Leitthema Orthopäde 2010 · 39:192–200 DOI 10.1007/s00132-009-1523-6 Online publiziert: 3. Februar 2010 © Springer-Verlag 2010 D. Höntzsch BG Unfallklinik, Tübingen Fixateur-externeOsteosynthese plus Videos Warum externe Fixation? Elemente der externen Fixation Die externe Fixation findet vor allem im­ mer dann Anwendung, wenn der lokale und/oder der allgemeine Zustand beim Patienten schwierig ist und wenn die ex­ terne Fixation Vorteile bringt [4, 5, 8], die sich aus folgenden Punkten ergeben: F geringe zusätzliche Verletzung der Weichteile und Knochen; F minimales zusätzliches Weichteil­ trauma; F zeitsparende Anwendung in der Not­ fallsituation; F Stabilisation von offenen und konta­ minierten Frakturen; F sekundäre Frakturreposition oder Modifikation der Stabilität der Fixa­ tion ohne weitere operative Eingriffe; F gute Alternative bei Infektrisiko; F geringere chirurgische Erfahrungen erforderlich als bei internen Osteo­ syntheseverfahren; F Segmenttransport, Verlängerung und Deformitätenkorrektur möglich; F bei Primärversorgung Ausbehand­ lung im Fixateur oder Verfahrens­ wechsel möglich; F bei Infektsituation Verfahrenswech­ sel von der inneren Osteosynthese zur externen Fixation möglich. Das Prinzip der externen Fixation be­ steht darin, dass die Knochenfragmente, welche reponiert und stabilisiert werden sollen, von einseitig eingebrachten Kno­ chenschrauben (Schanz-Schrauben), von durchgehenden Stiften (Steinmann-Pins), von gespannten Drähten (bei Ring- und Hybridsystemen) oder von außen wir­ kenden zangenartigen Greifern (HaloFixateur und Zangen- bzw. Pinless-Fixa­ teur) gefasst werden. Die extrakorporalen Enden werden dann mit verschiedenar­ tigen äußeren Elementen gehalten. Diese äußeren Fixationselemente können einfache Metallstäbe oder Roh­ re, röntgendurchlässige Kohlefaserstä­ be, komplexe mehrgelenkige Stabilisati­ onssysteme oder Gewindestangen beim Ring-Fixateur und bei Transport-Fixa­ teuren sein. Die Knochen- und die externen Fi­ xationselemente werden mit Backen („clamps“) verschiedenster Art verbun­ den. Jedes dieser drei Bauelemente der externen Fixation (. Tab. 1) kann ein­ fach bis hoch komplex sein. Zusatzmaterial online Zu diesem Beitrag stehen mehrere Videos mit Tipps, Tricks und Anwendungen zur Verfügung. Bitte folgen Sie dem Pfad: www.DerOrthopaede.springer.de >OnlineVersion >Beitrag >Electronic Supplementary Material oder geben Sie folgende URL ein: dx.doi.org/10.1007/s00132-009-1523-6 192 | Der Orthopäde 2 · 2010 Biomechanische Montageprinzipien Der Fixateur externe sollte ausreichend Stabilität zum Aufrechterhalten der Re­ position unter den verschiedenen Belas­ tungsbedingungen gewährleisten [7]. Hierzu müssen die biomechanischen Prinzipien verstanden werden. Im Regel­ fall werden mindestens zwei Pins oder gespannte Drähte in jedes Fragment/ Segment eingebracht. Bei der Platzierung der Pins und/oder der Drähte sollte die Verletzungsregion des Knochens und vor allem der Weichteile berücksichtigt wer­ den. Die Position der Pins sollte in den anatomisch sicheren Zonen liegen. Ei­ ne gute Montage berücksichtigt auch so weit wie möglich eine eventuelle sekun­ däre innere Osteosynthese. Tab. 1 Fixateur-externe-Elemente Zur Knochenfixation Externe Längsträger Verbindungsbacken Unilaterale Knochenschrauben (Schanz-Schrauben) Durchgehende Metallstife (Steinmann-Pins) Gespannte Drähte (für Ring- und Hybridsysteme) Zangen (Halo-Fixateur/Pinless- oder Zangen-Fixateur) Metallstäbe/Rohre Kohlefaserstäbe Gewindestangen Unilaterale „Body“-Systeme (z. B. MEFiSTO®, ALF®, Heidelberger Ex FIX®, Monotube® u. a.) Einfache Rohr-/Stab-zuPin-Backen Ring-/Draht-Backen zum Spannen der Drähte Rohr-/Stab-zu-Rohr-/StabBacken („tube-to-tube clamps“) Geschlossene