezeichnen
Cicero & Stoiker
Recht ist die höchste Vernunft, wenn institutionell gesichert und errichtet im menschlichen
Geist, dann wird sie Gesetz
Jus cogens
 Zwingendes Recht
Regeln, die von internationalen Staatengemeinschaften in ihrer Gesamtheit angenommen
und anerkannt werden als eine Norm, von der nicht abgewichen werden darf. Kern des
Völkerrechts, kann durch andere Verträge nicht abgeschwächt werden
VL 6/7: Rechtspositivismus Austin
Gemeinsamkeiten Rechtspositivismus und Naturrecht
1. Mit Notwendigkeit gilt, dass Recht und Gesetz kritisierbar sind mit Blick auf
moralische Standards. Gibt moralisches/unmoralisches und gerechtes/ungerechtes
Recht, ungerechtes Recht muss vollzogen werden, hätte aber nie Gesetz werden
dürfen
2. Massstab sind objektive Standards der Gerechtigkeit bzw. der Moral: «kritische
Moral» (Bibel, Kantismus, Koran…)
Unterschiede
Kritische Moral:
1. Austin: Utilitarist; maximales Glück der grössten Zahl ist zu maximieren, Regeln der
Gerechtigkeit
2. Thomas: rationalistischer Weltpluralist; natürliches Gesetz kommt aus Weisungen der
praktischen Vernunft (Aquin)
Pflichtbegriff:
1. Austin: Pflichten sind das Resultat schierer Macht und Gestalt von Befehlen, die mit
Zwangsdrohungen gestützt sind, keine Autorität
2. Thomas: Pflichten sind rationale Notwendigkeiten, deren Verbindlichkeit von ihrem
Inhalt abhängt. Befehle haben Verbindlichkeit nur, wenn ihre Befolgung rational
notwendig ist
Mehrdeutigkeit von Moral
Positive (gesetzte) Moral: Sitten und Gebräuche einer Gesellschaft
 Das, was Gesellschaft für richtig hält
 Etikette ist Unterbereich
Kritische «wahre» Moral: Verhaltensregeln, die zu befolgen objektiv richtig ist
 Das, was objektiv richtig ist
 Krit. Moral = Ethik
 In der Philosophie geht es immer um krit. Moral
Austin
Positive Moral: positive Sittlichkeit, wie sie ist
Krit. Moral: positive Sittlichkeit, wenn sie Gesetz Gottes entspräche und daher der Billigung
wert wäre
 War Utilitarist; vertrat Ansicht, dass gesetztes positives Recht das Wohlbefinden der
Gesellschaft möglich umfassend verbessern sollte
Kernaussagen:
1. Eine Rechtsregel besteht aus allgemeinem Befehl und der Androhung einer Sanktion
unter Voraussetzung, dass Befehlsgeber die Macht hat, Sanktion zu verhängen
 Daraus entsteht Verpflichtung der Befehlsadressaten
2. Recht ist Summe der Befehle, die von der höchsten gesellschaftlichen Autorität, dem
Souverän ausgehen und denen die Masse der Gesellschaft gewohnheitsmässig
gehorcht
Taxonomie Gesetze
- Göttliche Gesetze: Naturgesetz/natürliches Gesetz, laut Austin das einzige natürliche
Gesetz, von dem man sprechen kann
- Menschliche Gesetze:
1. Klasse: Rechtswissenschaften, von politisch Übergeordneten gesetzte
 Im Gggstz. Zu Naturrecht wird die Gesamtheit dieser Regeln als «positives Recht»
bezeichnet
2.Klasse: Von Bürger*in zu Bürger*in, Souverän zu Souverän, ausserhalb staatlicher
Gemeinschaft, Vorschriften der positiven Moral
Befehls- oder Imperativtheorie
Jedes Gesetz oder Regel ist ein Befehl, Gesetze/Regeln sind eine Art von Befehlen
Vorschriften sind auch dann verbindlich, wenn man gegen sie verstossen kann
 Befehl, der Personen Verpflichtungen auferlegt
 Macht bedeutet, andere mit Schmerzen/Bösem zu beeinflussen und sie aus Angst vor
diesem Bösen zu zwingen, ihr Verhalten den eigenen Wünschen anzupassen, ohne
Strafe keine Verbindlichkeit
Thomas von Aquin: Gesetz ist Vorschrift der praktischen Vernunft zum Wohl der
Gemeinschaft, erlassen von jemandem, der für die Gemeinschaft verantwortlich ist (auch
verbindlich ohne Strafe)
Bedeutung «Befehl»:
«Wenn sie mir ein Übel zufügen wollen, falls ich ihrem Wunsch nicht entspreche, ist die
Äusserung oder Andeutung ihres Wunsches ein Befehl
«ausgedrückt durch die Macht und die Absicht des Befehlenden, mir ein Übel oder einen
Schmerz zuzufügen, falls der Wunsch missachtet wird. Wenn du mir nicht schaden kannst
oder willst, wenn ich Wunsch nicht nachkomme, ist die Äusserung ein Wunsch, kein Befehl,
auch wenn du ihn im Imperativ formulierst.»
