Subido por Ruta de los Carrera

Clausewitz April 2021

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BUDAPEST 1945
MIG 23 MF
LUIGI CADORNA
Kampf um das
ungarische Stalingrad
Die Superwaffe
der NVA
Der unfähigste General
des Großen Krieges
Clausewitz
Das Magazin für Militärgeschichte
3/2021
Mai | Juni
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G E H E IM P R O JE KT
Der Panzerjäger
„Reich”
ARRAS 1940
DIE SCHLACHT, DIE
DEN WESTFELDZUG
ENTSCHIED
FREMDENLEGION
Thomas Gast über die harte
Zeit in der Grundausbildung
SACHSENS BESTER
Wie Moritz von Sachsen
ganz Europa aufmischte
WINTERKRIEG 1939/40
Wie das kleine Finnland
die Sowjetunion vorführte
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EDITORIAL
Liebe Leserin,
lieber Leser,
Erwin Rommels militärische Karriere
als Feldherr des Zweiten Weltkriegs
endete im Mai 1940 beinahe abrupt,
ehe sie richtig Fahrt aufgenommen
hatte. Bei Arras in Nordfrankreich
hätte der spätere „Wüstenfuchs“ mit
den motorisierten Kräften seiner 7.
Panzerdivision
ein Waterloo erleben können,
als britische
Panzer überraschend zum
Gegenstoß
ansetzten.
Nicht einmal
40 Kilometer
östlich von Arras, im Raum Cambrai, ließ Ende
1917 die erste große Panzeroffensive der Geschichte den Boden unter
dem Gedröhne schwerer Kettenfahrzeuge erzittern. Damals sahen sich
die Verbände des deutschen Heeres
einer alliierten Tank-Übermacht gegenüber, ohne auf eigene Panzer zurückgreifen zu können, denn die
Sturmpanzerwagen A7V kamen erst
im Frühjahr 1918 zum Einsatz.
Ein ganz anderes Bild ergab sich im
Mai 1940: In der Panzerschlacht von
Arras waren die deutschen Panzer sogar in der Überzahl – und dennoch
sorgten die britischen und französischen Tanks für eine äußerst unangenehme Überraschung aufseiten der
Wehrmacht und brachten damit
kurzzeitig den gesamten Westfeldzug
in Gefahr.
Wie kam es zu dieser kritischen Situation? Wie reagierten Rommel und die
deutsche Militärführung auf diese Bedrohung?
In unserer aktuellen Titelgeschichte
„Stoß in die Flanke“ auf den Seiten 12
bis 33 erfahren Sie alles Wissenswerte über die sich überschlagenden Ereignisse in der Schlacht von Arras im
Mai 1940!
Zudem möchte ich Sie auf ein besonderes Extra aufmerksam machen:
Diesem Heft liegt ein ClausewitzPoster zu den wichtigsten alliierten
und deutschen Kampfwagen des
Jahres 1940 bei!
KRIEGER, SÖLDNER & SOLDATEN
Griechenlands größter Krieger
Die „Dunklen Jahrhunderte“: Achill fällt vor den Mauern Trojas. In der Antike
wird er als Heros und Gott verehrt – und auch heute noch steht er
sinnbildlich für den kampfeslustigen und todesmutigen Helden schlechthin
inge den Zorn, o Göttin, des Peleiaden
Achill…“ – so beginnt die Ilias, das Epos,
das am Beginn der abendländischen Literatur
steht. Schon in dieser ersten Zeile klingt das
Hauptthema des homerischen Heldengedichtes
an: der Groll des aristokratischen Kriegers
S
FAKTEN
Name: Achill (auch „Achilleus“, „Achilles“ oder
„Peleiade“ nach seinem Vater Peleus)
Zeit: 13. oder 12. Jhd. v. Chr. (Trojanischer
Krieg) bzw. 8./7. Jhd. v. Chr. (vermutete
Niederschrift der Ilias)
Bewaffnung: Speer (Hauptwaffe), Schwert
Rüstung: Hoplon (sieben Kilogramm schwerer
Rundschild aus Holz, mit Bronze überzogen),
Rüstung, Arm- und Beinschienen aus Bronze,
Illyrischer Helm mit Schmuck aus Rosshaar
Kampfweise: Die Helden fahren mit dem
Streitwagen auf das Schlachtfeld, sitzen ab und
kämpfen dann Mann gegen Mann
Achill im Film: Troja (2004, Regie: Wolfgang
Petersen; Achill wird von Brad Pitt dargestellt)
Achill, der während der zehn Jahre dauernden
Belagerung vor Troja kämpft und stirbt. Dabei
handelt es sich zwar zweifelsohne um einen der
mächtigsten Helden des antiken Griechenlands
– nur: Achill ist eine Sagengestalt. Damit gehört
er in dieselbe Kategorie wie König Artus, Beowulf oder Siegfried aus dem Nibelungenlied: Die
Figur oder die mit ihr verbundene Geschichte ist
mythisch überformt, hat aber einen historischen
Kern. Im Falle unseres Achäers kommt noch
hinzu, dass Homer (dessen Existenz umstritten
ist) im 8. oder 7. vorchristlichen Jahrhundert
schreibt, seine Geschichte aber mehrere Hundert Jahre zuvor spielt, nämlich im 13. oder
12. Jahrhundert – wenn man den Trojanischen
Krieg in diese Zeit einordnet, was in der Forschung keineswegs völlig ohne Widerspruch ist
(„Troja-Debatte“). Achill ist somit eine Mischung
aus bronzezeitlichem
Aristokraten und einem
Superhelden-Krieger
der „Dunklen Jahrhunderte“, an der Schwelle
zur Eisenzeit.
Sagenhaftes Schicksal: Ein Pfeil trifft Achill
an der Ferse. Die
Zeichnung zeigt, wie
die Krieger der späten
Bronzezeit ausgesehen
haben könnten …
Abb.: Johnny Shumate
Eine kurzweilige Lektüre wünscht Ihnen
Dr. Tammo Luther
Verantwortlicher Redakteur
3
Clausewitz 3/2021
INHALT
TITELTHEMA
Stoß in die Flanke
Dramatische Panzerschlacht von Arras 1940. Alliierte Tanks
greifen Rommels vorwärts stoßende Panzer in Nordfrankreich an
und gefährden den „Sichelschnitt“-Plan
..........................................................................................................................................................................................................................
12
„Eine Fontäne aus Eisen”
Extreme Strapazen. Außergewöhnliche körperliche und seelische
Belastungen plagen die an den heftigen Kämpfen beteiligten Truppen
...........................................................................................................................................................................................................................
26
Panzerschock im Westen
Tödliche Panzerduelle bei Arras. Die deutschen Verbände erleben
eine böse Überraschung und stoßen auf waffentechnisch
überlegene Kampfwagen des Gegners
...........................................................................................................................................................................................................................
12
Arras 1940
Vorentscheidung
im Westen
56
Budapest 1944/45
64
Schwere Kämpfe um
die Donaumetropole
MiG-23 der NVA
Schwenkflügler in Diensten der
DDR-Luftstreitkräfte
4
30
Titelfotos: ullstein bild - ullstein bild; SZ Photo / Scherl / Bridgeman Images; Mondadori Portfolio / Bridgeman Images; Hans-Joachim Mau; Sammlung Anderson; Thomas Gast; picture-alliance / akg-images / Erich Lessing; Archiv Clausewitz
80
Moritz v. Sachsen
Der „Clausewitz”
des 18. Jahrhunderts
34
74
Kampf um Karelien
Geheime Panzerprojekte
Weiterentwicklung von
Panzerkampfwagen 38 (t) & Hetzer
Stalins Griff
nach Skandinavien
MILITÄR UND TECHNIK
Geheimer Atombomben-Bote
Mehrzweckkampflugzeug MiG-23 in Diensten der NVA.
Schwenkflügel-Technologie und möglicher Einsatz von
Nuklearwaffen
.........................................................................................................................................................................................
KRIEGE, KRISEN & KONFLIKTE
KURIOSITÄTEN & MYSTERIEN
Weißer Tod und rote Flut
Der sowjetisch-finnische Winterkrieg 1939/40. Das
kleine Finnland ist keine leichte Beute für die Rote Armee
.........................................................................................................................................................................................
Götter, Helden und Luigi
34
Der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna. Die
militärischen Misserfolge des rücksichtslosen Feldherrn
.........................................................................................................................................................................................
AKTEN, DIENSTE & SPIONE
.........................................................................................................................................................................................
Unvollendete Hoffnungsträger
Geheimprojekte auf Basis des Panzerkampfwagens 38 (t)
42
.........................................................................................................................................................................................
MILITÄRTECHNIK IM DETAIL
MENSCHEN & GESCHICHTEN
Der große Knall
Der Größte seiner Zeit
Die britischen Erdbeben- und Rollbomben von Sir Barnes
Wallis. Die größten konventionellen Bomben des Krieges
Marschall Moritz von Sachsen. Ein Deutscher macht eine
beispiellose Karriere am Hofe des französischen Königs
.........................................................................................................................................................................................
48
MENSCHEN & GESCHICHTEN
.........................................................................................................................................................................................
52
56
Titelbild: Die Bildmontage zeigt eine Flak 8,8 während des Westfeldzuges. Im Hintergrund
sind britische Matilda-Kampfwagen zu sehen.
Inferno an der Donau
.........................................................................................................................................................................................
Clausewitz 3/2021
80
Magazin ........................................................................................................................................................6
Schlaglichter .....................................................................................................................................10
Teaser Militär & Geschichte .........................................................................................63
Bücher/Ausstellungen/Leserbriefe ................................................................86
Zeitschichten ...................................................................................................................................88
Vorschau / Impressum ......................................................................................................90
SCHLACHTEN DER WELTGESCHICHTE
Belagerung von Budapest 1944/45. Verlustreiche
Kämpfe um die ungarische Hauptstadt
.........................................................................................................................................................................................
74
RUBRIKEN
Hart, härter, Legion
Thomas Gast über sein Leben in der Fremdenlegion.
Für die Rekruten heißt es „Marschier oder stirb!”
70
MILITÄR UND TECHNIK
Ein Leben am Limit
Der CIA-Agent Everette Howard Hunt. Die steile Karriere und
der tiefe Fall des amerikanischen Geheimagenten
64
5
MAGAZIN
Zerstörter deutscher
Unterstand am hart umkämpfen Chemin des Dames in Nordfrankreich.
Die Ortung der genauen
Lage des Weinbergtunneleingangs und der Leichname der 1917 Verschütteten wird derzeit vorangetrieben
Foto: picture-alliance/Heritage-Images/The Print Collector
E R S T E R W E LT K R I E G
Grausames Geheimnis
Deutsch-französische Suche am Chemin des Dames
D
as tragische Ereignis ist mehr als
100 Jahre alt und nur eine der unzähligen großen Dramen des Ersten Weltkriegs. Damals wurden mehr
als 200 deutsche Soldaten, vor allem Angehörige des Reserve-Infanterie-Regiments 111, durch einen Granateinschlag
in einem Stollen auf dem Chemin des
Dames in Nordfrankreich verschüttet.
Ihr Schicksal ist weitgehend dokumentiert, doch konnten ihre Leichen bisher
nicht geborgen werden. Der Stollen
birgt somit weiterhin ein grausames Geheimnis in sich.
Seit vielen Jahren beschäftigen sich
der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, die französische Partnerorganisation ONACVG (Office national des
anciens combattants et victimes de
guerre) und französische Archäologen
mit der besonderen Geschichte des so-
6
genannten Winterbergtunnels. Ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter des Volksbundes recherchierten in
Archiven und glichen historische Karten mit der heutigen Topographie ab,
um die genaue Lage des Tunnels und
der Toten zu orten. Im Sommer 2020
ließ der Volksbund sondieren, Ende
2020 hat man die Suche mithilfe von
Georadar und seismischer Messungen
intensiviert.
Die deutschen und französischen
Kooperationspartner haben nun vereinbart, im Frühjahr 2021 weitere technische Untersuchungen durchzuführen. Wenn die Ergebnisse dieser
Untersuchungen vorliegen, werden
ONACVG und Volksbund gemeinsam
mit den Vertretern der Gemeinde über
die Zukunft des Winterbergtunnels
entscheiden.
Am Höhenzug Chemin des Dames liefern sich französische und
deutsche Truppen im Ersten Weltkrieg blutige Kämpfe; im Mai
1917 kommt es in einem eingestürzten Stollen zur Tragödie
Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
BUNDESWEHR / MARINE
LISTE
Saniertes
Schulschiff
Fliegerasse
Deutschland hat im Zweiten Weltkrieg eine Vielzahl an Fliegerassen hervorgebracht. Die ersten 119 Plätze auf der Liste
der meisten Luftsiege belegt die Luftwaffe
– der erste nichtdeutsche Jagdflieger ist
der Finne Ilmari Juutilainen mit 94 Abschüssen. Clausewitz präsentiert hier die
zehn Piloten mit den meisten Abschüssen:
R
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
DIE ZAHL DES MONATS
Erich Hartmann: 352
Gerhard Barkhorn: 301
Günther Rall: 275
Otto Kittel: 267
Walter Nowotny: 258
Wilhelm Batz: 237
Erich Rudorffer: 222
Heinz Bär: 220
Hermann Graf: 212
Heinrich Ehrler und Theodor
Weissenberger: jeweils 208
Foto: picture-alliance/dpa|Philipp Schulze
Raketen stellen die maximale Bewaffnung
des Mittleren Artillerieraketensystems
(MARS) dar, das auch von der
Bundeswehr genutzt wird. Der heute
eingesetzte Raketenwerfer MARS II ist eine autonome Flächenfeuerwaffe der Artillerie mit einer dreiköpfigen Besatzung,
die Flugkörper unterschiedlicher
Wirkungsweise verschießen kann.
Clausewitz 3/2021
Das Segelschulschiff
Gorch Fock
steht kurz vor
Abschluss
der aufwendigen Sanierung
Die Bundeswehr benötigt
wieder mehr Platz für
Ausrüstung und Munition
BUNDESWEHR
12
und fünfeinhalb Jahre wurde sie instandgesetzt, zuletzt auf der LürssenWerft in Berne. Zurzeit ist geplant, dass
das Segelschulschiff Gorch Fock am 31. Mai
2021 zurück an die Marine geht. Die erste
Ausbildungsreise soll voraussichtlich von
Kiel aus starten. Sie ist für Sommer 2021
vorgesehen und soll durch nordeuropäische Gewässer führen. Die Generalüberholung des traditionsreichen Segelschulschiffs wird rund 135 Millionen Euro kosten. Angesetzt waren ursprünglich zirka
zehn Millionen Euro.
Foto: picture-alliance/dpa|Sina Schuldt
Walter Nowotny
(1920–1944)
rangiert mit 258
Luftsiegen auf
Platz 5 der Liste
Das Segelschulschiff Gorch Fock soll
Mitte 2021 wieder in See stechen
Neue alte Depots
Ehemalige Material- und Munitionslager
sollen den Betrieb wieder aufnehmen
D
ie Bundeswehr will die ehemaligen Materiallager in Ladelund und Bargum
(beide Kreis Nordfriesland) wieder in Betrieb nehmen. Demnach sollen der Standort Ladelund zum 1. April 2023 mit 80
Dienstposten und der Standort Bargum
zum 1. April 2027 mit 60 Dienstposten reaktiviert werden.