Backen Seitlich offene Backen mit oder ohne Federsystemen Kombinationsbacken Mehrfachbacken (sog. Multipin-Backen) Sonderformen Backen aus Stahl, Titan oder Kunststoff (röntgendurchlässig) Zusammenfassung · Abstract Steifigkeit und Stabilität der Fixateurexterne-Montage hängen von folgenden Faktoren ab [3, 5, 7]: F Abstand der Pins/Schanz-Schrauben von der Fraktur (je näher, desto stei­ fer); F Abstand der Pins/Schanz-Schrauben innerhalb eines Fragments (je größer der Abstand, desto steifer); F Abstand der longitudinalen Verbin­ dungsstäbe vom Knochen (je näher, desto steifer); F Anzahl und Stärke der Längsträger; F Konfiguration der Montage; F Stärke und Material der Schrauben. Für die Praxis ist wichtig, dass die Belast­ barkeit von Schanz-Schrauben mit dem Quadrat des Durchmessers ansteigt. Dar­ aus folgt, dass 6-mm- gegenüber 5-mmSchrauben 40% mehr Stabilität bieten. Deshalb ist es ein Vorteil, wenn z. B. am Femur 6-mm-Schrauben zur Anwendung kommen, insbesondere bei lang liegenden Fixateuren wie zum Beispiel bei der Cal­ lotaxis zur Verlängerung oder zum Seg­ menttransport. Die Position und Richtung der SchanzSchrauben sollte bewusst gewählt wer­ den. Allerdings geben viele Fixateur-Sys­ teme dies vor. Bei modularen Systemen sollte im Fragment ein möglichst weiter, aber trotzdem nicht zu nah an der Frak­ tur oder dem angrenzenden Gelenk gele­ gener Abstand sein. Ob ein Verspannen der Schanz-Schrau­ ben wirklich sinnvoll ist, bleibt offen; vor­ sichtig durchgeführt schadet es nicht. Im akuten „Damage-Control“-Fall sollte man damit keine Zeit verlieren. Orthopäde 2010 · 39:192–200 DOI 10.1007/s00132-009-1523-6 © Springer-Verlag 2010 D. Höntzsch Fixateur-externe-Osteosynthese Zusammenfassung Die externe Fixation ist eine der Hauptsäulen der operativen Frakturenbehandlung. Die­ se Osteosyntheseform ermöglicht die lokale Damage-Control-Chirurgie für Frakturen mit ausgedehnten Weichteilschäden und für polytraumatisierte Patienten. Darüber hinaus sind sowohl die Korrektur von Deformitäten als auch der Knochensegmenttransport möglich. Arthrodesen und die septische Chirurgie profitieren von der externen Fixation. Um diese Aufgaben zu erfüllen, stehen der externen Fixation reichhaltige Variationen zur Verfügung. Der Fixateur externe ist aus drei Elementen aufgebaut: Fassen der Knochenfragmente (Pins und/oder Dräh- te) mit extern gelegenen Enden, den Längsträgern und Ringen und den Verbindungselementen. Die Grundzüge der externen Fixation lassen sich mit wenigen Konstruktionsund Montageprinzipien beschreiben. Dabei sollte die Form, d. h. die Konstruktion und die Montage, der Funktion folgen („form follows function“). Wenn diese Prinzipien eingehalten werden, kann die externe Fixation erfolgreich eingesetzt werden. Schlüsselwörter Frakturenbehandlung · Osteosynthese · Fixateur externe · Konstruktionsprinzipien · Montageprinzipien External fixation osteosynthesis Abstract External fixation is one of the mainstays of surgical fracture treatment. This method of osteosynthesis facilitates local damage control surgery for fractures with extensive soft tissue injury and in polytraumatized patients. In addition, correction of deformities and bone segment transport are possible. Arthrodesis and septic surgery also benefit from external fixation. An extensive range of fixators and methods are available to meet these various needs. An external fixator consists of three elements: securing the bone fragments (pins and/or wires with extracorporeal ends), lon- gitudinal rods and rings, and the connectors. The main features of external fixation can be described in terms of a few design and assembly principles. It is important that “form follows function”, i.e. design and assembly are modified