 Befehl und Pflicht sind also korrelative Begriffe; Bedeutung, die der eine angibt, wird
durch den anderen impliziert oder vorausgesetzt
Trennung Recht und Moral:
Ein Gesetz, das tatsächlich existiert, ist ein Gesetz, auch wenn wir es uns missfallen sollte,
oder es von dem Text (Bibel…) abweicht, der unsere Zustimmung oder Ablehnung reguliert.
Austin meint, dass selbst ungerechte Gesetze bindend sind und man sich an sie halten muss.
Ungerechte Gesetze sind gültiges Recht.
 Man muss es anerkennen, dass es ein gültiges Gesetz ist, es hätte aber nie zum
Gesetz werden dürfen
 Trennungsthese
 Irrglaube, dass das nur die Rechtspositivisten anerkennen würden
Laut Stepanians soll jeder, der bei Trost ist, akzeptieren, dass gesetztes Recht gültig ist
Austins These richtet sich gegen Sir William Blackstone, der denkt, dass kein menschliches
Recht, welches dem göttlichen widerspricht, verpflichtend oder bindend ist
 Naturrechtler vertreten nur scheinbar die Position, dass nur gerechtes Recht,
gesetztes Recht ist
5 Thesen nach Austin
1. Gesetze sind Befehle von Menschen
2. Gibt keine notwendige Verbindung zwischen Recht und Moral
3. Analyse von Rechtsbegriffen ist,
a. Ein lohnendes Unterfangen
b. Zu unterscheiden ist von historischen Untersuchungen der Ursachen oder der
Entstehung von Gesetzen
c. Dass eine Rechtsordnung ein geschlossenes System ist, in dem korrekte
Rechtsentscheide mit logischen Mitteln aus vorbestimmten Rechtsregeln ohne
Rekurs auf soziale Ziele etc. abgeleitet werden können
d. Dass moralische Urteile nicht durch rationale Argumente, Belege oder
Beweise begründet oder verteidigt werden könne (Non-Kognitivismus)
Austins Rechtpositivismus
Rationalistisch-voluntaristische Theologie:
Gott findet moralische Werte in der (von ihm geschaffenen Welt) «fertig» vor. Gott ist
Utilitarist und will, dass die Menschen glücklich werden, aber erst sein Gebot/Befehl
verpflichtet uns dazu
Rationalistisch-voluntaristische Rechtsphilosophie:
Staatlicher souverän findet die moralischen Werte vor, aber ein guter Souverän sollte
Utilitarist sein und seine Untertanen zur Glücksmaximierung verpflichten.
 Deskriptives Recht:
«Expository jurisprudence» reine Beschreibung/Darstellung des Rechts, wie es
tatsächlich ist
 Normatives Recht:
«Censorial jurisprudence» kritische Bewertung des Rechts mit Blick auf Massstab der
Fairness und Gerechtigkeit
VL 8/9: Rechtspositivismus Hart
Rechtspositivismus steht für ihn, für eine verwirrende Vielzahl verschiedener Sünden. Austin
und Bentham beharren darauf, auf die Trennung zwischen Recht, wie es ist, und wie es sein
sollte.