Auch das frühere Munitionslager der
Bundeswehr im nordpfälzischen Kriegs-
Das stillgelegte
Materiallager
Ladelund soll
seine Tore in
Zukunft wieder
öffnen
feld will die Bundeswehr wieder in Betrieb
nehmen – allerdings nicht sofort. Voraussichtlich im April 2026 sollen sich die Tore
des 2010 geschlossenen Munitionsdepots
mit dann insgesamt zirka 100 Soldaten und
Zivilbeschäftigten wieder öffnen. Weitere
Lager und Depots will die zum Teil wieder
wachsende Bundeswehr aufgrund der neuen Sicherheitslage in den kommenden Jahren reaktivieren.
7
Foto: picture-alliance/dpa/Malte Christians; picture-alliance/dpa/Moritz Frankenberg
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo; picture-alliance/arkivi
Adolf Galland
(1912–1996)
gehört zu den
populärsten
Jagdfliegern –
mit 104 Abschüssen steht
er auf Platz 92
MAGAZIN
Überraschende Entdeckung
Burg Sterrenberg liegt
oberhalb von KampBornhofen am Rhein
DAS HISTORISCHE ZITAT
A
uf Burg Sterrenberg oberhalb von KampBornhofen (südlich von Koblenz) haben
Archäologen nach Behördenangaben die
vermutlich älteste Burgkapelle am Mittelrhein freigelegt. Entdeckt wurde die Kapelle, als eine schadhafte Burgmauer ausgebessert werden sollte. Diese Arbeiten hat man
für die archäologischen Grabungen im
Schieferfelsen unterbrochen.
Bereits in dem Dokument „capella in
castro Sterinberg“ aus dem
Jahr 1322 wird eine Kapelle
der mittelalterlichen Wehranlage erwähnt, die zu einer
der beiden Burganlagen der
„Feindlichen Brüder“ (Sterrenberg und Liebenstein) am
Rhein zählt. Archäologen haben originale Putze und rötliche Farbfassungen sowie
quadratische Bodenfliesen
„Für einen unruhigen
Geist, wie ich einer bin,
war meine Tätigkeit vor
Verdun durchaus mit ‚langweilig‘ zu bezeichnen.“
aus dem 14. Jahrhundert freigelegt. Die
Burgkapelle scheint für die damalige Zeit
ungewöhnlich aufwendig gestaltet gewesen zu sein.
Ein Workshop mit Landschaftsplanern,
Architekten und Archäologen ist für die
zweite Jahreshälfte 2021 vorgesehen, um
Ideen für die Präsentation der außergewöhnlichen Funde zur Geschichte des Mittelalters zu entwickeln.
Dieses Zitat stammt vom „Adrenalin-Junkie“
Manfred von Richthofen (1892–1918), der sich
seine Zeit als Soldat in den Schützengräben
damit vertreibt, dass er die Franzosen mit Handgranaten „ärgert“. Erst als er bei der Fliegerei als
„Roter Baron“ populär wird, ist er in seinem Element und die Langeweile hat ein Ende.
In der Burg
hat man
eine jahrhundertealte Burgkapelle
entdeckt.
Freigelegte
Putze und
Fliesen
deuten auf
das 14.
Jahrhundert hin
KURIOSES
Hiro Onodas langer Atem
Soldat ergibt sich erst 29 Jahre nach Ende des Krieges
E
s gibt Geschichten, die sind so unglaublich, dass sie wie erfunden klingen – und
doch sind sie wahr. Dazu gehört der Fall des
japanischen Offiziers Hiro Onoda, der nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch sage
und schreibe 29 Jahre seine Stellung im
Dschungel auf der philippinischen Insel Lubang hielt. Da ihn kein Befehl von seinem
Vorgesetzen erreichte, hielt er sich in einem
Musterbeispiel von Loyalität und Samurai-
8
Für Hiro Onoda
endete der
Zweite Weltkrieg erst im
Jahr 1974!
Tugenden an die letzte Order: Durchhalten,
bis Tokio etwas anderes sagt. Nur Tokio
schwieg für ganze 29 Jahre. Hiro galt daheim längst als im Krieg gefallen – seine Familie hatte sogar schon einen Grabstein aufgestellt.
Der Einzelkämpfer wurde von einem japanischen Touristen entdeckt und als dieser
ein Foto von ihm machte und damit sein
Überleben bewies, musste Hiros ehemaliger
Vorgesetzter auf die Insel reisen, um ihm offiziell den Befehl zum Aufgeben zu übermitteln – niemand anderem hätte Hiro geglaubt (Flugblätter mit der Nachricht vom
Kriegsende hielt er für Feindpropaganda).
Der 1974 52-Jährige war erstaunlich fit, lebte von Früchten und Erjagtem und sein Gewehr war in einem tadellosen Zustand. Er
lebte noch bis 2014 in seiner japanischen
Heimat.
Abb.: picture-alliance/ZUMAPRESS.com
Fotos: picture-alliance/Rolf Wilms; picture-alliance/dpa/Thomas Frey
Archäologischer Zufallsfund auf Burg Sterrenberg
Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library/ILLUS
M I T T E L A LT E R
M I L I T Ä R H I S T O R I S C H E FA K T E N
Die besseren Amerikaner?
Australier in Vietnam
D
Foto: picture-alliance/dpa
ie australischen Truppen während des Vietnamkrieges unterscheiden sich stark von ihren amerikanischen Kameraden – nicht nur,
was die Uniformen betrifft (besonders der typische australische
Buschhut mit breiter Krempe sticht hervor). Die Soldaten aus „Down
Under“ bekommen weitaus weniger Sold, was dazu führt, dass sie
kaum in den (teuren) Bars und Restaurants verkehren, die regelmäßig
von den GIs besucht werden. Die Australier sind deshalb sehr isolationistisch und bleiben meist unter sich – umso mehr, da ihnen ihre
Rolle als (bestenfalls) Juniorpartner der Amerikaner sehr bewusst
ist. Daraus ergib sich aber auch, dass die Lager der „Aussies“ sauberer und autarker sind – man erledigt all die Arbeiten selbst, für
die die US-Armee Vietnamesen anheuert. Dies hat auch einen positiven Effekt auf die Sicherheit in den australischen Basen. Der von
den Briten ererbte Unterschied zwischen Offizieren und Mannschaften ist stärker ausgeprägt als bei den „demokratischen“ Amerikanern. Die Australier gelten außerdem als kritischer, gesünder und
sind beim Vietcong gefürchteter als die oft an Malaria leidenden und
„ängstlichen“ Amerikaner. Allerdings ist die Rate an psychischen
Zusammenbrüchen unter „Aussies“ leicht höher als bei den GIs.
Soldaten einer australischen Kompanie im März 1968 auf dem Stützpunkt Nui Dat,
während der Landung von Transporthubschraubern. Die Australier gelten als gute
Soldaten, doch durch ihre geringe Zahl hatten sie keinen großen Einfluss auf den
Krieg insgesamt
M I T T E L A LT E R
Königliches Blut
Monarchen auf dem Schlachtfeld
Abb.: picture-alliance/akg-images
R
ichard III. (1452–1485) ist der letzte
König Englands, der auf dem
Schlachtfeld fällt (bei Bosworth 1485).
Der letzte britische Monarch, der seine
Truppen persönlich in den Kampf führt,
ist Georg II.: 1763 besiegt der damals 60-Jährige die
Franzosen in der Schlacht bei Dettingen. Das letzte
Mal, dass sich zwei hohe „Blaublüter“ auf dem Feld
gegenüberstehen, ist während der Schlacht bei
Sliwniza 1885: Die Bulgaren unter Prinz Alexander
von Battenberg schlagen die Serben unter König Milan Obrenović …
Clausewitz 3/2021
Richard III. ist
der letzte regierende König, der
auf dem
Schlachtfeld
stirbt
SCHLAGLICHTER
Historische Ereignisse aus allen Epochen
21
1437
nach Christus
1796
13. Februar
Tödlicher Familienzwist –
die Ermordung des Arminius
Trickreicher Talbot – Stadtnahme ohne Blutvergießen
Arminius führte zwar erfolgreich Krieg
gegen die Römer, doch gegen seine eigene Familie kam der Germane nicht an
ine Szene wie aus einem Robin-HoodRoman: Als lokale Bauern und Händler verkleidete Engländer drangen unerkannt in eine gut bewachte und befestigte
Stadt ein – nur dass es sich nicht um die
Burg des Sherriffs von Nottingham handelte, sondern um das französische Pontoise.
Außerdem war der Rahmen dieses Husarenstücks keine mittelalterliche Legende,
sondern der handfeste Hundertjährige
Krieg zwischen England und Frankreich
(1337–1453). Pointoise kontrollierte das Tal
der Oise und war eine strategische Schlüsselstellung auf dem Weg nach Paris. Doch
der als „englischer Achill“ bekannte Heerführer John Talbot (1384–1453) verfügte weder über ausreichend Soldaten, noch hatte
er die für eine langwierige Belagerung notwendigen Ressourcen – deshalb fasste er
den eingangs skizzierten wagemutigen
Plan. Seine als Franzosen getarnten Männer
taten so, als ob sie den städtischen Markt
besuchen wollten, versteckten sich dann
und stimmten mitten in der Nacht den englischen Schlachtruf an. Gleichzeitig bestürmten ihre Kameraden die Mauern von
außen. Die französische Besatzung war den
Angreifern zwar zahlenmäßig überlegen,
glaubte aber, die Stadt sei bereits gefallen –
und floh Hals über Kopf. Talbot nahm Pontoise ohne jede Gegenwehr ein.
Einige Jahre zuvor setzten die Franzosen
in Chartre ein ähnliches Spezialkommando
ein: Als Fuhrleute verkleidete Soldaten blockierten mit ihren Wagen das Stadttor.
17. November
Legendär – Napoleon und
die Brücke von Arcole
E
arus, Varus, gib mir meine Legionen
wieder!“ soll Kaiser Augustus in einer
Mischung aus Verzweiflung und Zorn ausgerufen haben, als er von der völligen Vernichtung seiner Legionen in den Wäldern
Germaniens erfuhr. Es war in der Tat eine
unglaubliche Nachricht: 20.000 Legionäre
haben die „Barbaren“ am 9. September im
Jahre 21 nach Christus niedergemetzelt! Es
war eines der größten Debakel der sieggewohnten römischen Militärmaschine. Publius Quinctilius Varus, der Statthalter des
Kaisers in Germanien, beging ob dieser
Schande noch auf dem Schlachtfeld Suizid.
Drahtzieher dieses genial geplanten
Feldzuges, der die Legionen daran hinderte, ihre Kampfkraft auf offenem Feld zu entfalten, war der zwischen 18 und 16 vor
Christus geborene Cheruskerfürst Arminius (deutsch oft „Hermann“). Da er in Rom
ausgebildet wurde, kannte er die Schwächen der römischen Kriegführung. Der Erfolg machte ihn bekannt und mächtig – für
einige Germanen sogar zu mächtig. Hinzu
kam, dass viele der Stammesfürsten eher
darauf setzten, sich mit Rom zu verständigen, anstatt weiterhin – wie Arminius –
Krieg zu führen. Deshalb haben ihn die
Mitgliedern seiner eigenen Familie umgebracht. Ob Rom dabei seine Finger im Spiel
hatte und späte Rache übte, ist umstritten…
V
10
Als Bauern verkleidete englische Soldaten
spazierten bei dem Überraschungsangriff
auf Pointoise durch das Stadttor. Derartige Finten waren im Mittelalter nichts Ungewöhnliches
Das bereits 1796 entstandene Gemälde
ist ein Propaganda-Coup par excellence
und stilisiert den Korsen zum „Kriegsgott“
oethe sagte über Napoleon: „Sein Leben war das Schreiten eines Halbgottes von Schlacht zu Schlacht und von Sieg
zu Sieg.“ Er bezog sich dabei auf den Italienfeldzug von 1796, bei dem der noch
junge, unerfahrene und unbekannte Napoleon eine beeindruckende Reihe von
Siegen über die Österreicher zustande
brachte – in einer Art „Blitzkrieg“ avant la
lettre und noch dazu mit einer zunächst
heruntergekommenen und verwahrlosten
Truppe. Die Triumphe mündeten in den
Friedensvertrag von Campo Formio (18.
Oktober 1797) und machten aus dem General Bonaparte den eingangs erwähnten
„Kriegsgott“, der ein ungewöhnliches Talent für Strategie und Taktik hatte – sowie
obendrein für die psychologische Kriegführung und die Propaganda (Napoleon
verstand es hervorragend, sich selbst zu
inszenieren und seine Soldaten bis zum
Äußersten zu motivieren). Sinnbildlich für
all das steht die berühmte Szene während
der Schlacht von Arcole, die Antoine-Jean
Gros in seinem Bild unsterblich machte:
Napoleon steht in seiner dunklen Generalsuniform auf der Brücke und führt den
Sturmangriff auf den Gegner persönlich
an. In den Händen hält er Fahne und Säbel
(mit der Aufschrift Armée d’Italie), um ihn
herum ist Qualm und Rauch zu sehen –
ein starkes Motiv, das bis heute zu den bekanntesten Napoleon-Gemälden überhaupt zählt.
G
Fotos: picture alliance/Heritage Images; akg-image/Jérôme da Cunha; picture-alliance/akg-images/VISIOARS; picture-alliance/Judaica-Sammlung Richter; picture-alliance/Mary Evans Picture Library; picture-alliance/dpa
1915
1944
22. April
Der Todesnebel von Ypern
– Giftgas im großen Stil
ine Chlorwolke zog am 22. April über
das Schlachtfeld von Ypern (Belgien)
und bewegte sich geisterhaft auf die französischen Stellungen zu. Die Franzosen,
die darauf nicht vorbereitet waren, starben in großer Zahl und brachen in Panik
aus. Die Deutschen, die an diesem Tag
zum ersten Mal das moderne Massenvernichtungsmittel „Giftgas“ einsetzten,
konnten die starke Wirkung auf den Gegner selbst nicht glauben – man erwartete
im Generalstab höchstens einen örtlich
begrenzten Erfolg, aber nicht die Möglichkeit, mit dem neuen Kampfmittel potenziell einen strategischen Durchbruch erzielen zu können. Deshalb standen auch
keine zusätzlichen Kräfte bereit, die diese
unverhofft eingetretene Lage ausnutzen
hätten könnten. Ein Umstand, der später
zu Vorwürfen führen sollte: Eine Chance
wurde vertan, so einige deutsche Strategen, die vielleicht entscheidende Wende
im Krieg herbeizuführen …
Beide Seiten entwickelten bereits vor
1914 Giftgas für den Kriegseinsatz. Dass
es die Deutschen waren, die es zum ersten
Mal im großen Stil einsetzten, ist aber kein
Zufall: Die deutsche Chemieindustrie war
weltweit führend und die Mittelmächte
waren aufgrund der Importembargos und
der damit zusammenhängenden Munitionskrise verzweifelter und eher bereit, zu
drastischen Mitteln zu greifen.