to function. If these principles are observed, external fixation can be successfully applied. Keywords Fracture treatment · Osteosynthesis · External fixator · Design principles · Assembly principles Sichere Zonen Um Verletzungen von Nerven, Gefäßen, Sehnen und Muskeln zu vermeiden, müs­ sen anatomische Kenntnisse vor allem be­ zogen auf den Querschnitt der Extremität, so genannte sichere Zonen (. Abb. 1, 2, 3) berücksichtigt werden. Dies wird in spezi­ ell darauf abgestellten anatomischen Aus­ führungen dargestellt [1, 5]. Bei den trans­ versen Drähten für die Ring- und HybridFixateure sowie bei Steinmann-Nägeln müssen die zugewandte Insertions- und die Gegenseite beachtet werden. Der Orthopäde 2 · 2010 | 193 Leitthema Abb. 2 8 Sichere Zonen am Unterschenkel. (Mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing Schweiz) Abb. 1 9 Sichere Zonen am Oberschenkel. (Mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing Schweiz) Abb. 3 9 Sichere Zonen am Oberarm. (Mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing Schweiz) Schanz-Schrauben, Steinmann-Pins und Drähte sollten das Muskel- und Seh­ nenspiel nicht stören. Es bewährt sich, während oder vor allem nach der Inser­ tion und Stabilisierung die angrenzenden Gelenke durchzubewegen, um eventuelle Korrekturen an der Haut- und Faszienin­ 194 | Der Orthopäde 2 · 2010 zision oder im Einzelfall eine Neuplatzie­ rung vornehmen zu können. Eine konsequent korrekte Platzierung reduziert die Infektrate für die Pins, för­ dert die Bewegungsmöglichkeiten der angrenzenden Gelenke, macht den Fi­ xateur externe schmerzarm, erhöht den Tragekomfort und hilft, die Tragezeit des Fixateur externe zu verlängern. Dies­ ist besonders dann wichtig, wenn eine längere Implantationszeit für den Fixa­ teur geplant ist. Besonders wichtig ist di­ es zum Beispiel beim Ausbehandeln im Fixateur und bei Verlängerung und Seg­ menttransport. Ein besonderes Augenmerk möchte der Autor auf folgende Empfehlungen le­ gen [5]: Bei unilateralen Fixateur-exter­ ne-Montagen an der Tibia ist es nicht not­ wendig, die Schanz-Schrauben in die be­ sonders dicke anteriore Tibiakante einzu­ bringen. Die mediale Tibiakortikalis hat eine ausreichende Dicke. Schanz-Schrau­ ben werden ohnehin bikortikal veran­ kert. Das meist schwierige Aufbohren der harten Kortikalis an der Tibiakante kann mit exzessiver Hitzeentwicklung und fol­ gender Knochennekrose (später Ringse­ quester) einhergehen. Zu beachten ist zu­ dem, dass die Spitze des Bohrers von der Tibiakante medial und lateral leicht abrut­ scht. Die Insertion auf der medialen Flä­ che ist wesentlich leichter. Im Bereich der distalen Tibia besteht anterior ein Risiko der Verletzung bzw. Irritation der Sehnen der Musculi tibialis anteriores und extensor digitorum. Der weit distal gelegene Pin an der Tibia hat bei ventraler Platzierung die höchste In­ Abb. 4 8 Darstellung des Prinzips der Modulartechnik an der Tibia. a Diaphysäre Typ-B-Fraktur von Tibia und Fabula: Je nach Zustand der Weichteile werden zwei Pins in die beiden Hauptfragmente platziert (b), nach Anbringen der Querstangen entstehen zwei Handgriffe als Repositionshilfe (c); nach der Reposition werden die beiden Querstangen durch eine dritte Stange mit Rohr-zu-Rohr-Backen verbunden (d). (Mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing Schweiz) Abb. 5 8 Beispiel für einen Hybrid-Fixateur. (Mit freundlicher Genehmigung von AO Publishing Schweiz) fektionsrate, weil dann das Sehnenspiel einen Reizzustand fördert. Die sicherere und bessere Zone ist hier die anterior­me­ diale Fläche der Tibia (. Abb. 2). Montageprinzipien Grundsätzlich werden unilaterale und bi­ laterale Rahmensysteme sowie Ringsys­ teme unterschieden. Mischformen sind