Fünf Sünden
1. Dass Gesetze sanktionsgestützte Befehle von Menschen seien
2. Dass es keine notwendige Verbindung zwischen Recht und Moral oder Recht, wie es
ist und wie es sein sollte gibt
3. Dass Analyse von Rechtsbegriffen
a. ein lohnendes Unterfangen ist
b. zu unterscheiden ist von historischen/soziologischen Untersuchungen
4. Dass Rechtsordnung ein «geschlossenes System» sei, in dem korrekte
Rechtsentscheide mit logischen Mitteln aus vorbestimmten Rechtsregeln ohne Rekurs
auf soziale Ziele, Massnahmen oder moralische Standards abgeleitet werden können
5. Dass moralische Urteile nicht durch rationale Argumente, Belege oder Beweise
begründet oder verteidigt werden können, wie es für Tatsachenaussagen möglich ist
(Non-Kognitivismus)
Laut Hart vertreten klass. Rechtspositivisten (Austin, Bentham) nur These 1-3:
1. Befehlsthese: alle Gesetze sind menschliche Befehle
2. Trennungsthese: es gibt keine notwendige Verbindung zwischen Recht und Moral
3. Methodische Bekenntnis zur Begriffsanalyse: Rein deskriptive Analyse von
Rechtsbegriffen eine fruchtbare Aufgabe ist
Hart bestreitet, dass alle Gesetze menschliche Befehle sind, bekennt sich mit Vorbehalt zu 2
und 3
Non-Kognitivismus
Es ist alles nur ein Ausdruck subjektiver Emotionen und man kann nicht darüber
argumentieren, dass moralische Urteile wahr oder falsch sin, weil sie einer rationalen
Diskussion gar nicht fähig sind
 Hans Kelsen und skandinavische Realisten
Befehlstheorie Repetition
Befehl: handelt sich um einen Ausdruck des Wunsches einer Person, dass eine andere Person
eine Handlung ausführen oder unterlassen sollte, begleitet von der Drohung einer Strafe
Befehle gelten als Gesetze, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
1. Müssen allgemein sein
2. Müssen sie von dem, was in jeder politischen Gesellschaft, unabhängig von ihrer
Form, existiert, befohlen werden von souveränen Personen
 Somit ist das Gesetz der Befehl der nicht befohlenen Befehlshaber der Gesellschaft,
die Schöpfung des rechtlich ungebundenen Willens des Souveräns, der
definitionsgemäss ausserhalb des Gesetzes steht.
Kritik von Hart an Befehlstheorie
Einige gesetze verlangen von Menschen, sich auf bestimmte Weisen zu verhalten oder davon
abzusehen, unabhängig davon, ob sie es möchten oder nicht.
Andere Rechtsregeln haben ganz unterschiedliche Funktionen:
- Regeln, welche Einzelpersonen ermöglichen, Verträge etc. abzuschliessen
- Sie sagen nicht, «tun sie dies, ob sie es wünschen oder nicht», sondern, «wenn sie
dies tun möchten, hier ist der Weg, es zu tun».
Pointe Unterscheidung:
1. Die Gefahr, dass das Recht und seine Autorität sich verflüchtigt in menschlichen
Vorstellungen davon, wie es sein sollte
2. Die Gefahr, dass bestehendes Recht die Moral als letztes Verhaltensstandards ersetzt
und so jeder Kritik entzogen wird
 Nach Hart sagt Trennungsthesen, dass Recht und Moral versch. Regel Ordnungen
sind, die sich überlappen können, aber nicht müssen
 Ob Regel oder Norm gültig: abhängig davon, ob sie in einer Gemeinschaft
akzeptiertes Kriterium erfüllt
 Nicht notwendig: gibt rechtlich gültige, aber ungerechte Gesetze
 Nicht hinreichend: Aus Gerechtigkeit erfolgt nicht, dass es rechtlich gültig ist
Austin und Bentham
Bestreiten NICHT:
- Dass Entwicklung von Rechtsordnung von moralischen Überzeugungen zutiefst
geprägt wurde oder umgekehrt, moralische Überzeugungen zutiefst durch das Recht
beeinflusst wurden, Inhalt vieler Rechtsnormen widerspiegelt moralische
Regeln/Prinzipien
- Dass Gerichte verpflichtet sein könnten, im Einklang mit dem zu entscheiden, was sie
für gerecht oder am besten halten
Vertreten AUCH:
- Dass aus der blossen Tatsache, dass eine rechtliche Regel moralische Standards
verletzt, nicht folgen kann, dass es keine geltende Rechtsregel ist.