1961
26. April
Filmreif – die Entführung
von General Kreipe
6. November
Maulwurf im BND –
Heinz Felfe wird enttarnt
E
Deutsche Soldaten üben 1916 den Umgang mit Gasmasken. Der Gaseinsatz gehörte zu den markantesten Einschnitten in
der Kriegführung des Ersten Weltkrieges
Clausewitz 3/2021
Der britische Film Ill Met by Moonlight
(1957) basiert auf dem autobiographischen Buch The Abduction of General Kreipe
(1950) von W. Stanley Moss
m Frühjahr 1944 gelangten die beiden
SOE-Offiziere (zur SOE siehe Clausewitz
5/2020) Paddy Leigh Fermor und William
Stanley Moss von Kairo aus in das von den
Deutschen besetzte Kreta. Sie trafen sich
dort zunächst mit griechischen Partisanen.
Ihre Mission lautete eigentlich: Entführung des deutschen Generals FriedrichWilhelm Müller, der als äußerst „harter
Hund“ galt und nicht gerade zimperlich
im Umgang mit der lokalen Bevölkerung
war. Mit dem Kidnapping sollte die Moral
der Partisanen gestärkt und ein Prestigegewinn für die SOE eingefahren werden.
Allerdings wurde Müller kurz vor dem
Start des geplanten Unternehmens, im
Mai 1944, durch General Heinrich Kreipe
ersetzt. Fermor und Moss entschieden sich
dennoch, die bereits angelaufene Aktion
durchzuziehen. Als deutsche Soldaten
verkleidet, überfielen sie am Abend des 26.
April – zusammen mit griechischen Helfern – den Wagen von Kreipe und entführten diesen erst per Auto, dann zu Fuß, auf
Maultieren und mit einem Boot nach
Ägypten (Kreipes Fahrer wurde ermordet). Dabei passierten sie am Anfang unzählige deutsche Kontrollen, die den Wagen des Generals aber nicht einmal anhielten. Müller nahm später wieder Kreipes
Platz auf Kreta ein – ausgerechnet der
Mann also, dem man eigentlich das Handwerk legen wollte!
I
Heinz Felfe wurde wegen Ostspionage
verurteilt und 1969 gegen in der UdSSR
einsitzende Westspione ausgetauscht
u Beginn der 1950er-Jahre drehte der
KGB den ehemaligen SS-Obersturmführer Heinz Felfe (der seit Kriegsende
für die Briten spionierte) um und schleuste ihn in die Organisation Gehlen ein. Damit er dort schnell Karriere machte, spielte ihm der KGB regelmäßig heißes Material und geheime DDR-Dokumente zu.
Die Investition machte sich bezahlt, denn
Felfe stieg schnell bis ganz nach oben im
westdeutschen Geheimdienst (inzwischen in „BND“ umbenannt) auf. Reinhard Gehlen sagte selbst: „Felfe ist ein
Nachrichten-As!“. Und so konnte Felfe
ungehindert Material nach Moskau zu
seinen wahren Herren liefern. Doch der
Erfolg machte ihn unvorsichtig: Er kaufte
sich ein teures Haus mit dem Geld, das er
vom KGB bekam. Der BND wurde misstrauisch und ließ seinen vermeintlichen
Spitzenspion beschatten. Die Schlinge
zog sich im Herbst 1961 weiter zu, als der
zu den Amerikanern übergelaufene KGBMajor Anatol Golyzin von einem Maulwurf im westdeutschen Geheimdienst erzählte. Der Verdacht gegen Felfe bestätigte sich dann endgültig, als der BND eine
KGB-Funkmeldung an Felfe abfing. Am
6. November 1961 verhaftete das BKA
den Doppelspion in München-Pullach.
Z
11
TITELGESCHICHTE
|
ARRAS 1940
DRAMATISCHE PANZERSCHLACHT VON ARRAS 1940
Stoß in
die
Flanke
21. Mai 1940:
5 KURZE FAKTEN
ZEIT: 21. Mai 1940
ORT: Raum Arras (Nordostfrankreich)
GEGNER: Alliierte / Deutsches Reich
EREIGNIS: Panzerschlacht
BESONDERHEIT: Deutsche Soldaten
erleben Panzerschock
Die Alliierten wollen
Rommels vorgepreschte
7. Panzerdivision mit einem
Gegenschlag stoppen.
Britische Panzer attackieren
die deutschen Verbände und
bringen sie im Raum Arras
massiv in Bedrängnis
Von Lukas Grawe
12
RISKANTES UNTERFANGEN: Nach dem Vorstoß von
Erwin Rommels 7. Panzerdivision am 21. Mai 1940
in den Raum südlich von Arras sind die Flanken seiner Angriffstruppen zeitweise entblößt. Diese Tatsache bleibt den Alliierten nicht verborgen und fordert
sie zu einem Gegenangriff heraus. Ein durchschlagender Erfolg könnte den deutschen „Sichelschnitt“Plan im letzten Moment ins Wanken bringen ...
Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv
FINALE
DUELL
Die Schlacht von
Arras war für die Solden der Höhepunkt
des Westfeldzuges
Arras war vor allem
ein Kampf der
leichten und
mittleren Panzer
Seite 26
Clausewitz 3/2021
Seite 30
13
ARRAS 1940
FA K T E N
Deutsches Reich
Oberbefehlshaber (Auswahl):
Generaloberst Günther von Kluge
(Oberbefehlshaber 4. Armee)
Generalmajor Erwin Rommel
(Kommandeur 7. Panzerdivision)
SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS
Theodor Eicke (Kommandeur SS-Division „Totenkopf“)
Zielsetzungen:
Ursprünglich im Rahmen des Gesamtplans: Vorstoß
zum Kanal im Rahmen des am 10. Mai 1940 begonnenen Westfeldzuges; Abschnürung der alliierten
Truppen in Belgien; am 21. Mai 1940 Abwehr des
feindlichen Gegenschlags im Raum Arras
14
Wehrmacht unter Druck
KAMPF GEGEN
STAHLKOLOSSE
Die von Sieg zu Sieg eilenden deutschen Angreifer geraten
in der Schlacht von Arras massiv unter Druck. In schweren
Gefechten mit den alliierten Tanks erleiden besonders
die Panzerjäger blutige Verluste. Bei heftigen Panzerduellen
zahlen beide Seiten einen hohen Blutzoll
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Clausewitz 3/2021
15
ARRAS 1940
GROSSES
MANKO
Ihre Tanks sind den deutschen Panzern
in puncto Bewaffnung und Panzerung
häufig überlegen. Zögerliche Führung
und mangelnde Kommunikation sind
jedoch gravierende Nachteile der
alliierten Truppen. Sie müssen dadurch
hohe Verluste an Kampfwagen
hinnehmen; hier ein in deutsche Hände
gefallener Matilda-II-Panzer
Foto: Sammlung Anderson
16
Wuchtiger Panzervorstoß
FA K T E N
Alliierte (Frankreich/Grossbritannien)
Oberbefehlshaber (Auswahl):
Lord Gort (Oberbefehlshaber der British Expeditionary Force/BEF)
Harold Franklyn (kommandiert die Frankforce, bestehend aus der 5. und der
50. Infanteriedivision sowie der 1. Tank Brigade)
René Prioux (Kommandeur des Corps de Cavalerie, zu dem die 3. leichte
mechanisierte Division gehört)
Zielsetzungen:
Durchbruch durch die Linien der deutschen Angreifer; Stoß in die entblößte
Flanke der deutschen Panzerspitzen; Einkesselung der bereits zum Ärmelkanal
vorgestoßenen Verbände der Wehrmacht
Clausewitz 3/2021
17
ARRAS 1940
E
in besorgniserregender Funkspruch erreicht den Divisionsstab
der 7. deutschen Panzerdivision
in den Nachmittagsstunden des
21. Mai 1940: „Feindlicher starker
Panzerangriff aus Richtung Arras. Hilfe, Hilfe.“ Absender ist das unterstellte SchützenRegiment 6, das sich völlig unerwartet heftigen britischen Panzerangriffen gegenübersieht und ins Wanken gerät.
Erstmals während des gesamten Westfeldzugs treffen die von Generalmajor Erwin
Rommel befehligten Einheiten auf britische
Panzer – die die Deutschen an den Rand einer Niederlage bringen. Gegen die bis zu 80
Millimeter starke Panzerung der MatildaPanzer zeigen die eiligst in Stellung gebrachten deutschen Panzerabwehrkanonen (Pak)
kaum Wirkung.
Unbeirrt vom feindlichen Abwehrfeuer,
setzen die britischen Tanks ihren Angriff
fort. Bei deutschen Bedienmannschaften
macht sich Panik breit. Erste Infanteristen
suchen ihr Heil in der Flucht. Auch die angrenzenden Einheiten der Waffen-SS zeigen
sich vom ungestümen Vorstoß der Briten
beeindruckt. Können sich die deutschen
Verbände aus dieser äußerst bedrohlichen
Lage befreien?
„Sichelschnitt“-Plan
Elf Tage zuvor, am 10. Mai 1940, holte die
Wehrmacht zu ihrem Feldzug im Westen
aus. Der auf der Idee von Erich von Manstein basierende Plan sieht einen überraschenden Vorstoß starker Panzerkräfte der
Heeresgruppe A (HGr. A) durch die als unpassierbar geltenden Ardennen vor. Gleichzeitig soll die HGr. B den Gegner in Belgien
und in den Niederlanden binden. Sichelschnittartig sollen die Panzer mit dem Balkenkreuz bei Sedan über die Maas übersetzen und anschließend zum Kanal vorstoßen.
Man will dem Gegner den Rückzugsweg abschneiden und ihn so in Nordfrankreich und
Belgien einkesseln.
BEI DER TRUPPE: Erwin Rommel beaufsichtigt den Vormarsch seiner Einheit und führt
sie von vorn. Bei Arras stößt der Gegner
wuchtig in die Flanke seiner vorausgepreschten 7. Panzerdivision
Foto: Sammlung Anderson
INSZENIERTER
SIEGESZUG:
Unaufhaltsam
dringen deutsche
Panzer im Mai
1940 nach Westen vor. Doch bei
Arras wollen ihnen britisch-französische Truppen
den Weg versperren; Szene aus
dem Propagandafilm Sieg im Westen
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
„BLITZKRIEGER“: Der deutsche Vorstoß nach
Frankreich hinein verläuft überraschend
schnell, doch im Raum Arras kommt es zu
schweren Panzergefechten mit alliierten Tanks
Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collection
18
Bedrohliche Lage
KARTE
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
Deutscher Vorstoß und Gegenangriff am 21. Mai 1940
Clausewitz 3/2021
19
ARRAS 1940
ler Überlegung am Zügel gehalten, nun den
Kopf freibekommt und sich streckt, um im
schwingenden Galopp als Sieger dem Ziel
entgegenzueilen“, bemerkt der Stabsoffizier
Johann Adolf von Kielmansegg. Schon einen
Tag später erreichen die ersten deutschen
Panzerspitzen den Kanal. Die alliierte HGr. 1
sitzt in der Falle.
Churchills Initiative
Bei den Alliierten sind die Rollen unterschiedlich verteilt. Während die französische
Militärführung angesichts des raschen deutschen Vormarschs bereits konsterniert ist,
DOKUMENT
FLIEGENDE ARTILLERIE: Sturzkampfbomber unterstützen die deutschen
Bodentruppen bei ihrem Vorstoß. Die
Stukas verfügen über Sirenen, die
beim Sturz markant aufheulen und den
Gegner in Panik versetzen sollten
Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv
Während Hitler von dieser Idee begeistert
ist, halten viele führende Generäle den Plan
für zu riskant. Frühzeitig weisen die Skeptiker auf die besonderen Gefahren hin: Je weiter die deutschen Panzerverbände zum Kanal vorstoßen, desto länger und verwundbarer werden ihre Flanken. Doch letztlich
macht sich auch der Generalstabschef des
Heeres, Franz Halder, die Gedanken des
Plans zu Eigen.
Unaufhaltsamer Vormarsch
Schon nach einigen wenigen Tagen zeigt
sich, dass Mansteins Idee aufzugehen scheint: Die Franzosen und
Briten rechnen mit einem
deutschen Hauptstoß durch
Belgien und verlegen ihre
Truppen daher direkt zu Beginn des Feldzugs in das Nachbarland. Vom gegnerischen Vormarsch über Sedan werden sie
vollkommen überrascht. Unaufhaltsam rücken die deutschen
FRANKREICHS VERBÜNDETER:
Lord Gort ist Oberbefehlshaber
der britischen Expeditionsstreitkräfte, deren Verbände die
deutschen Angreifer
bei Arras stoppen
wollen Foto: picture-alliance/Mary
Evans Picture Library
20
Panzerspitzen Richtung Kanal vor, während
die Franzosen kaum Gelegenheit haben, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Auch jene deutschen Generäle, die dem Plan vormals verhalten gegenüberstanden, müssen nun dessen Kühnheit anerkennen. Stattdessen
schaltet sich nun der vormals so begeisterte
„Führer“ mehrfach bremsend ein. Denn er
fürchtet doch um die langgezogenen Flanken des deutschen Angriffskeils. Die vordersten Panzer sind in einem derart hohen
Tempo vorgeeilt, dass die langsame Infanterie nicht Schritt halten kann und sich daher
hinter den deutschen Tanks ein
Vakuum bildet.
Halder nimmt diese
Gefahr bewusst in Kauf,
glaubt er doch nicht daran, dass die Alliierten
noch rasche und heftige
Gegenoffensiven starten
können. Am 19. Mai 1940 gelingt es dem Generalstabschef, den NS-Diktator davon
zu überzeugen, den Panzerkräften endlich volle Bewegungsfreiheit einzuräumen. „Wir haben ein Gefühl, wie es
das edle Rennpferd haben
mag, das von
seinem Reiter aus küh-
Propagandabericht
„Sie haben in Deckung unseren Angriff vorüberrollen lassen, und nun
versuchen sie, die deutschen SchützenRegimenter von der Flanke her zu packen.
Die deutsche Batterie, die zur Straßensicherung in Stellung ist, Front
gegen Arras, hat die lohnenden neue
Ziele erkannt. Mit Sprengkopfgranaten
werden die beiden feindlichen Panzer,
die auf der Straße heranrollen, unter
Feuer genommen.
Inzwischen sind die SchützenRegimenter in schwerem Kampfe mit
französischen und englischen MGNestern, von denen das Gelände voll
ist. Melder hasten heran. Sie bringen
die Nachricht von weiteren Angriffen
feindlicher Panzer im Rücken der
deutschen Angreifer. Der Gegner, der
sich in Arras eingeschlossen und
nunmehr umgangen fühlt, versucht
sich mit allen Mitteln aus der
eisernen Umklammerung zu lösen.
Zehn feindliche Panzer sind hinter
uns im Anmarsch. Unsere Reservepanzer werden sofort zu wirksamem Flankenstoß angesetzt (...). Die Luft ist
erfüllt vom Donnern der Geschütze,
vom Knattern der Maschinengewehre.
Ab und zu bellen in kurzen, heftigen
Feuerstößen die Geschütze unserer
Flugabwehr dazwischen. (...) Es ist
7:00 Uhr abends. Vier feindliche
Panzer sind inzwischen in Brand geschossen worden. Aber erneut und an
immer anderen Stellen versuchen die
anderen den Durchbruch. Eine Stunde
später sieht es so aus, als ob der Angreifer nun selber der Eingeschlossene wäre. Stukas schaffen Luft. In der
Nacht gehen die vereinigten englischfranzösischen Angriffe weiter.“
NS-Propagandabericht (Auszug) zu den
Kämpfen in Arras, Mai 1940
Demoralisierte Franzosen
erkennt man auf britischer Seite die Chance für einen gut
durchdachten Gegenangriff.