trianguläre Konstruktionen. Dies findet z. B. am sprunggelenküberbrückenden triangulären Fixateur Anwendung. Eine weitere Mischform ist der Hybrid­Fixa­ teur als Mischung zwischen einem Ring­ oder Teilring­ und einem unilateralen System [6]. Für unilaterale Rahmen werden Schanz­Schrauben eingesetzt. Bilaterale Rahmensysteme verwenden Steinmann­ Pins und Ringsysteme gespannte Dräh­ te. Die Ring­ oder partiellen Ringsyste­ me können zusätzlich zu den gespannten Drähten mit Schanz­Schrauben besetzt werden. Letzteres wird manchmal auch als Hybridanordnung beschrieben. Des­ halb ist darauf zu achten, welche Defi­ nition von Hybrid­Fixateur in einer Be­ schreibung gemeint ist. Abb. 6 8 Beispiel für einen Ring-Fixateur. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors) Rahmensysteme Unilateraler Rahmen Der unilaterale Rahmen ist die am häu­ figsten verwendete Montageform, um ei­ ne frische diaphysäre Fraktur mit einem Fixateur externe zu stabilisieren. Der Rahmen wird dabei in einer Ebene angebracht, anteromedial oder medial an der Tibia und lateral am Femur. Die Pins werden durch Stichinzisionen eingebracht und im Knochen bikortikal verankert. Bei „Monotube“­ oder „Body“­Systemen wird die Stabilität durch den Fixateur­ Korpus („body“) vorgegeben. Bei modu­ Der Orthopäde 2 · 2010 | 195 Leitthema Abb. 7 9 BewegungsFixateur für den Ellenbogen. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors) Therapie von Frakturen heute nicht mehr empfohlen. Ein temporärer intraoperativ ange­ legter Distraktionsrahmen zwischen Ti­ biakopf und distaler Tibia oder Kalkane­ us kann als Distraktionsrahmen die Mar­ knagelung der Tibia wesentlich erleich­ tern (s. u.). Gelenküberbrückung Abb. 8 8 Distraktionsrahmen für die Marknagelung der Tibia. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors) laren Rohr­ oder Stabsystemen wird die Stabilität durch Anzahl und Anordnung der Stäbe und/oder Rohre bestimmt. Ge­ naue Regeln können nicht gegeben wer­ den. Je mehr Belastung, je schwerer der Patient und je instabiler die Fraktur, des­ to stabiler sollte der unilaterale Längsträ­ ger sein und vice versa. Bei der Dreirohr­Modulartechnik (s. u.) ist häufig auch nur ein weiteres „Neutrali­ sierungsrohr“ zwischen den Hauptfrag­ menten notwendig, um die Torsionskräfte bei quer stehendem modularen Zwischen­ rohr aufzufangen. Bilateraler Rahmen Dieser Rahmentyp wird im Allgemeinen für Kompressionsarthrodesen des Knie­ oder Sprunggelenks verwendet. Die Stein­ mann­Pins werden dabei bikortikal einge­ bracht und penetrieren die Haut auf bei­ den Seiten. Diese Montage wird für die 196 | Der Orthopäde 2 · 2010 Die gelenküberbrückende externe Fixati­ on ist immer dann inzidiert, wenn entwe­ der der Patient (z. B. bei Polytrauma), die Extremität oder eine gelenknahe oder Ge­ lenkfraktur/Luxation nicht endgültig pri­ mär versorgt werden kann oder soll. Diese Art der Versorgung ist angezeigt, um gelenknahe Frakturen mit schwer­ wiegenden Weichteilschäden oder kom­ plexe Gelenkfrakturen und Frakturdislo­ kationen temporär zu stabilisieren. Die Stabilisierung erlaubt eine Erholung der Weichteile. Der Patient kann gut gepflegt werden, und eine präoperative Planung ist möglich. Modulare Repositions- und Fixationstechniken Besonders die „Baukastensysteme“ des Fixateur externe, bestehend aus Pins, Ba­ cken, Rohren/Stäben, erlauben eine mo­ dulare Technik [2, 3, 5, 6]). Hierbei ist die Position der Schanz­Schrauben frei. Das Prinzip der Modulartechnik ist, dass jedes Fragment mit einem Teil des endgültigen Rahmens besetzt wird. Mit und über die­ se Teilrahmen kann die Reposition erzielt werden. Die Teilrahmen werden dann mit einem modularen Zwischenelement ver­ bunden und fixiert. Dies kann am besten bildlich (z. B. am Unterschenkel) dargestellt werden. Die Modulartechnik kann mit dem Baukas­ tensystem an jeder Schaftfraktur gelenk­ nahen oder gelenküberbrückenden Mon­ tage angewendet werden. Die Dreirohr­Modulartechik soll in zehn Schritten erklärt werden (. Abb. 4): 1. Das körpernahe und das körperfer­ ne Hauptfragment werden jeweils mit zwei Schanz­Schrauben besetzt. Deren Eintrittsort und ­richtung sind absolut frei wählbar: Die Schrauben müssen in einer Ebene zueinander nicht parallel sein; der Ort kann nach anatomischer Vorgabe oder nach dem Verletzungs­ muster ausgerichtet werden. 2. Diese jeweils zwei Schanz­Schrau­ ben pro Hauptfragment werden mit einem passenden Rohr oder Stab und den entsprechenden Backen verbun­ den. Dieses Rohr bzw. dieser Stab muss zur Fraktur hin etwa 10 bis 30 mm überstehen. 3. Die Backen für diese Verbindung müssen fest angezogen werden. 4. An den überstehenden Enden werden Rohr­Rohr­Backen aufgesetzt. 5. Durch die freien Löcher der Rohr­ Rohr­Backen wird ein (genügend langes) drittes Rohr (deshalb Drei­ rohr­Modulartechik) geschoben. So­ lange reponiert wird, bleiben die Mut­ tern dieser Rohr­Rohr­Backen of­ fen (dieser fünfte Schritt, d. h. das Einschieben des dritten Rohrs, kann auch nach dem nächsten, dem sechs­ ten Schritt, also nach Reposition, aus­ geführt werden). 6. Nun wird die Fraktur reponiert. Die Teilrahmen (siehe 2.) können als „Griff “ benutzt werden oder es werden temporäre Griffe angeschraubt (groß­ er Vorteil: Haut, Weichteile, verletztes Gewebe müssen weder gedrückt noch gezogen werden; Repositionskräfte sind viel leichter übertragbar). Leitthema Abb. 9 9 Temporär angebrachte lange Griffe erleichtern die Reposition und ­minimieren die Repositionsmanöver quantitativ und qualitativ. Dadurch wird auch die Strahlenbelastung von Operateur und Assistent reduziert. (Aus Trauma Berufskrankh (2002) 4: 370–376) 7.Die Reposition wird klinisch und röntgenologisch überprüft. 8.Nach erfolgter Reposition werden die beiden Rohr-Rohr-Backen mit dem eingeschobenen dritten Rohr fest an­ gezogen. Es empfiehlt sich schritt­ weises alternierendes Anziehen, da­ mit die Backen noch etwas „spielen“ können und sich so selbst ausrichten. Wichtiger Hinweis: Es ist vorteilhaft, wenn die Rohr-Rohr-Backen so ge­ dreht werden, dass die Muttern einen „anschauen“. 9.Abschließende klinische und Rönt­ genkontrolle 10.Durch Öffnen der zwei Rohr-RohrBacken kann die Reposition und Fi­ xation primär oder sekundär beliebig oft wiederholt, geändert und verbes­ sert werden. Ein wichtiger Tipp aus langjähriger Er­ fahrung ist, temporäre Griffe zu verwen­ den. Jeder vorgelegte Teilrahmen wird mit einem langen Rohr bei dem modularen System oder dem vorgesehenen Griff (z. B. bei MEFiSTO®-Fixateur) versehen. Der Griff zeigt so gut es geht jeweils in Ge­ genrichtung und entlang der Längsachse. Dies dauert, wenn es Regel und einge­ übt ist, 1 bis 2 min. Die Griffe erleichtern durch die Hebelwirkung die großen und kleinen Manipulationen für die Reposi­ tion und das Halten der Reposition bis zur endgültigen Fixation, und die Repo­ sitionsergebnisse sind besser. Die Hände des Operateurs und Assistenten sind au­ ßerhalb des Strahls des Bildwandlers. Der Autor verwendet diese Griffe in jedem Fall, wenn reponiert werden muss, von Anfang an, nicht erst, wenn die traditio­ nelle Methode mühsam oder frustran ist, und es wundert ihn, wie wenig diesem lo­ 198 | Der Orthopäde 2 · 2010 gischen Rat gefolgt wird. Vielleicht kann dieser Beitrag helfen, dies zu ändern. Hybrid-Fixateur Die Kombination zwischen unilateralem Fixateur am Schaft und einem Ring- oder Teilringsystem, welches über gespannte Drähte ein meist gelenknahes kleineres Fragment hält, wird als Hybrid-Fixateur (. Abb. 