- Dass umgekehrt die blosse Tatsache, dass eine Regel moralisch wünschenswert ist,
nicht folgen kann, dass sie eine Rechtsregel ist
Übersicht
Befehlstheorie: Gesetze sind sanktionsgestützte Befehle
Trennungsthese: Es gibt keine notwendige Verbindung zwischen Recht und Moral
Log. Geschlossenheit: Das Recht ist ein geschlossenes Regelsystem aus dem Richter*innen
ihre Urteile logisch ableiten
Non-Kognitivismus: Moralische Urteile sind weder wahr noch falsch, sondern blosser
Ausdruck von Emotionen
Missverständnisse Rechtspositivismus
- RP sind nicht Moralskeptiker*innen, die Existenz moralischer Normen bestreiten
- Müssen nicht bestreiten, dass moralische Erwägungen den Inhalt des Rechts oft
beeinflussen
- Können zugeben, dass Richter*innen bei Entscheidungen oft auch auf moralische
Werte und Gerechtigkeitserwägungen zurückgreifen
- Trennungsthese sagt nicht über existierende Rechtsordnungen, sondern betrifft den
Begriff des Rechts und den Begriff der Moral
- TT besagt nur, dass es möglich und vernünftig sei, Recht und Moral begrifflich zu
trennen (Trennbarkeitsthese)
Klassischer Rechtspositivismus – Thesen
 Strassenräuber-Modell
1. Alle Gesetze erzeugen Rechtspflichten
2. Alle Gesetze sind mit Strafdrohungen gestützte Befehle eines Souveräns
3. Verpflichtungen entstehen durch Zwangsdrohungen
Harts Kritik:
1. Falsch; These 1 verkennt die irreduzible Vielfalt gesetzlicher Vorschriften (Pflicht vs.
Recht vs. Freiheit)
Kompetenz: Fähigkeit, rechtliche Verbindungen/Beziehungen zu schaffen
2. Falsch; Befehle generieren keine Pflichten. Befehle setzen Hierarchie voraus
Der Souverän selbst das Produkt eines autorisierenden Gesetzes, das er nicht erzeugt
hat
 Henne/Ei-Problem: Um gesetzte zu machen, muss man gesetzgeberische Autorität
haben, welche von einem Gesetz verliehen wird
3. Falsch, da These 3 verkennt, dass Zwang (oder dessen Androhung) nicht verpflichtet.
Es ist nicht widersprüchlich zu sagen: «A hat eine Pflicht verletzt, wird aber nicht
bestraft.»
Austin: missversteht die Rolle (der Androhung) von Strafen im Recht
 Strafen sind nicht in der Lage, Normativität zu konstituieren
 Pragmatische Natur; macht Rechtsbefolgung wahrscheinlicher
Kelsen: «Du sollst nicht morden» -> «Wenn du mordest, wirst du bestraft»
 Absurdität: Das Recht gibt mir nicht die Wahl zwischen Nicht-Morden und
Bestraftwerden.
Primär- und Sekundärregeln
Rechtsordnungen sind komplexe Vereinigungen zweier Typen sozialer Regeln
Soziale Regeln gründen im sozialen Verhalten und Regeln dieses, während Rechtsregeln
artifizielle Produkte konventioneller sozialer Praktiken sind
 Verhalten einer Gemeinschaft koordinieren, Massstab für optimale Zusammenarbeit
schaffen
Primärregeln: von Gemeinschaft zu Gemeinschaft verschieden, erzeugen Pflichten und
klassifizieren bestimmte Verhaltensformen als Verbrechen oder Delikte
Sekundärregeln: sind soziale Regeln, die Primärregeln zum Gegenstand haben, Erzeugen
keine Pflichten, sondern Kompetenzen
 Laut Hart wären Vorstufen moderner Rechtsordnungen denkbar, die im Wesentlichen
aus Primärregeln bestehen
Wären jedoch bloss eine List verpflichtender Regeln, die bestimmte
Verhaltensformen tabuisieren
Erst Einführung
von Sekundärregeln, legitimiert nach Hart Rechtssystem
Haupttypen Sekundärregeln:
1. Rechtsentscheidungsregeln
Ermächtigen Amtspersonen, Personen zu verhaften, verurteilen und bestrafen
2. Veränderungsregeln
Primärregeln und Sekundärregeln zu generieren, zu modifizieren oder abzuschaffen
Beschluss von Verträgen, Umgang mit Eigentum, Beteiligung an Wahlen
3. Erkenntnisregeln
Kriterium zur Beantwortung der Frage, welche Regeln zu einer Rechtsordnung
gehören, bestimmen Inhalt und Grenzen
Existenzbedingung Rechtsordnung:
Bürger*innen müssen Recht mehrheitlich befolgen
1. Akzeptanz vom internen Standpunkt: freiwillig, weil sie es als binden anerkennen
2. Ablehnung oder Indifferenz, aber Furcht vor Strafe: Mehrheit, achtet Recht nur, weil
sie Strafe fürchten
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