„Die ganze Nacht hindurch jagen sich die
„Die Schildkröte hat ihren
Meldungen: Feindliche Panzer von rechts! –
Kopf sehr weit aus dem Schild
Panzer von links!“
vorgestreckt“, meint der britiAnmerkung zur Schlacht von Arras in der
sche Premierminister Winston
Divisionsgeschichte der 7. Panzerdivision
Churchill. „Einige Tage müssen
verstreichen, ehe ihr Körper
unsere Verbindungslinien erMit seinen Vorstellungen rennt Churchill
reichen kann. Es scheint, dass wuchtige
Schläge aus Norden und Süden gegen diese beim Chef des imperialen Generalstabs, Edverlängerte ‚Tasche‘ überraschende Erfolge mund Ironside, offene Türen ein. Alles
kommt darauf an, dass man eine Gegenofzeitigen könnten.“
IN KOLONNE:
Fahrzeuge des
SchützenRegiments der
7. Panzerdivision,
darunter mehrere
mittlere Schützenpanzerwagen mit
angehängter
Feldhaubitze
(10,5-cm-le-FH 18)
fensive schnell und energisch führt. Einem
britischen-französischen Angriff auf die
rechte Flanke des deutschen Vorstoßes muss
unbedingt ein französischer Angriff von Süden folgen. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit, die deutschen Panzerverbände von
der Masse des eigenen Heeres abzuschneiden: Ein drohendes militärisches Desaster
der Alliierten könnte sogar noch in einen
glorreichen Sieg umgewandelt werden.
Doch dafür sind die Briten auf französische
Unterstützung angewiesen. Ironside fliegt
zur dauerhaft von der Abschnürung bedrohten HGr. 1, doch findet er die französische
Generalität völlig demoralisiert vor: „Ich
verzweifle allmählich an dem französischen
Kampfwillen überhaupt. Die große Armee,
von ein paar Panzern geschlagen!“, vertraut
der britische General seinem Tagebuch an.
„Kein Plan, kein Gedanke an einen Plan –
bereit, sich abschlachten zu lassen.“
Britischer Plan
Ironside und der Befehlshaber der British Expeditionary Force (BEF), Lord Gort, sind notfalls auch bereit, allein die Initiative zu ergreifen, denn die Zeit drängt. Im Raum Arras
Foto: Sammlung Anderson
VOR DEM GEFECHT:
Neben der Wehrmacht
ist auch die Waffen-SS
an den Kämpfen bei
Arras 1940 beteiligt,
vor allem Soldaten der
SS-„Totenkopfdivision“
Foto: ullstein bild - ullstein bild
Clausewitz 3/2021
21
ARRAS 1940
sollen die Verbündeten den deutschen
„Schildkrötenkopf“ vom Körper schlagen.
Von den Franzosen verlangen die beiden Generäle lediglich offensiven Flankenschutz
für die angreifenden britischen Verbände.
Doch selbst zu einem derart begrenzten
Beitrag scheint die französische Armee nicht
mehr in der Lage zu sein: Während der Befehlshaber des V. Armeekorps, Robert Altmayer, unter Tränen weitere Kämpfe für seinen Verband ablehnt, muss der als Ersatz
einspringende René Prioux die Hoffnungen
der Briten ebenfalls dämpfen: Zwar ist er bereit, das Vorhaben zu unterstützen, doch hat
man seine Panzer kurz zuvor auf etliche
französische Infanteriedivisionen aufgeteilt.
Lediglich Teile der 3. französischen mechanisierten Division lassen sich für eine Gegenoffensive zusammentrommeln. Doch auch
AUSGESCHALTET: Deutsche Soldaten nehmen einen Matilda-II-Panzer unter die Lupe. In der
Schlacht erleiden die Alliierten Verluste von zirka 60 Kampfwagen
Foto: picture-alliance/Mary Evans/Robert Hunt Collectio
MONSTERSTAU:
Unzählige Pkw und
Lkw einer NachrichtenEinheit rollen langsam
nach Westen, während
Rommels Panzerspitzen
weit vorausgeeilt sind
Foto: Sammlung Anderson
PANZERJÄGER IM
GEFECHT: Sie erleiden blutige Verluste
im Kampf mit den
alliierten Panzern
Foto: picture-alliance/ZB/
Berliner Verlag/Archiv
22
die Briten können keine allzu großen Kräfte
für einen entscheidenden Schlag aufbieten.
Schuld daran sind Fehler in der Kommunikation. Die für den Gegenangriff in Aussicht
genommenen Generäle Harold Franklyn
und Giffard Martel werden nicht über die
weit gesteckten operativen Ziele des Unternehmens informiert.
Beide glauben vielmehr, der Stoß solle lediglich den taktischen Zweck verfolgen, die
britische Garnison bei Arras zu entlasten.
Dementsprechend gering sind die angesetzten Kräfte: Statt den von Ironside geforderten vier britischen und französischen Divi-
Geschosse prallen ab
VERNICHTET: Staunend begutachtet dieser
deutsche Soldat das große Einschussloch.
Während kleinere Treffer der Panzerung
dieses Somua S35 kaum Schaden zufügten,
traf hier ein deutlich größeres Kaliber
Foto: Sammlung Anderson
sionen, die mit massiver Panzerunterstützung vorgehen, lassen die beiden Generäle
vor Ort lediglich zwei Infanteriebataillone
und 88 Panzer angreifen.
Riskanter Vorstoß
Am 21. Mai 1940 stürmt die 7. Panzerdivision
der Wehrmacht unter der energischen Führung von Erwin Rommel siegesgewiss vor.
Als Teil der 4. Armee unter Generaloberst
Günther von Kluge ist sie ein wichtiger Bestandteil des Panzerkeils, der den „Sichelschnitt“ vollenden soll. Soeben hat der Generalmajor den Auftrag erhalten, westlich von
Arras vorzurücken, um die Flussübergänge
über die Scarpe zu nehmen. Ohne auf seine
SCHNEISE DER VERWÜSInfanterie zu warten, lässt Rommel seine
TUNG: Viele Orte entlang der
deutschen Vormarschstraße
Panzer zum Fluss vorrücken. Dieses äußerst
liegen in Schutt und Asche,
riskante Vorgehen endet für den Verband beiauch Arras wird stark in Mitnahe in einer Katastrophe. „Der Zufall wollte
leidenschaft gezogen
es, dass der von den Briten ohne vorherige
Foto: picture-alliance/akg-images
Aufklärung vorgetragene Panzerangriff
exakt zum ungünstigsten Zeitpunkt an der
ungünstigsten Stelle voll in die ungeschützte bares Vickers-MG) ausgerüstet sind, verfüFlanke der deutschen Infanteriekolonnen hi- gen letztere über eine Zweipfünder-Kanone
neinstieß“, betont der Militärhistoriker Karl- und eine bis zu 80 Millimeter dicke PanzeHeinz Frieser. Rommel, der zuerst seinen rung. Auf diese Weise können weder die
Panzern nachgeeilt ist, kehrt gegen Nachmittag zu seiner Infanterie zurück, um sie zur Eile an„Gegen die schweren Panzer der Engländer
zutreiben.
sind die eigenen Paks auch auf nahe
Nun wird er Zeuge des britiEntfernungen nicht wirkungsvoll genug.
schen Gegenangriffs. Mehr als 40
britische Panzer fahren auf die
Die durch sie gebildeten Abwehrfronten
deutschen Pak-Stellungen zu. Es
werden vom Feind durchbrochen.“
handelt sich dabei um Tanks des
Tagesbericht (Auszug) der 7. Panzerdivision
Typs Matilda I und II. Während
vom 21. Mai 1940
erstere Fahrzeuge lediglich mit
Maschinengewehren (schwenk-
Clausewitz 3/2021
deutschen Panzer (mit Ausnahme des Panzer IV), noch die 3,7-cm-Pak die mächtigen
Matilda II außer Gefecht setzen. Ohne größeren Schaden anzurichten, prallt das Abwehrfeuer der Deutschen an den britischen
Ungetümen ab.
Rommel greift ein
Die Irritation bei der Führung der 7. Panzerdivision lässt sich noch anhand des Wortlauts ihres Tagesberichts erkennen: „Gegen
die schweren Panzer der Engländer sind die
eigenen Paks auch auf nahe Entfernungen
nicht wirkungsvoll genug. Die durch sie gebildeten Abwehrfronten werden vom Feind
durchbrochen, die Geschütze zusammenge-
23
ARRAS 1940
Hinzu kommt das psychologische Moment:
Seine Anwesenheit in vorderster Linie wirkt
beruhigend auf seine Soldaten. Persönlich
weist Rommel die Pak-Bedienmannschaften
in die Ziele ein, lässt auch seine Artilleriegeschütze auf die gegnerischen Panzer feuern.
Abseits der ersten Kampflinie lässt der Generalmajor die schweren 8,8-cm-Flaks heranholen, um auch diese gegen die britischen Tanks einzusetzen. Ihr großes Kaliber
durchdringt mühelos alle Panzerungen, sodass sie später, im Russlandfeldzug, auch
die schweren sowjetischen Panzer überaus
erfolgreich bekämpfen wird. Rommels Maßnahmen zeitigen Erfolg: Innerhalb weniger
Minuten verlieren die Angreifer zwei Dutzend Panzer.
DIE 7. PANZERDIVISION: Der Panzer II
kann mit 2-cm-Schnellfeuer Infanterie gut
bekämpfen. Im Hintergrund Panzer IV Ausf C
Foto: Münch
schossen oder überfahren, die Bedienungen
größtenteils niedergemacht.“ Stellenweise
stoßen britische Panzer bis zu den Einheiten
der Waffen-SS vor, die die linke Flanke von
Rommels Division decken. Jetzt zeigt sich die
große Stärke von Rommel als Kommandeur:
Anders als seine britischen Gegenspieler,
führt er von vorn und stürzt sich ungeachtet
der Gefahren ins Kampfgeschehen. Blitzschnell kann er hier die aktuelle Situation erfassen und Gegenmaßnahmen ergreifen.
Chaos bei den Briten
DURCHLÖCHERT: Unzählige Treffer durchlöcherten diesen Panzerkampfwagen III Ausf E.
Beinahe jeder Teil der Frontpanzerung zeigt
Durchschläge
Foto: Sammlung Anderson
Der britische Angriff, der das Potenzial zu einem großen Erfolg gehabt hätte, läuft sich
schließlich fest. Schon der Anmarsch der
rechten britischen Angriffsgruppe endet beinahe in einem Desaster, als die eigentlich als
rechter Flankenschutz fungierende französische mechanisierte Division die britischen
Verbände fälschlicherweise für deutsche Einheiten hält: Energisch durchbrechen die französischen Somua-Panzer einen britischen
Pak-Riegel und zerstören einen britischen
Tank, ehe die Verwechslung auffällt. Auch im
weiteren Verlauf des Vorstoßes kommt es zu
massiven Koordinationsproblemen. Schuld
daran ist in erster Linie die unzureichende
Funkverbindung: So können sich die Besatzungen der Matilda-Tanks weder untereinander verständigen, noch Kontakt zur britischen Infanterie oder zum französischen Verbündeten aufnehmen.
Obwohl sie über die kampfkräftigeren
Panzer verfügen, sind die britischen Panzereinheiten ihrem deutschen Gegner in taktischer Hinsicht klar unterlegen. Britische Militärhistoriker sind sich heute einig: Der sagenumwobene und vielgelobte Angriff bei Arras
war alles andere als gut durchgeführt. Einzel-
ZUSAMMENGESCHOSSEN:
Reste einer französischen
Kolonne zeugen von der großen Härte der Kämpfe bei
Arras
Foto: Sammlung Anderson
24
Bettinger, Dieter
Robert
Blutiger Abwehrerfolg
Der Bau der deutschen Westbefestigungen
in den Jahren 1936 bis
1940 und ihre Zerstörung nach dem Zweiten Weltkrieg
neu
306 Seiten, Hardcover,
Fadenbindung, 574
Abb., 143 Schemata,
Großformat; ISBN
978-3-86933-262-8
49,90 €
Herrmann, Gerd
Ulrich / Klar, Uwe
Der Kessel von
Halbe
Von Oder und Neiße
bis zur Elbe
ALLIIERTE PANZERWRACKS: Abgeschossene Panzer im Raum westlich von Arras.
Nach dem Eindämmen des britisch-französischen Gegenschlags geht der Vorstoß der
Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv
Wehrmacht voran
Literaturtipp
auch, um seinen Abwehrerfolg noch glänzender hervorzuheben.
So berichtet er dem deutschen Oberkommando von fünf feindlichen Divisionen und
Hunderten von Panzern, die seine Pak-Riegel berennen würden. Diese Schilderung
Rommels hat weitreichende operative Folgen: Kluge lässt seine Panzerverbände anhalten, um die vermeintliche Gefahr für die
deutsche Flanke zu bereinigen. Auch der
Oberbefehlshaber der HGr. A, Gerd von
Rundstedt, stimmt diesem Vorgehen zu.
Heeresgeneralstabschef Franz Halder hingegen schätzt die Lage richtig ein: Er sieht die
Gefahr nun nicht mehr in einem feindlichen
Flankenangriff, sondern darin, dass sich der
Gegner zur Küste zurückziehen könnte, um
der deutschen Umfassung zu entgehen.
Die „Krise von Arras“, so betont der Militärhistoriker Frieser, „war selbst gemacht
und wirkte sich nur in den höheren Stäben
aus. Es erscheint paradox, dass ausgerechnet
bei den Panzerverbänden, die sich hätten gefährdet fühlen müssen, überhaupt keine Krisenstimmung zu bemerken war.“ So zeitigt
der fehlgeschlagene britische Panzerangriff
bei Arras weitreichende operative Folgen: Er
räumt den sich auf den Kanal zurückziehenden Briten eine Atempause ein und beeinflusst die Lageeinschätzungen Hitlers und
der deutschen Militärführung auch noch
beim Marsch auf Dünkirchen nachhaltig.
Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende.
Der Westfeldzug 1940, München 2012.
Dr. Lukas Grawe, Jahrgang 1985, Historiker am
SOCIUM Forschungszentrum der Universität Bremen.
erfolge hat man taktisch nicht ausgenutzt. Es
mangelt an Luftunterstützung und an einem
ausreichenden Kräfteansatz. Nachdem sich
die Panzer an den deutschen 8,8-cm-Flaks die
Zähne ausbissen, greift nun auch Görings
Luftwaffe in die Kämpfe ein. Im Sirenengeheul der Sturzkampfbomber ziehen sich die
letzten britischen Panzer zurück.
Folgenreicher Sieg
Der bei Arras erzielte Abwehrerfolg von
Wehrmacht und Waffen-SS ist allerdings mit
hohen Verlusten teuer erkauft. Rommels
7. Panzerdivision beklagt 89 Gefallene, 116
Verwundete und 173 Vermisste, von denen
90 Versprengte aber wieder zu ihren Einheiten zurückkehren. Die SS-Division „Totenkopf“ unter ihrem Kommandeur Theodor
Eicke muss den Verlust von 39 Toten und 66
Verwundeten hinnehmen.