5) bezeichnet. Der Ring und der unilaterale Anteil des Fixateurs werden über entsprechende Backen unilateral bzw. in den meisten Fäl­ len mit einer Dreieckskonstruktion late­ ral und medial und/oder ventral abge­ stützt. Mit diesem Hybridsystem kön­ nen die Vorteile der unilateralen Montage am Schaft und die sehr gute Eignung ge­ spannter Draht/Ring-Systeme zum Hal­ ten kleiner gelenknaher Fragmente kom­ biniert werden. Ringsysteme Volle Ringsysteme (. Abb. 6) haben den Vorteil, dass Belastungs- und Korrektu­ rachse gleichermaßen durch das Zen­ trum des Ringsystems und der Längsach­ se des Knochens verlaufen. Verlängerung, Segmenttransport, einfache und beson­ ders komplexe Achskorrekturen sind mit einem zirkulären Ringsystem möglich. Aber in vielen chirurgischen Schulen be­ sonders im angloamerikanischen Raum werden Ringsysteme auch zur Frakturbe­ handlung verwendet. Hexapod Als neue technische Entwicklung im Spektrum der zahlreichen Ring- und Hal­ bringsysteme ist besonders das Hexapod­ system zu nennen. Die Ringgruppen der zu korrigierenden oder manipulierenden Fragmente und/oder Knochen werden durch sechs sinnvoll in Winkeln zueinan­ der verschränkte Verbindungselemente verbunden. Diese Elemente haben dreh­ bare Anlenkpunkte und sind in der Län­ ge verschieblich und manipulierbar. Da­ durch sind die so verbundenen Elemente in allen sechs Freiheitsgraden beweglich. Die Bewegung der Längsträger kann ma­ nuell oder motorisch und, als neueste Ent­ wicklung, rechnergestützt durchgeführt werden. Halo-Fixateur Für die Halswirbelsäule gibt es eine be­ sondere externe Fixation: Bei dem so ge­ nannten Halo-Fixateur-externe wird die Schädelkalotte mit einem schraubenbe­ setzten Ring gefasst (Halo). Dabei wer­ den die Schraubenspitzen nur in die äu­ ßere Kortikalis der Schädelkalotte einge­ dreht, und der Kopf wird zentriert gehal­ ten. Über ein äußeres Gestell wird dann gegenüber einer Kunststoffweste an Ober­ körper und Schulter fixiert. Dadurch kön­ nen Frakturen und Luxationen der Hals­ wirbelsäule vorübergehend (bis zur not­ wendigen Operation) oder zum Teil auch abschließend behandelt werden. Bewegungs-Fixateur Bewegungsbacken mit einer Achse er­ möglichen es, externe Fixation, Ligamen­ totaxis und Bewegung zu kombinieren. Das Hauptanwendungsgebiet ist das El­ lenbogengelenk (. Abb. 7). Der Einsatz bei weiteren Gelenken ist dadurch limi­ tiert, dass die Gelenkachsen bei Bewe­ gung des Gelenks nicht still stehen, son­ dern je nach Gelenk und individuell un­ terschiedlich Roll-Gleit- und Torsionsbe­ wegungen vollziehen. Externe Repositionssysteme Zum Schutz der Weichteile und zur Mi­ nimierung des Operationstraumas (mi­ nimal-Invasive Osteosynthesemethoden, MIO) werden indirekte Repositionsma­ növer empfohlen. Die intraoperative Ex­ tension zählt zu den herkömmlichen äl­ testen indirekten Repositionstechniken. Abb. 10 8 Mit Fixateur externe mit „gut“ eingebrachten Schanz-Schrauben und/oder Drähten kann und soll geduscht werden; auch das Baden ist möglich. (Mit freundlicher Genehmigung des Autors) Die Distraktoren sind seit langem ein externes Repositionsinstrument über Schanz-Schrauben. Die Achsen können nur begrenzt bestimmt und manipuliert werden. Die neuen Techniken führen di­ es technisch konsequent weiter. Neben der Distraktion sind durch gezielte Ma­ nipulation beider Hauptfragmente in al­ len sechs Freiheitsgraden Distraktion und Repositionsmanöver möglich. Die Dreirohr-Modulartechnik er­ laubt die freie Wahl der Platzierung der Schanz-Schrauben. Die Reposition kann durch temporär angebrachte Griffe we­ sentlich erleichtert werden (s. o.). Ein­ zelne Schanz-Schrauben können als mi­ nimal-invasive Manipulatoren eingesetzt werden (Joystick). Neu sind verbesserte