Aber auch die Briten erleiden blutige Verluste. „In diesem Tal haben wir unsere besten
Panzerbesatzungen verloren“, betont ein britischer Offizier später. Tatsächlich kehren
von den 88 eingesetzten Panzern nur 28 wieder in ihre Ausgangsstellungen zurück. Angesichts des hohen Blutzolls verwundert es
nicht, dass Rommel die Zahl der Angreifer
vollkommen falsch einschätzt – sicherlich
neu
292 Seiten, Hardcover, Fadenbindung,
137 s/w Fotos, 2
farbige Schemata, 3
s/w Schemata, Großformat; ISBN 978-386933-263-5
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Lapp, Peter Joachim
Armee im Schatten
Militärhistorische
Studie zur 17. Armee
im 2. Weltkrieg
230 Seiten, Hardcover,
fest gebunden, 17x24
cm, 23 Fotos, 27
Skizzen, 4 Schemata;
ISBN 978-3-86933264-2
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Eilhardt, Hans Joachim
Frühjahr 1945
Kampf um Berlin und
Flucht in den Westen
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Clausewitz 3/2021
versandkostenfreie Auslieferung innerhalb Deutschlands
ARRAS 1940
EXTREME STRAPAZEN DER SOLDATEN
„Fontäne aus
Eisen”
Während der blutigen Kämpfe stoßen die
Soldaten beider Seiten an ihre körperlichen und seelischen Belastungsgrenzen.
Neben dem todbringenden Feuer des Feindes setzen Hitze und Trockenheit den Männern hart zu
Von Lukas Grawe
IM KAMPF: Panzerjäger mit ihrer
Pak. Vor allem in den Vororten von
Arras entflammen heftige Gefechte
mit alliierten Panzern, die bei den
Pak-Trupps zum Teil sogar Panik auslösen
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
IN FLAMMEN: Im Zuge ihres Gegenangriffs bei Arras verlieren
die Alliierten etwa 60 Kampfwagen. Viele Panzerbesatzungen
erleiden ein qualvolles Ende in
ihren Fahrzeugen
Foto: picture-alliance/ZB/Berliner Verlag/Archiv
26
D
er Westfeldzug des Jahres 1940
bringt für viele der beteiligten
deutschen Soldaten höllische Strapazen mit sich. Da es bei dem geballten Großangriff auf jede Minute ankommt
und man die Alliierten mit dem Stoß durch
die Ardennen überraschen will, ertragen die
Infanteristen oft stundenlange Gewaltmärsche ohne Pause. Mit ihrem etwa 40 Kilogramm schweren Marschgepäck und bei
frühsommerlicher Hitze kommt der Vormarsch einer Tortur gleich – zumal nur wenige deutsche Infanteriedivisionen stark motorisiert sind. Der Großteil der Soldaten muss
sich auf seine Muskelkraft verlassen und
kann nicht auf die Pferdestärken der Lkw
hoffen. „Die Sonne brennt auf den drückenden Stahlhelm, der Schädel ist förmlich ausgedörrt“, so ein Soldat der Wehrmacht in der
Rückschau.
KRÄFTEZEHREND: Endlosen Gewaltmärschen schließen sich
schwere Gefechte mit dem Gegner
an. Die Infanterie findet kaum Zeit
zum Verschnaufen, auch Hitze und
Trockenheit setzen den erschöpften Soldaten hart zu Foto: picture-alliance
Angst und Depressionen
Kaum besser geht es den deutschen Panzerbesatzungen. Diese sollen als Speerspitze
des Angriffs fungieren und sind daher häufig tagelang ohne längere Pausen unterwegs. In den nicht klimatisierten Innenräumen der Tanks führt die Maisonne zu kaum
erträglichen Temperaturen. Vor allem die
Fahrer müssen sich bei den engen Straßen
dauerhaft konzentrieren. Viele Soldaten
können die Anstrengungen des Westfeldzugs nur überstehen, indem sie auf eine
Aufputschdroge zurückgreifen: Pervitin.
Für die Kämpfe in Frankreich hat die Wehrmacht mehr als 35 Millionen Tabletten des
Mittels bestellt. Eine Tablette kann den Konsumenten tagelang wach halten und die
Stimmung aufhellen. Ihre Wirkung kann allerdings auch zu schweren Nebenwirkungen wie Depressionen, Angstzuständen und
Abhängigkeiten führen. Schnell avanciert
Pervitin zum ständigen Begleiter der Panzerbesatzungen und erhält verharmlosende
Namen wie „Panzerschokolade“.
Tanks gegen Paks
Eingebettet in diese widrigen Rahmenbedingungen, entbrennen am 21. Mai 1940 die
schweren Kämpfe bei Arras. Die Gefechte
zwischen britischen Panzern und deutschen
Panzerabwehrkanonen spielen sich hauptsächlich in den Vororten der Stadt ab. Hier
liefern sich die Soldaten beider Seiten heftige
Häuserkämpfe. Die SS-Division „Totenkopf“,
als linker Flankenschutz von Rommels 7.
Panzerdivision aufgeboten, erlebt in den heftigen Gefechten ihre Feuertaufe. Ihre Solda-
Clausewitz 3/2021
ten sind zuvor nächtelang marschiert, um zu
Rommels vorstürmenden Truppen aufschließen zu können. Schnell merken die SS-Männer, dass sie es mit einem verbissen kämpfenden Gegner zu tun haben. Sowohl für
Rommels Soldaten als auch für die Männer
der Waffen-SS ist die Schlacht von Arras der
erste heftige Kontakt zu britischen Panzern.
Ein deutscher Kriegsberichterstatter
schildert die mörderischen Duelle zwischen
Tanks und Paks: „Ein Geschütz will befehlsgemäß hinter einem Gartenzaun vor einer
scharfen Straßenbiegung Stellung beziehen;
die Männer sind noch nicht abgesessen. Da
schlägt mit grauenhafter Gewalt ein Volltreffer in die Protze. Eine Fontäne von Eisen und
Feuer spritzt hoch – vier auf dem Zugkraftwagen sitzende Kameraden sind verloren.
Benzintank und Munition explodieren mit
DOKUMENT
Dramatischer
Erlebnisbericht
„Auf unserem Weg reißt eine Granate
dem Kameraden (...) den Kopf ab. In
unserer ersten Aufregung bemerken
wir das grausige Geschehen zunächst
nicht. Erst nachdem wir einen der
beiden englischen Panzer ausmachen,
sehen wir, was mit unserem Kameraden
geschehen ist. Es ist furchtbar. Wir
alle sind blutbespritzt (...).“
Auszug aus einem Erlebnisbericht eines
SS-Rottenführers der „Totenkopfdivision“ zur
Schlacht von Arras
ohrenbetäubendem Getöse, sinn- und ziellos
zischen die in Brand gesetzten Pak-Geschosse kreuz und quer durch die Gegend.“
Er berichtet auch über das Abwehrfeuer
der Paks. Eine Kanone „wird von mehreren
feindlichen Panzern hart bedrängt. Die Einschläge der Panzerkanonen sitzen verdammt gut. (…) Jetzt haut ein Volltreffer in
die kleine Kanone.“ Wenig später schäumt
an einer weiteren Kanone „eine Woge von
Feuer und Rauch hoch, Stahlfetzen zerschmettern dem Geschützführer das Antlitz.“ Angesichts der grausigen Szenen verlieren einige deutsche Bedienmannschaften
die Nerven, wie auch Generalmajor Erwin
Rommel mit ansehen muss. „Es war eine böse Klemme“, stellt der Kommandeur der 7.
Panzerdivision rückblickend betrachtet fest.
So wird er Augenzeuge, „wie die Bedienung
einer Haubitzbatterie, von der zurückgehenden Infanterie mitgerissen, ihre Geschütze verließ.“
Im Kugelhagel
Auch für die britischen Panzerbesatzungen
endet die Schlacht bei Arras in einem Inferno. Sie leiden wie ihre deutschen Pendants
nicht nur unter den heißen Temperaturen,
sondern finden sich bald nach Angriffsbeginn auch in einem Kugelhagel feindlicher
Panzer- und Flugabwehrkanonen wieder.
„Während ich nach vorn ging, kam ich an
den Panzern der A- und B-Kompanie vorbei
und es fiel mir auf, dass sie sich weder be-
27
ARRAS 1940
„Die Geschütze der Panzer zeigten nach allen
möglichen Richtungen. An einigen Panzern waren
die Geschütztürme geöffnet und die Besatzungen
hingen halb heraus. Sie waren verwundet oder tot.“
Ein britischer Offizier über den Anblick gefallener alliierter
Panzerbesatzungen bei Arras
SOLDATENSCHICKSAL: Feldgrab der Besatzung eines abgeschossenen Panzers der Wehrmacht. Bei Arras verlieren die deutschen Truppen mehr als 30 Panzer, die Alliierten doppelt
so viele Foto: picture-alliance/Sammlung Berliner Verlag Archiv
wegten noch schossen“, erinnert sich ein
britischer Offizier. „Dann bemerkte ich
noch etwas Eigenartigeres: Die Geschütze
der Panzer zeigten nach allen möglichen
Richtungen. An einigen Panzern waren die
Geschütztürme geöffnet und die Besatzungen hingen halb heraus. Sie waren verwundet oder tot.“ Viele britische Panzerbesatzungen verbrennen bei lebendigem Leib in
ihren zerschossenen Tanks. Am Ende des
Tages jagen Stukas die wenigen verbliebenen Fahrzeuge.
Grauen des Krieges
Obwohl der erwähnte deutsche Kriegsberichterstatter seinen Bericht wie ein Heldenepos aufzieht, wird beim Lesen seiner Zeilen
schnell klar, dass die Kämpfe bei Arras wenig Heldenhaftes an sich haben – vielmehr
verdeutlichen sie das Grauen und die Schrecken des Krieges.
28
ENTWAFFNET:
Französische
Kriegsgefangene
auf dem Weg zum
Sammelplatz. Sie
sind schlecht geführt und häufig
demoralisiert;
Foto aus einem
Kriegserinnerungsalbum
Foto: pa/akg-images
Auch die französische Zivilbevölkerung
leidet unter den Kämpfen. Zahlreiche Flüchtlinge verstopfen die wenigen Vormarschstraßen, Panik macht sich unter ihnen breit. Die
Gehöfte und Dörfer rund um Arras werden
vielfach ein Opfer der Flammen. Brüllendes
Vieh irrt über die Felder, Tierkadaver verpesten die Luft. Hinzu kommt der schreckliche
Durst, über den die Soldaten beider Seiten
klagen. Während des Gefechts ist es kaum
möglich, Trinkwassernachschub heranzuholen. Die staubige Luft brennt in den Kehlen.
Stickiger Rauch und Feuer kommen hinzu.
Nicht nur für die Soldaten in den ersten
Linien, auch für die vielfach von den briti-
schen Panzern überraschten Besatzungen
der Trossfahrzeuge ist es ein Kampf um Leben und Tod. Angesichts der Leiden der einfachen Soldaten muss der Kommentar des
Chefs des Generalstabs des Heeres, Franz
Halder, beinahe wie Hohn anmuten. Am
Abend des 21. Mai 1940 notiert er in sein
Kriegstagebuch: „Die Lage an Kluges [Günther von Kluge, Oberbefehlshaber 4. Armee]
rechtem Flügel kann nicht sehr ernst sein.
Nur örtliche Affären (…)!“
VERGEBLICHES OPFER: Gefallene
britische Soldaten bei Arras. Der
alliierte Gegenschlag misslingt gegen
vor allem auf taktischer Ebene überlegene Verbände von Wehrmacht und
Waffen-SS Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
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ARRAS 1940
TÖDLICHE PANZERDUELLE BEI ARRAS
Panzerschock
im Westen
20. Mai 1940: Deutsche Angriffsspitzen stoßen rasant in den Raum
südlich von Arras vor und erleben tags
darauf eine böse Überraschung. Denn
im Duell mit den alliierten Tanks
zeigen sich die eigenen Kampfwagen
oft unterlegen
Von Thomas Anderson
CHANCENLOSE BESATZUNG: Dieser PzKpfw
38 (t) wurde auf 50 Meter Entfernung vernichtet, seine 25-mm-Frontpanzerung zeigt
zahlreiche Durchschüsse. Teilweise sind die
Platten aufgrund mangelnder Materialgüte
weggebrochen
Foto: von Aufseß
30
BEUTEGUT: Soldaten einer deutschen
Nachschub-Einheit inspizieren einen
Matilda II. Obwohl man zahlreiche dieser
Panzer unbeschädigt erbeutet, sieht die
Wehrmacht davon ab, sie weiter zu nutzen
Foto: Sammlung Anderson
TECHNIK IM DETAIL
Infantry Tank Mk II Matilda (A12)
Motor, Getriebe und
Antrieb hinten
Fahrerplatz
Leitrad
Fünf Rollenwagen mit
je zwei Laufrollen
Trügerische Überzahl
Die angreifenden Deutschen sind zahlenmäßig in der Übermacht. Sie können auf mehr
als 200 Panzer zurückgreifen. Verbände der
Luftwaffe stehen ebenfalls bereit.
In dieser günstigen Lage weist Rommel
seine schnellen Panzerkampfwagen 38 (t) an,
westlich von Arras vorbeizustoßen. Sie sollen wichtige Übergänge über die Scarpe sichern, einen eher kleinen Fluss in sumpfigem Gelände. Der Kampf erscheint bereits
entschieden: Wer sollte sich den bisher so erfolgreichen Panzern der Wehrmacht wirksam entgegenstellen?
Doch ein genauer Blick auf das Material,
das den bei Arras kämpfenden Einheiten beider Seiten zur Verfügung steht, ist äußerst
aufschlussreich. Denn in den dort tobenden
Gefechten treffen Panzertypen aufeinander,
wie sie unterschiedlicher kaum sein können.
2 Pdr QF gun (40 mm)
Vickers .303 Maschinengewehr
Gussturm für drei Mann
70–80 mm rundum
Laufwerk durch zusätzliche
Panzerplatte geschützt
Frankreich setzt nach dem Ersten Weltkrieg zunächst auf langsam laufende Infanteriepanzer und riesige Durchbruchspanzer.
Diese gut gepanzerten Fahrzeuge verfügen
über eine nur geringe taktische Beweglichkeit. Im Jahr 1936 führt man mit dem Somua
S-35 jedoch einen neuen Typ für die schnellen Kavallerie-Divisionen ein.
Die Entwicklung dieses Panzers läuft seit
1934, mit diesem Fahrzeug will man eine
deutlich höhere Beweglichkeit erreichen.
Das Fahrwerk des S-35 ist mit einem Blattfeder-Laufwerk versehen. Diese technisch einfache Lösung ist außen an der Wanne montiert. Die Wanne ist mit gut zwei Metern
recht schmal. Daher setzen die Konstrukteure einen vierteiligen hohen Panzeraufbau
aus Stahlguss auf. Vorne auf dem Aufbau ist
Zusätzliches „Jockey“Laufrad
Foto: Sammlung Anderson
D
ie Lage der alliierten Verteidiger ist
äußerst angespannt. Der unerwartet schnelle Vorstoß der Wehrmacht
nach Westen hat sowohl Franzosen
als auch Engländer förmlich überrumpelt.