Joysticks, wel­ che rotationsstabil wie zwei nahe bei­ einanderliegende Schanz-Schrauben wirken und in die externe Repositions­ technik einbezogen werden können. Di­ ese externen Manipulatoren können bioder monokortikal (dann freie Mark­ höhle für intramedulläre Verfahren!) ausgelegt sein. Für die Marknagelung der Tibia hat sich ein bilateraler Distraktionsrahmen zwischen Tibiakopf (dorsal außerhalb des Eintrittkanals für den Nagel) und Kalkane­ us oder distaler Tibia bewährt (. Abb. 8). So kann wie mit dem Extensionstisch dis­ trahiert werden, aber F intraoperativ sehr weit (bis 120°) ge­ beugt werden; F gestreckt werden; F intraoperativ manipuliert und ausba­ lanciert reponiert werden, F die distale Verriegelung ist einfacher; F wenn „Füße“ angeschraubt werden (. Abb. 8), kann mit wenig Assistenz operiert werden. Verfahrenswechsel oder Ausbehandlung? Es gibt prinzipiell drei Behandlungskon­ zepte: F definitive Behandlung mittels Fixa­ teur externe bis zum Abschluss der Knochenbruchheilung; F früher Verfahrenswechsel zur inneren Fixation; F Verfahrenswechsel zu einer nichtope­ rativen Behandlung (z. B. Gips, Or­ these etc.). Wenn ein Verfahrenswechsel zur inneren Fixation geplant ist, muss dieser so früh wie möglich durchgeführt werden, da ein späterer Umstieg zu einer höheren Kom­ plikationsrate (Infektion) führen kann. Wenn der Verfahrenswechsel erst nach Ablauf von drei bis vier Wochen erfolgen kann oder Verdacht auf Pin-Infektion be­ steht, wird empfohlen, den Fixateur zu entfernen und die Extremität kurz anders­ weitig ruhigzustellen [5]. Sobald die PinEintrittsstellen komplett abgeheilt sind, kann sekundär die innere Osteosynthese durchgeführt werden. Die Notfallbehandlung mit einem Fi­ xateur zur Stabilisierung der Extremität Der Orthopäde 2 · 2010 | 199 Leitthema Infobox 1 Weiterführende Informationen zum Thema „externe Fixation“ Internetadressen: http://www.ao-foundation.org, http://www.litos.de, http://www.orthofix.de, http://www.smithandnephew.de u. a. Buchtipps: AO Principles AO Dialogue 2/08 erlaubt die Erholung der Weichteile. So­ bald diese es zulassen, kann die endgül­ tige innere Osteosynthese erfolgen. Ein Verfahrenswechsel ist allerdings nicht zwingend notwendig, sofern der Fixateur stabil ist und es keine Komplikationszei­ chen gibt. Der Fortschritt der Knochenheilung muss engmaschig überwacht werden. Bei fehlender Kallusbildung muss über eine alternative Behandlungsmethode nach­ gedacht werden. Tipps und Tricks Im Sinne einer „handwerklichen“ Be­ schreibung seien an dieser Stelle ein paar Tricks aufgezählt, die sich in unserer und anderer Hand bewährt haben: F Bei Repositionsmanövern mit der Dreirohr-Modulartechnik bewähren sich bei großen Knochen (z. B. Fe­ mur, aber auch Tibia) nur vorüberge­ hend für die Reposition angebrachte, sehr lange (300 oder 400 mm) Rohre. Daran kann sehr leicht gezogen und die Reposition eingestellt werden. Die Hände der Chirurgen sind au­ ßerhalb des Röntgenstrahls des BV, wenn die Reposition kontrolliert wird (. Abb. 9). F Nach Fixateur-Montage die angren­ zenden Gelenke bewegen, anschie­ ßend die Hautinzision evtl. nach­ schneiden; dies ist besonders wichtig beim Oberschenkel im Bereich der kniegelenksnahen Schanz-Schrau­ ben. Die Fixateur-externe-Montagen sind stabil genug und dafür gebaut, dass die Fraktur übungsstabil ver­ sorgt ist und die angrenzenden Ge­ lenke bewegt werden können. Diese Übung sollte intraoperativ in Narko­ se vorweggenommen werden. 