Als deutsche Panzerspitzen am 20. Mai 1940
die Atlantikküste bei Abbeville erreichen,
sind die im Norden stehenden alliierten Truppen von ihren Versorgungslinien aus Frankreich abgeschnitten. Unter den Eingeschlossenen befindet sich praktisch das gesamte
Britische Expeditionskorps.
Um den weiteren Vorstoß der 7. Panzerdivision aus dem Raum südlich Arras in
westlicher Richtung zu durchkreuzen, werfen die Briten mehrere Brigaden in den
Kampf. Französische Verbände unterstützen
ihre Verbündeten – doch zusammen verfügen sie im engeren Kampfraum über nicht
einmal 90 Tanks.
80-mmFrontpanzer
ein Drehturm montiert (ebenfalls Stahlguss).
Er ist mit einer 47-mm-SA-35-Kanone und
einem MG bewaffnet.
Überforderte Fahrzeugführer
Ein 190-PS-Motor treibt das gut 20 Tonnen
schwere Fahrzeug an. Verglichen mit anderen französischen Panzern erreichen die
Fahrzeuge nur geringfügig bessere Fahrleistungen.
Als man den Panzer im Jahr 1934 erstmals
entwarf, sollte die Panzerung gegen alle zeitgemäßen Panzerabwehrwaffen schützen.
Nach damaligen deutschen Untersuchungen
sind Wanne und Aufbau rundum mit 45 Millimetern gepanzert, der Turm zeigt frontal
55 Millimeter. Das Fahrwerk ist mit durchlaufenden Panzerplatten zusätzlich geschützt.
TECHNISCHE DATEN
Panzer bei Arras (Auswahl)
Somua S-35
Typ
Gewicht
Motor
Höchstgeschwindigkeit
Leistungsgewicht
Hauptbewaffnung
Sekundärbewaffnung
Panzerung Front
Panzerung Seite
Panzerung Heck
Panzerung Turmfront
Panzerung Turmseiten
Besatzung
Clausewitz 3/2021
Kampfpanzer
20 t
Somua Otto 190 PS
37 km/h
9,5 PS/t
47-mm-SA 35
1 MG
35 mm
40 mm
35 mm
55 mm
45 mm
3
Infantry Tank Mk I
Matilda (A11)
Infanterie-Begleitpanzer
12 t
Ford Otto 70 PS
11,2 km/h
5,2 PS/t
1 MG
–
60 mm
60 mm
60 mm
65 mm
65 mm
2
Infantry Tank Mk I
Matilda II (A12)
Infanterie-Begleitpanzer
26 t
2 AEC Diesel, je 94 PS
24,1 km/h
7,2 PS/t
2-Pdr-QF-gun (40 mm L/52)
1 MG
80 mm
70 mm
55 mm
75 mm
65 mm
4
PzKpfw III
Ausf E
Kampfpanzer
19,5 t
Maybach Otto 265 PS
> 60 km/h (inoffiziell)
13,6 PS/t
3,7-cm-L/46,5
3 MG
30 mm
30 mm
20 mm
30 mm
30 mm
5
PzKpfw 38 (t)
Ausf C
Leichter Panzer
9,7 t
Praga Otto 125 PS
42 km/h
12,8 PS/t
3,7-cm-L/48,7
2 MG
25 mm
15 mm
15 mm
25 mm
15 mm
4
31
ARRAS 1940
BEZWUNGENER GEGNER: Diese deutschen Soldaten posieren
mit einem ausgeschalteten A11 (Matilda I). Die Fahrzeuge
verfügen lediglich über eine schwache MG-Bewaffnung
Foto: Sammlung Anderson
25-TONNEN-KOLOSS: Die scheinbar unzerstörbaren Matilda II erregen im
Mai 1940 viel Aufmerksamkeit bei den deutschen Soldaten und sind ein
gefährlicher Gegner auf dem Schlachtfeld von Arras
Foto: Sammlung Anderson
Die Besatzung des Fahrzeugs besteht aus
drei Mann. Der Fahrzeugführer ist im Ernstfall zwangsläufig oft überfordert. Er muss
nämlich nicht nur den Panzer führen, sondern auch noch die Waffen bedienen. Der
Funker reicht ihm die Munition hoch.
In Nordfrankreich steht Mitte Mai nur
noch eine französische Panzereinheit, die mit
dem Somua S-35 ausgestattet ist. Während
der vorangegangenen Kämpfe um Cambrai
hat sie bereits einen Großteil ihrer Panzer
eingebüßt. Die verbliebenen Fahrzeuge teilt
man anschließend auf verschiedene Infanteriedivisionen auf. Für den alliierten Gegenangriff bei Arras sind somit nur wenige Somua S-35 verfügbar.
Lahme A11 Matildas
Auch Großbritannien baut seine Streitkräfte
in den 1930er-Jahren basierend auf der
scheinbar bewährten Kampfdoktrin des Ersten Weltkriegs aus. Grundsätzlich fährt man
zweigleisig:
Die Infanterie soll Unterstützung durch
einen spezialisierten, langsam fahrenden
Panzer (Infantry Tank) erhalten. Die Kavallerie-Einheiten nutzen beweglichere Typen,
die Cruiser Tanks.
Gegen Mitte der 1930er-Jahre entwickelt
man ein schwer gepanzertes Begleitfahrzeug, den Infantry Tank Mark I (A11), besser
bekannt als Matilda (I). Da nur zwei Mann
Besatzung vorgesehen sind, legt man Wanne
und Aufbau sehr schmal aus. Das Fahrzeug
ist mit rundum 60 Millimetern Panzerung
sehr gut geschützt. In einem kleinen Stahl-
32
guss-Turm ist ein einzelnes Maschinengewehr eingebaut. Der Panzerführer bedient
die Waffe.
Ein handelsüblicher Ford-V8-Motor mit
einer Leistung von 70 PS treibt das Fahrzeug
an. Mehr Leistung erscheint nicht nötig, da
er lediglich einen Infanterieangriff begleiten
soll, wozu eine Geschwindigkeit von 13 km/h
als ausreichend erscheint. Bis 1939 werden
140 Matilda gebaut.
Bereits im Jahr 1936 scheinen die Verantwortlichen zu ahnen, dass das Konzept des
A11 für einen möglicherweise kommenden
Krieg nicht überzeugen wird. Zwar weichen die Militärs nicht von der grundsätzlichen Trennung zwischen Infantry Tank und
Cruiser Tank ab, jedoch fordern sie nun neben einer guten Panzerung auch eine bessere Beweglichkeit sowie eine effektivere Bewaffnung.
Daher beginnt parallel zur Produktion
des A11 der Entwurf eines Nachfolgers, des
A12. Dieser neue Panzer ist nicht mit dem
A11 vergleichbar. Um den Turm mit drei
Mann Besatzung aufnehmen zu können,
entwickelt die Industrie eine deutlich breitere Wanne.
VERSTÄRKT: Als reines Unterstützungsfahrzeug entwickelt, ist der
Panzerkampfwagen IV ursprünglich nur
schwach gepanzert. Schnell setzt ein
Umdenken ein – der Panzerschutz wird
auf 30 Millimeter erhöht
Foto: NARA
Abprallende Pak-Granaten
An dieser sind zwölf kleine Laufrollen an
außen angebrachten Doppelrollenwagen
montiert, die durch horizontale Schraubenfedern abgefedert werden. Zur Unterstützung der vorderen Leiträder und um die
Kletterfähigkeit zu verbessern, sind vorne
zwei weitere Laufrollen montiert.
Die Antriebskomponenten liegen hinten.
Zwei Motoren mit einer Leistung von insgesamt 190 PS treiben den Panzer an. Die Beweglichkeit ist wie beim A11 gering. Auf
Straßen erreicht der A12 maximal 26 km/h,
im Gelände sind es 14 km/h.
TECHNIK IM DETAIL
PzKpfw 38 (t) Ausf C
Panzerführerkuppel
3,7-cm-KwK L/48,7 1 MG
Panzerung Turmfront
und Seiten 30 mm
Seitliche Panzerung
15 mm
Ausstiegsluken
für Fahrer
Praga-Motor hinten
Ein MG für Funker
Die Panzerung ist sehr stark, sie erreicht bei
Wanne, Aufbau und Turm rundum bis zu 80
Millimeter. Wie beim S-35, schützen seitlich
angebrachte Panzerplatten das Fahrwerk.
Der Turm trägt ein 40-mm-Geschütz (2-PdrQF-gun) sowie ein MG. Die Besatzung besteht aus vier Mann, drei davon sitzen im
Turm. Die Einsatzbereitschaft des Panzers
leidet unter den brüchigen Kettenbolzen.
Schon harte Lenkmanöver oder Artilleriesplitter können zur Bewegungsunfähigkeit
führen. Wie der A11 erhält auch der A12 die
Bezeichnung Matilda (II).
Zu den Verbänden, die Rommels 7. Panzerdivision und die SS-Division „Totenkopf“ bei Arras angreifen, zählt das 7th
Royal Tank Regiment. Diese Einheit verfügt
am 21. Mai 1940 noch über 23 Matilda A12
und 58 Matilda A11.
Auf deutscher Seite legt man deutlich
mehr Wert auf die operative Beweglichkeit
der Panzer.
Mit dem Panzerkampfwagen III (PzKpfw
III) führt die Truppe ein Fahrzeug ein, das
mit einem 3,7-cm-Geschütz den Kampf Panzer gegen Panzer bestreiten soll. Verglichen
mit Matilda II und S-35 ist die Panzerung
deutlich schwächer. Sie beträgt frontal und
seitlich 30 Millimeter.
Das Fahrwerk hingegen ist ungleich leistungsfähiger. Sechs Laufrollen mit Torsionsfedern pro Seite erlauben eine signifikant höhere Geschwindigkeit im Gelände. Die Federn dämpfen zudem besser, was die
Nickbewegungen mindert. Auf festen Straßen erreichen die Fahrzeuge ebenfalls eine
höhere Dauer- und Höchstgeschwindigkeit.
Dies ist auch auf das bessere Leistungsgewicht zurückzuführen. Bei einem Gewicht
von unter 20 Tonnen baut man einen Maybach-Motor mit 265 PS ein.
Bei Arras steht der Wehrmacht auch der
PzKpfw 38 (t) in größerer Zahl zur Verfügung. Dieser leichte Panzer ist ebenfalls mit
Clausewitz 3/2021
Getriebe und
Antrieb vorne
Frontpanzerung 25 mm
einem 3,7-cm-Geschütz ausgestattet und damit geeignet, den PzKpfw III in den Panzerdivisionen zu ergänzen.
Zu Beginn des Frankreichfeldzuges im
Mai 1940 sind so drei der zehn deutschen
Panzerdivisionen mit den „Tschechen-Panzern“ ausgestattet. Zu Beginn der Kämpfe
im Westen verfügt auch Rommels 7. Panzerdivision über 91 PzKpfw 38 (t) sowie 24
PzKpfw IV. Hinzu kommen knapp 100
PzKpfw I und II mit geringem Kampfwert in
einer Panzerschlacht.
Der PzKpfw IV gilt zu dieser Zeit noch
als Unterstützungspanzer. Er ist nicht für
den direkten Kampf gegen Panzer vorgesehen. Seine kurzkalibrige 7,5-cm-Kampfwagenkanone ist nicht sehr treffsicher. Feindpanzer können im Notfall mit Explosivoder einfachen panzerbrechenden Geschossen bekämpft werden. Grundsätzlich ist der
Panzer technisch mit dem PzKpfw III vergleichbar. Das Fahrwerk ist einfacher ausgelegt. Auf jeder Seite sind acht kleine Laufrollen an Rollenwagen mit Blattfederpaketen montiert.
Andere Liga
Unter den Bedingungen der überraschend
entflammenden Schlacht um Arras ergibt
sich ein unklares Bild: Die angreifenden Briten und Franzosen scheinen waffentechnisch
überlegen zu sein. Doch wie kann Rommel
dem Gegner widerstehen und seine Attacke
abweisen?
Denn die Panzerung der britischen A11
und A12 (Matilda I und II) erweist sich als
nahezu unüberwindlich für die deutschen
Foto: Sammlung Anderson
Starke Panzerung
Große Laufrollen paarweise
blattgefedert
Panzerkanonen. Die 3,7-cm-Granaten prallen einfach ab, auch auf kürzeste Entfernung
ist es für die Panzer der 7. Panzerdivision
nicht möglich, die Briten-Panzer wirksam
zu bekämpfen. Auch können die Briten mit
dem 40-mm-Geschütz des Matilda II deutlich früher mit dem Wirkungsfeuer beginnen. Das gilt umso mehr für den französischen S-35, dessen 47-mm-Kanone in einer
anderen Liga spielt. Auch die alliierten Panzerjäger nutzen diese Kaliber und stellen somit eine erhebliche Gefahr für die offensiv
vorgehenden deutschen Panzer dar.
Rommels blaues Auge
Nachdem der britische Gegenschlag den
deutschen Vorstoß zeitweilig zum Halten
bringt, macht sich auf deutscher Seite in den
Führungskreisen Unruhe breit. Rommel
muss reagieren, um die kritische Situation
zu überwinden. Seine Panzer liegen weit
vorne, leicht westlich von Arras. Diese müssen angesichts der angreifenden Matildas
nun ausweichen. Gleichzeitig ist die eigene
Artillerie bedroht. In dieser Lage verlegt
man schwere 8,8-cm-Flugabwehrkanonen
nach vorne. Rommel und sein Adjutant
weisen den Kanonieren persönlich die Ziele
zu. In Zusammenarbeit mit der Divisionsartillerie gelingt es, den Vorstoß der schwer
gepanzerten britischen Panzer zusammenzuschießen. Der Panzerschock im Westen
endet so mit einem blauen Auge für die
deutschen Truppen.
Thomas Anderson, Jahrgang 1958, ist als
Freier Autor tätig.
33
KRIEGE, KRISEN & KONFLIKTE
|
WINTERKRIEG 1939/40
Der Winterkrieg 1939/40
WEISSER TOD UND ROTE FLUT
Ende 1939: Finnlands größter Albtraum wird wahr, als die Rote Armee das
Land überfällt. Hoffnungslos unterlegen, scheint das Schicksal des skandinavischen Landes besiegelt zu sein, als plötzlich etwas Erstaunliches geschieht:
Die sowjetische Offensive läuft sich unter hohen Verlusten fest
Von Stefan Krüger
34
GEGEN JEDE CHANCE: Die Finnen
kämpfen gut und effektiv – dass
der große Nachbar im Osten die
kleine Nation am Ende regelrecht
niederdrückt, ist keineswegs ehrenrührig: Die Skandinavier haben sich
mit Händen und Füßen gewehrt
und ihre Haut teuer zu Markte getragen
Abb.: picture alliance/ akg-images
orgfältig klopft Simo Häyhä den Schnee
vor seinem Deckungsloch fest. Verspielt
sieht das aus; er wirkt beinahe wie ein
Kind, das sich eine Schneeburg baut – wenn
da nicht das Scharfschützengewehr wäre.
Trotz der arktischen Kälte stopft er sich eine
Handvoll Schnee in den Mund. Nicht weil er
Durst hat, sondern um zu verhindern, dass
sein Atem kondensiert und verräterische
Wölkchen bildet wie eine Dampflok. Nun
heißt es warten, und zwar hochkonzentriert.
Er muss sich dabei auf seine guten Augen
verlassen, denn ein Zielfernrohr benutzt er
im Gegensatz zu vielen anderen Scharfschützen nicht. Das hat den Vorteil, dass er den
Kopf niedriger halten kann. Dann, nach vie-
S
Clausewitz 3/2021
len Stunden, blitzt es in der Ferne plötzlich
auf. Häyä lächelt grimmig. Das ist der zweite
Grund, warum er kein Fernrohr benutzt: Es
reflektiert das Sonnenlicht. Nun geht alles
ganz schnell. Er visiert über Kimme und
Korn, drückt ab und trifft. Sein Gegner, der
gefürchtete feindliche Scharfschütze, der bereits drei Kameraden auf dem Gewissen hat,
ist tot. Doch der Krieg geht weiter.
Finnischer Freiheitskampf
Wie so viele andere Übel aus der Zeit von
1939 bis 1945 reichen auch die Wurzeln des
Winterkrieges ziemlich genau 20 Jahre zurück
– bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs, als sich
Finnland für unabhängig erklärt.
Der Erste Weltkrieg sorgt zunächst für eine trügerische Ruhe im hohen Norden, bis
im November 1917 die Oktoberrevolution
das alte Regime in Russland hinwegfegt und
die Bolschewiki an die Macht bringt. Finnland, bislang ein Bestandteil des Zarenreiches, packt die Gelegenheit beim Schopf und
erklärt sich für unabhängig. Zu seinem großen Glück hat Sowjetrussland alle roten
Hände voll damit zu tun, die „Weißen“ zu
bekämpfen und akzeptiert Finnlands Selbstständigkeit – vorerst.
Dafür bricht im Inneren des Landes ein
Bürgerkrieg aus, als linke Kräfte einen Umsturzversuch unternehmen. Die „Weißen“
können den Aufstand jedoch niederschlagen
35
WINTERKRIEG 1939/40
KARTE
Finnland von 1939 bis 1947
und die finnischen Sozialisten nach Sowjetrussland scheuchen. Die Tatsache, dass Moskau die Rebellion unterstützt hat, belastet die
Beziehungen schwer. Aber auch die Finnen
tragen ihren Teil dazu bei, als bewaffnete Nationalisten die Grenze überschreiten, um Ostkarelien zu annektieren. Zwar kann Helsinki
seine allzu forschen Landsleute zurückrufen,
doch herrscht fortan eine Art Kalter Krieg
zwischen Finnland und der UdSSR.
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
36
Es mag erstaunlich klingen, doch ist es tatsächlich das kleine Finnland, das die besseren Karten in der Hand hält. Hinter dem
Winzling steht nämlich der größte Teil der
Weltgemeinschaft, während die Sowjetunion
mit Großbritannien, Deutschland, den USA
und Japan von potenziell feindlichen Staaten
umgeben ist, die scheinbar nur darauf warten, das sowjetische Experiment gewaltsam
zu beenden. Aus diesem Grund muss Stalin
seine expansiven Gelüste zügeln – noch.
Denn mit dem Molotow-Ribbentrop-Pakt
und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
verliert Finnland seine wichtigste Trumpfkarte und Moskau zögert keine Sekunde.
Ab dem 17. September 1939 marschiert
die Rote Armee in Ostpolen ein, während
Estland, Lettland und Litauen de facto ihre
Souveränität aufgeben und ihre Tore für die
Rotarmisten öffnen. Und nun ist Finnland an
der Reihe. Stalin geht es vor allem darum, das
strategische Vorfeld zu sichern – und praktischerweise ist dieses nahezu identisch mit
den Grenzen des alten Zarenreiches. Was
Finnland betrifft, möchte Moskau vor allem
Leningrad und den Zugang zur Ostsee sichern. Die sowjetischen Unterhändler fordern
Helsinki daher auf, die gemeinsame Grenze
auf der karelischen Landenge deutlich nach
Norden zu verschieben. Außerdem soll Finnland einen Teil seiner Ostsee-Inseln abtreten
und die Halbinsel Hanko für 30 Jahre an die
UdSSR verpachten. Besonders pikant: Die
Finnen sollen obendrein sämtliche Befestigungsanlagen auf der Landenge schleifen.
Helsinki lehnt ab und mobilisiert stattdessen seine Streitkräfte. Die finnische Führung
weiß, dass sie langfristig keine Chance hat,
der Roten Armee standzuhalten, doch gibt sie
sich der Illusion hin, dass es sich bei den sowjetischen Muskelspielen nur um einen Bluff
handelt. Hintergrund ist die Einsatzbereitschaft der Rotarmisten, die die Finnen als sehr
gering einschätzen, insbesondere seit den stalinistischen Säuberungen.
Am 26. November inszeniert Moskau einen Grenzzwischenfall, bei dem angeblich
vier sowjetische Soldaten ums Leben kommen. Ein „erboster“ Molotow verlangt, dass
sich Finnland entschuldigt – und dass es sei-
Bilder: picture alliance/akg-images, außer wenn anders angegeben
Stalin schlägt zu
Erdrückende Übermacht
ne Truppen um bis zu 30 Kilometer von der
Grenze zurücknimmt. Finnland indes bestreitet, für den Vorfall verantwortlich zu
sein, worauf Moskau zunächst den Nichtangriffspakt kündigt und am 28. November die
diplomatischen Beziehungen abbricht. Der
Krieg steht nun unmittelbar bevor.
David gegen Goliath
Die sowjetischen Strategen sind erstaunlich
optimistisch. So hoffen sie, dass der Krieg
kaum länger als zwei Wochen dauern wird.
Außerdem zerbrechen sie sich allen Ernstes
den Kopf darüber, was passiert, wenn die eigenen Soldaten zu weit nach Westen vorstoßen und aus Versehen die Grenze nach
Schweden überschreiten. Der schnelle Erfolg
in Ostpolen nur wenige Wochen zuvor
scheint ihnen Recht zu geben. Sie übersehen
jedoch, dass die Zeit des Großen Terrors
(1936–38) vor allem die Rote Armee schwer
getroffen hat – Stalin hat seine eigenen Streitkräfte schlichtweg enthauptet und was an
Generälen und Stabsoffizieren nachrückt, ist
ein Musterbeispiel für eine negative Auslese
innerhalb eines totalitären Systems.
Die Führungsmängel kollidieren zudem
sehr unglücklich mit dem zweiten großen
Problem des Finnland-Feldzuges: Das Land
ist für eine moderne Armee weitestgehend
unpassierbar. Entweder muss sie durch dichten Urwald marschieren oder durch unergründliche Sümpfe stapfen. Befestigte Wege
hingegen sucht man meist vergeblich. Es
Clausewitz 3/2021
scheint, als hätte man dieses Land gezielt „erschaffen, um eine angreifende Streitmacht zur
Verzweiflung zu bringen.“, wie ein zeitgenössischer Kriegskorrespondent schreibt. Lediglich die karelische Landenge, der direkte Weg
von Leningrad über Viipuri (Wyborg) nach
Helsinki, ist besser erschlossen. Und genau
hier setzen die Sowjets zum Hauptstoß an.
Ihre Offensivkräfte umfassen rund
425.000 Mann (in der Spitze sogar bis zu
760.000). Hinzu kommen 2.500 (später über
6.500) Panzer und 3.880 Flugzeuge. Diesem
NICHT GEGEN, SONDERN MIT DEM WETTER:
Die Finnen verwenden von Anfang an Skier und
weiße Schneeanzüge – etwas, das die Sowjets
später übernehmen. Außerdem verfügen die
Skandinavier über eine hervorragende Feindaufklärung (siehe dazu Clausewitz 2/2021)
Klotz stellen sich zirka 300.000 Finnen, 32
Panzer und 114 Flugzeuge entgegen.
Die Sowjets untergliedern ihre Kräfte in
vier Armeen, wobei die südlichste, die 7. Armee, den wichtigsten Auftrag erhält: Mit
TECHNIK IM DETAIL
Das Maschinengewehr 08
Ein MG 08 kann
über einen langen
Zeitraum zuverlässig mit hoher Geschwindigkeit auf
den Gegner feuern
Ein Nachteil ist das hohe Gewicht von 26 kg – mit Schlitten
und Lafette bis zu 60 kg. Beim
Nachfolgemodell 08/15 wird
das Gewicht auf 18 kg reduziert
Kaliber 7.92 x 57 mm
Mauser
Feuergeschwindigkeit von
bis zu 450 Schuss/Minute
Effektive
Schussweite
von 2.000
Metern und
mehr
Das MG 08
ist ein wassergekühlter
Rückstoßlader
Munitionsgurt für 250
Patronen
ALT, ABER ZUVERLÄSSIG: Dieses im Winterkrieg-Museum in Suomussalmi ausgestellte
Maxim MG 08 kommt im finnischen Krieg gegen die UdSSR zum Einsatz. Die bereits Ende
des 19. Jahrhunderts entwickelte Waffe gehörte zu den am häufigsten eingesetzten MG des
Ersten Weltkrieges
Abb.: picture alliance/akg-images/Sammlung Foedrowitz
37
WINTERKRIEG 1939/40
250.000 Mann soll sie die Mannerheim-Linie
durchbrechen und nach Viipuri vorstoßen.
Die 8. Armee wiederum hat die Aufgabe, die
7. zu unterstützen, indem sie nördlich des Ladogasees in den tiefen Rücken der Mannerheim-Linie eindringt. Die 9. Armee tritt zugleich in Zentralfinnland an, während die 14.
im äußersten Norden den Eismeerhafen von
Petsamo einnehmen soll. Die Operationen der
beiden letztgenannten Armeen sollen den
Gegner vor allem dazu verleiten, seine Kräfte
zu zersplittern. Außerdem verfolgt die 9. Armee das ambitionierte Ziel, Finnland wie mit
einer Sichel in zwei Hälften zu zerschneiden.
Wie vermag Finnland den russischen Bären zu stoppen? Die gemeinsame Grenze ist
viel zu lang und die Armee viel zu klein, als
dass die Finnen jeden Quadratmeter Taiga
verteidigen könnten. Den vorübergehenden
Verlust von Nord- und Mittelfinnland können sie zudem verkraften, nicht jedoch eine
Niederlage auf der karelischen Landenge.
Knacken die Sowjets die Mannerheim-Linie,
sind Viipuri und Helsinki kaum noch zu halten. Also konzentriert der finnische Oberbefehlshaber Carl Gustav Emil Mannerheim
das Gros seiner Kräfte in eben dieser Region
– insgesamt sechs Divisionen mit 130.000
Mann. Zwei weitere Divisionen sollen nördlich des Ladogasees Flanke und Rücken der
Mannerheim-Linie decken. In Zentral- und
Nordfinnland steht die sogenannte „Nordfinnland-Gruppe“, ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der den Vorstoß des Gegners nur verzögern soll.
Es ist jedoch nicht nur die quantitative
Unterlegenheit, die den Finnen zu schaffen
macht. Es fehlt darüber hinaus an schweren
Waffen, insbesondere eine moderne Panzerabwehr. Und selbst dort, wo sie vorhanden
NATÜRLICHES BOLLWERK: Die Finnen
sind den Sowjets an Truppen und Kampfgerät massiv unterlegen – aber sie nutzen
das sumpfige und waldige Terrain perfekt,
um den Gegner trotzdem aufzuhalten. Das
Bild zeigt finnische Frontsoldaten
während des Winterkrieges 1939/40
38
HINTERGRUND
Stalins Nemesis im Norden:
Carl Mannerheim
Der Abwehrkampf der Finnen ist untrennbar
mit dem Namen ihres Oberbefehlshabers
verbunden. Carl Gustav Emil Mannerheim kommt am 4. Juni 1867 als Sohn
einer begüterten Familie zur Welt, die
zur schwedischen Minderheit in Finnland gehört. Nach seinem Abitur macht
er rasch beim zaristischen Militär Karriere (Finnland gehörte bis 1917
zum Russischen Reich) und steigt
1911 gar zum Generalmajor
auf. Nach der Oktober-Revolution kehrt er nach Finnland zurück und übernimmt den Oberbefehl über die „weißen“
Truppen. Der Kampf gegen die
„Roten“ macht Mannerheim einerseits außerordentlich populär, andererseits leidet sein Ruf, als sich
herausstellt, wie brutal seine Männer teilweise mit gefangenen Gegnern umspringen – bis hin zum
Massenmord. Im Jahr 1919 übt
er für wenige Monate das Amt des
Reichsverwesers aus, ehe im Juli
die Präsidentschaftswahlen stattfinden, an denen er als Kandidat
teilnimmt. Mannerheim unterliegt jedoch seinem liberalen Herausforderer.
ist, wissen die Finnen kaum mit ihr umzugehen. Noch gravierender ist der Munitionsmangel. So reichen die Vorräte schätzungsweise für neun Tage, vielleicht auch für 16,
wenn die Männer nicht aus lauter Nervosität
auf jeden Feldhasen schießen. Glücklicher-
Als 1939 der Winterkrieg ausbricht, übernimmt der 72-Jährige den Oberbefehl. Ebenso im Jahr 1941, als Finnland an der
Seite Deutschlands in den Krieg gegen
die Sowjetunion eintritt. Zwar achtet
Mannerheim darauf, dass sich Finnland nicht zu sehr in den Russlandfeldzug verstrickt (Finnland beteiligt sich
beispielsweise nicht am Kampf
um Leningrad), dennoch gerät
das Land spätestens 1944
in den Mahlstrom des Krieges, als die Sowjetunion
auch im hohen Norden zu
Großoffensiven
ansetzt.
Mannerheim, der am 4. August 1944 zum Präsidenten gewählt wird, schließt
daher am 24. August einen
Waffenstillstand mit Stalin.
Er stirbt 1951.
DER PFAHL IN STALINS
NÖRDLICHER FLANKE:
Mannerheim gilt als
finnischer Nationalheld und
Retter des Vaterlandes
Fotos (2): picture alliance/akg-images
weise verwenden sie dieselben Gewehre wie
ihre sowjetischen Gegner, sodass sie immerhin deren Munition nutzen können.
Mit Baumstämmen gegen Panzer
Angesichts der krassen Unterlegenheit und
der gravierenden Rüstungsmängel ist klar,
dass die finnische Verteidigung erheblich
von der Mannerheim-Linie abhängt.
Die sowjetische Propaganda stilisierte diese später zu einem atemberaubenden Wunderwerk aus Stahl und Beton, sozusagen die
Maginot-Linie Skandinaviens – nichts könnte
von der Wahrheit weiter entfernt sein. Die
nach dem finnischen Oberbefehlshaber benannte Stellung besteht zumeist nur aus
Laufgräben und Unterständen, die die Finnen mit Holzstämmen verstärkt haben. Lediglich im Raum Viipuri, dem wichtigsten
Abschnitt, finden sich Stahlbetonbunker, jedoch nur alle 1.000 Meter.
Für die Sowjets gerät indes bereits der
Vormarsch zu einer einzigen Quälerei, und
es dauert bis zum 16. Dezember, ehe der
Sturm auf die Mannerheim-Linie beginnt.