200 | Der Orthopäde 2 · 2010 F Hautschnitte im Schaftbereich quer zur Körperachse, in Gelenknähe längs zur Körperachse. Im Schaftbereich kommt es zu einem Auf- und Abbe­ wegen der Weichteile durch Auflie­ gen und Entlasten. Gelenknah sind Längsverschiebungen der Weichteile zu erwarten. F Jede Bohrung möglichst kühlen. ­Hitzeschäden, Ringnekrosen und Ringsequester und damit Lockerung und Infektion werden dadurch ver­ mieden. F Die Schanz-Schrauben müssen die Gegenkortikalis gerade überschrei­ ten oder bei selbstschneidenden Schrauben gut aufsitzen. Ansonsten haben die Schanz-Schrauben in der kurzen Führung der zugewandten Kortika­lis Spiel. Im Gegenzug dür­ fen die Schanz-Schrauben nicht zu lang sein, um auf der Gegenseite die Weichteile nicht zu irritieren. Ei­ ne nichtoptimale Lage der Spitze der Schanz-Schraube ist intraoperativ oder sekundär unbedingt zu verbes­ sern. F Der Fixateur externe kann, wenn not­ wendig, bei gelenküberbrückenden Montagen in seinen modularen Zwi­ schenelementen für physiotherapeu­ tische Übungen geöffnet werden. Nach dem Übungsprogramm wird die Montage wieder geschlossen. F Bei der Modulartechnik sollten sich die Enden der aufeinander zuwei­ senden Rohre der einzelnen Rah­ men nicht gegenseitig stören. Es ist von Vorteil, wenn diese möglichst weit (natürlich nicht zu weit) aus­ einanderliegen. Ein schönes „Z“ er­ leichtert die Repositionsmanöver (. Abb. 4). F Pin-Eintrittstellen, die an richtiger Stelle (s. o.) liegen, bedürfen kaum der Pflege. Eine tägliche Desinfektion und ggf. ein kleiner Verband oder ein Schlitzpflaster sind ausreichend. Viel­ fach ist kein Verband nötig. F Mit dem Fixateur kann und soll ­ohne Schutzverband geduscht werden. Auch das Baden, z. B. im Meer, kann empfohlen werden (. Abb. 10a, b) Fazit für die Praxis Die Form, d. h. die Konstruktion und Montage bei der externen Fixation folgt der Funktion („form follows function“. Mit den verschiedenen Konstruktionsund Montageprinzipien des Fixateur externe kann dies verwirklicht werden. Der Fixateur ist eine der wichtigsten Säulen im Spektrum der verschiedenen Osteosyntheseverfahren. Korrespondenzadresse Prof. Dr. D. Höntzsch BG Unfallklinik Schnarrenbergstraße 95, 72076 Tübingen [email protected] Danksagung und Mitautorenschaft. Dank und ­eine Mitautorenschaft gebührt den Mitgliedern und den Experten der External Fixation Working Group der AOTK. Es seien alphabetisch genannt der Autor, Johan Gosling (Niederlande), Peter Lederer (Israel), ­Federiko Santolini (Italien), Carlos Satizabal (Kolumbien), ­Wade Smith (USA), Dalia Selpuveda (Chile), Suthorn Bavonratanavech (Thailand), Vajara Phiphobmongkol (Thailand). Interessenkonflikt. Der Autor ist Mitglied verschiedener Gremien der AO und der awiso. Er ist Consultant verschiedener medizinischer Firmen, z. B. Aesculap, Ceramtec, Gisamed, Litos, Synthes, Vision Medical, Vision Tec u. a. Aus Sicht des Autors ergibt sich für den vorliegenden Beitrag kein Interessenkonflikt. Literatur 1. Faure C, Merloz PH (1987) Zugänge für die Fixateur externe-Osteosynthese, Atlas anatomischer Querschnitte. Springer, Berlin Heidelberg New York 2. Fernandez Dell’Oca AA (1992) External fixation using simple pin fixators. Injury 23(Suppl 4):1–54 3. Fernandez A, Masliah R (1991) Modular external ­fixation in emergency. Ingraf Montevideo 4. Giannoudis PV (2003) Surgical priorities in damage control in polytrauma. J Bone Joint Surg Br 85:478–483 5. Höntzsch D, Bavonratanavech S (2004) Fixateur ­externe In: Ruedi TH et al (eds) AO principles of fracture treatment. AO Publishing, Thieme, Stutt­ gart 6. Höntzsch D (1997) Die äußere Knochenfixation (Fixateur externe) in der Frakturbehandlung. OP J 13:20–28 7. Mooney V, Claudi B (1982) How stable should ­external fixation be? In: Uhthoff HK (ed) Current concepts of external fixation of fractures. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 21–26 8. Pape HC, Krettek C (2003) Surgical priorities in damage control in polytrauma. J Bone Joint Surg Br 85:478–483