Die Rote Armee schlägt gleichzeitig im Osten der Landenge bei Taipale und im Westen
bei Summa zu, doch verebben die Vorstöße
Finnen im Vorteil
VORSICHTIGES VORRÜCKEN: Rotarmisten durchqueren 1939 einen finnischen
Wald – überall können die tödlichen Scharfschützen des Gegners lauern: Männer wie
Simo Häyhä
Abb.: akg-images/Archive Photos
RUSTIKAL, ABER EFFEKTIV: Die Finnen versuchen mit ihren begrenzten Mitteln das
Möglichste, um die übermächtige Rote Armee aufzuhalten – in einfachen Lauf- und
Schützengräben (wie die hier in Joensuu restaurierten) stellen sie sich mutig zum Kampf
Abb.: akg-images/Jürgen Sorges
rasch im Abwehrfeuer der Finnen. Lediglich
am 19. Dezember brechen rund zwei Dutzend Panzer in einem Sumpfgebiet nahe
Summa durch. Die Finnen reagieren darauf
genauso wie die deutschen Soldaten im Ersten Weltkrieg: Sie lassen die Panzer unbehelligt an ihren Stellungen vorbeirollen und
schlagen anschließend den Infanterieangriff
ab, bevor sie sich die Tanks vornehmen –
und zwar mit denkbar rustikalen Mitteln. So
rammen die Finnen Baumstämme in die
Laufwerke, um diese zu blockieren. Ferner
schleudern sie mit Benzin und hochprozentigem Alkohol gefüllte Flaschen auf die
Kampfwagen – eine Methode, die sich als erstaunlich effektiv erweist. Um ihn zu verhöhnen, benennen die Finnen ihre Brandsätze nach dem sowjetischen Außenminister:
Molotov-Cocktail.
Davon unbeeindruckt peitschen die politischen Kommissare ihre Soldaten immer
wieder nach vorne – jedes Mal mit demselben Ergebnis. Irgendwann sind es sogar die
hartgesottenen Rotarmisten leid, sich wie
Schlachtvieh zum Metzger führen zu lassen,
und verweigern teilweise die Befehle. Die
Führung erkennt, dass es so nicht weitergeht, und stellt ihre Attacken am 22. Dezember ein – zumindest vorläufig.
Tausend Nadelstiche
Die Finnen atmen auf – und werden übermütig. Nur einen Tag später treten sie bei Summa
zum Gegenstoß an, in der Hoffnung, gleich
drei sowjetische Divisionen einkesseln zu
können. Das ist reichlich ambitioniert angesichts der mangelhaften Ausrüstung und die
Finnen scheitern rasch. Den vergeblichen Versuch bezahlen 1.300 Mann mit dem Leben.
Seinen Abwehrerfolg im Süden kann
Mannerheim jedoch nur erringen, indem er
die anderen Fronten entblößt. Was das bedeutet, bekommen die beiden einsamen finClausewitz 3/2021
Womit Mannerheim allerdings nicht genischen Divisionen nördlich des Ladogasees
zu spüren, als plötzlich die gesamte 8. sowje- rechnet hat, ist der Aufmarsch der 9. Armee
tische Armee anrollt, die den Finnen dreifach in Zentralfinnland. Die erste Etappe des
überlegen ist (hinsichtlich der Artillerie sogar Großverbandes, die den Auftrag hat, Finnfünffach). Die Verteidiger geraten angesichts land in zwei Teile zu spalten, ist die Kleinder Übermacht in Panik und ziehen sich has- stadt Suomussalmi. Zwei sowjetische Divitig zurück. Rasch wechselt Mannerheim den sionen stapfen über die schlechte Straße gen
verantwortlichen Befehlshaber aus, doch Westen, während ihnen die Finnen anfangs
kann auch der neue keine zusätzlichen Kräfte lediglich „lokale Kräfte“, im Grunde reine
herbeizaubern. Halt finden die Skandinavier Bürgersoldaten, entgegenwerfen. Diese vererst auf einem Höhenzug nahe des Flusses halten sich jedoch sehr geschickt und bloKollaa. Eisern wehren die Finnen sämtliche ckieren zunächst die Vormarschstraße, um
Angriffe ab – „Kollaa hält“ wird rasch zu ei- Zeit zu schinden. Denn weiter im Westen hat
nem geflügelten Wort. Dass sich
der sowjetische Stoß festfrisst, ist
auch einem einzelnen Scharfschüt„Die Überlebenden pflegten scherzhaft
zen zu verdanken: Bis zu 500 Rotarmisten soll Simo Häyhä in diezu sagen, dass das Land, das wir den Finnen
sem Bereich erschossen haben. Auf
nahmen, gerade ausreichte, um unsere
die Frage, was er denn gefühlt hawährend des Feldzugs gefallenen Offiziere
be, wenn er abdrückte und einen
und Soldaten zu begraben.“
sowjetischen Soldaten tötete, antwortete er: „Den Rückstoß.”
Ein sowjetischer Offizier nach dem Krieg
Die Rote Armee hat in dieser
nur schlecht erschlossenen Region
große Probleme, vorwärts zu kommen. Die Finnen hingegen nutzen ihre Orts- Mannerheim noch die 9. Division unter
kenntnis und ein denkbar einfaches Mittel, Oberst Hjalmar Siilasvuo in Reserve, die er
um mobil zu bleiben: Skier. Sie verharren da- nun eilig nach vorne beordert.
Siilasvuo denkt jedoch nicht daran, sich eiher nicht in ihren Stellungen, sondern umgehen einzelne sowjetische Verbände und Ein- nen wüsten Stellungskrieg mit dem Angreifer
heiten, schließen diese ein und reiben sie im zu liefern. Vielmehr umgeht er den Feind und
günstigsten Fall auf. Den Rotarmisten wird blockiert das andere Ende der Vormarschstrahierbei auch die Tatsache zum Verhängnis, ße – die sowjetischen Divisionen sitzen in der
dass sie im Gegensatz zu den Finnen keine Falle. Die Finnen spalten die sowjetischen
Wintertarn-Uniformen besitzen. Und nicht Kräfte sodann in mehrere Teilkessel auf und
minder überrascht es die Finnen, dass die zertrümmern diese nacheinander. Am Ende
Sowjets, sobald sie eingekesselt sind, keine hat die UdSSR bis zu 9.000 Tote zu beklagen,
Anstalten treffen, auszubrechen. Vielmehr Finnland rund 400. Außerdem erbeuten die
igeln sie sich ein und hoffen auf Entsatztrup- Verteidiger unzählige Mengen an Kriegsmapen. Ende Dezember hat die Rote Armee terial, darunter sogar Panzer und Geschütze
schließlich genug und zieht sich nach hohen – es ist der größte Sieg, den die finnische Armee in diesem Krieg erringt.
Verlusten aus dieser Region zurück.
39
WINTERKRIEG 1939/40
ÜBERROLLT: Kurz vor dem Friedensschluss erobert
die Rote Armee (7. Armee) noch am 12. März 1940
Viipuri – damals immerhin die zweitgrößte Stadt
Finnlands. Die gesamte Zivilbevölkerung wurde vorher von den Finnen evakuiert Abb.: picture-alliance/akg-images
Einen Teilerfolg kann die Rote Armee lediglich im fernen Lappland verbuchen, als
Petsamo samt dem wichtigen Eismeerhafen
in sowjetische Hände fällt. Der weitere Vormarsch verebbt jedoch in der nahezu ewigen
Nacht des lappländischen Winters mitsamt
seinen arktischen Temperaturen.
Damit ist das Debakel für die Rote Armee
nahezu perfekt: Sie hat kaum eines ihrer
Operationsziele erreicht, dafür aber enorme
Verluste verkraften müssen.
Stalin reagiert und stopft die karelische
Landenge mit Soldaten, Panzern und Artillerie voll – bis zu 600.000 Mann zählen die sowjetischen Streitkräfte Ende Januar 1940 in die-
KAMPF UM KARELIEN: Im Fortsetzungskrieg steht Mannerheim an
der Seite Hitlers. Im Hintergrund ist
Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel
zu sehen
Abb.: picture-alliance/akg-images
40
sem Abschnitt. Um dieser Masse organisatorisch Herr zu werden, stellen die Sowjets mit
der 13. Armee einen neuen Großverband auf,
der sich östlich an die 7. anschließt.
Die Großoffensive beginnt am 1. Februar.
Insgesamt 3.137 Geschütze hämmern 24
Stunden auf die Mannerheim-Linie ein und
verfeuern rund 300.000 Granaten. Und als
wäre dies nicht genug, werfen auch noch gut
1.300 Kampfflugzeuge kontinuierlich ihre
tödliche Last über den Finnen ab. Dennoch
halten die Verteidiger stand. Die Sowjets rücken in enger Formation vor und nehmen
hohe Verluste in Kauf, die Stalin jedoch ohne
Weiteres verkraften kann. Für die Finnen
hingegen wird die Lage allmählich dramatisch. Ihre Stellungen zerbröseln unter dem
Dauerbeschuss, Ersatz für die Toten und Verwundeten kommt so gut wie gar nicht und
die Artillerie hat sich nahezu verschossen
und greift nur noch im äußersten Notfall ein.
Am 10. Februar ist es schließlich soweit:
Die Sowjets brechen im Westen bei Summa
durch, sodass Mannerheim einen allgemeinen Rückzug des II. Korps anordnet. Lediglich das I. Korps im Osten hält noch stand.
Ohne Reserven und ausreichend Munition
ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finnen kollabieren. Die Hilferufe des kleinen
Landes verhallen indes ungehört. Lediglich
Schweden entsendet Freiwillige und hilft mit
Waffen und sonstigem Nachschub. Einen offenen Kriegseintritt wagen die Schweden jedoch nicht. Einziger Lichtblick scheinen
Großbritannien und Frankreich zu sein, die
anbieten, mehrere Zehntausend Mann nach
Skandinavien zu entsenden. Dabei handelt es
sich jedoch um ein Danaergeschenk: Den Alliierten, die sich mittlerweile im Krieg mit
Deutschland befinden, geht es vor allem darum, Deutschland von den Erzgruben in
Nordskandinavien abzuschneiden. Berlin ist
sich dieser Gefahr sehr wohl bewusst – und
droht den Schweden unverhohlen mit Krieg,
falls Stockholm den Alliierten den Durchmarsch erlaubt. Die Schweden knicken ein.
Reformen für die Rote Armee
Als dieser letzte Hoffnungsschimmer endgültig verlischt, bitten die Finnen um Waffenstillstand. Am 8. März eilt eine finnische
Delegation nach Moskau, die jedoch entsetzt feststellen muss, dass die Sowjets inzwischen ihre Forderungen erhöht haben.
Die Finnen haben jedoch keine Wahl, der
Zusammenbruch ihrer Armee steht unmittelbar bevor. Der Frieden tritt schließlich am
13. März in Kraft. Finnland verliert dabei
große Teile seines Territoriums und insgesamt zehn Prozent seiner Industrie. Zudem
hat Finnland 25.900 Tote und 43.500 Verwundete zu beklagen. Die sowjetischen Verluste
sind umstritten. Sie dürften jedoch zwischen
320.000 und 381.000 Tote und Verwundete
betragen. Darüber hinaus muss die UdSSR
nahezu jeden zweiten eingesetzten Panzer,
maximal 3.500, abschreiben.
Viel gravierender sind jedoch die Folgen
für den deutsch-sowjetischen Krieg. Denn
Moskau lernt aus seinen Fehlern und beseitigt
rigoros einige der größten Mängel, insbesondere beim Offizierskorps. Fest steht: Ohne
diese Reformen hätte es die Rote Armee 1941
wesentlich schwerer gehabt. Insofern kann
man sagen, dass die UdSSR ihr Schwert in
Finnland geschmiedet hat.
Stefan Krüger, Jg. 1982, Historiker aus Dasing.
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CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT
KEIN JAMES BOND: Die
Hauptunterschiede zu Ian
Flemmings martinitrinkendem Geheimagenten: Hunt
ist Amerikaner und es gibt
ihn wirklich. Und: Bond ist
ein Gentleman, Hunt ist
weitaus skrupelloser
Abb.: Archiv Clausewitz
2007:
Die Memoiren von Amerikas
bekanntestem Geheimagenten
erscheinen kurz nach dessen Tod.
Darin beschuldigt er den
ehemaligen Präsidenten
Lyndon B. Johnson, am Attentat
an John F. Kennedy beteiligt
gewesen zu sein. Hunt hat
allerdings selber alles andere
als eine weiße Weste
Von Maximilian Bunk
Der CIA-Agent everette HowArD Hunt
Ein Leben am Limit
42
Die wichtigsten Daten auf einen Blick
nisternd kommt die Stimme von James
McCord, dem Beobachtungposten im
Hoard Johnson Motel in der Virginia
Avenue, aus dem Funkgerät: „Tragen einige
unserer Leute eigentlich Hippie-Klamotten?“
E. Howard Hunt und sein Kollege Gordon Liddy sehen sich zunächst verblüfft an,
dann antwortet letzterer ungehalten: „Natürlich nicht – unsere Jungs tragen ordentliche Geschäftsanzüge. Was soll die dämliche
Frage?“
„Nun, da rennen ein paar Leute im sechsten Stock rum, einer davon trägt einen
Cowboyhut, ein anderer ein Sweatshirt –
und außerdem ist das Licht an …“, antwortet
McCord.
Hunt steht der Schweiß auf der Stirn, als
er zu Liddy sagt: „Verdammt, das sind Cops!
Wir müssen unsere Leute schnellstmöglich
aus dem Watergate-Hotel rausholen!“
Doch dazu ist es bereits zu spät. Die vermeintlichen Hippies sind tatsächlich Polizisten in Zivil, und Hunts Einbruchs-Team ist
beim Einstieg in die Büros des Democratic
National Committees überrascht worden.
Jetzt geht es nur noch darum, den Schaden
zu begrenzen und die Spuren zu verwischen:
Liddy setzt sich ab und Hunt teilt McCord
mit, dies ebenfalls zu tun – und auch das
Überwachungsequipment aus dem Motel
verschwinden zu lassen. Er selbst fährt direkt ins Weiße Haus, um seine verhafteten
Leute wieder freizubekommen. Es ist der
frühe Morgen des 17. Juni 1972 – und der Beginn des Skandals, der weltweit als die „Watergate-Affäre“ Schlagzeilen machen wird.
Für Hunt hingegen ist die Verwicklung darin
der Anfang vom Ende einer langen Spionagekarriere, die so unglaublich ist, dass sie eigentlich nur wahr sein kann …
K
Oktober 1918: Geburt im US-Bundesstaat New York
1940: Eintritt in die U.S. Navy (Reserve)
Februar 1942: Eintritt in die U.S. Naval Academy, Dienst auf dem Zerstörer Mayo
1942: Beginn der Schriftsteller-Karriere – Hunt schreibt insgesamt über 70 Bücher
Oktober 1949: Eintritt in die CIA
1954: Staatsstreich in Guatemala
April 1961: Invasion in der Schweinebucht, Kuba
22. November 1963: Kennedy-Attentat in Dallas
Mai 1970: Hunt verlässt die CIA und arbeitet ab 1971 für das Weiße Haus
17.6.1972: Beginn der Watergate-Affäre
23.01.2007: Tod durch Lungenentzündung
Mai 2007: Veröffentlichung der Memoiren
tos sind sein erster Ausflug in die Welt der
Spionage. Vom Ausbruch des Krieges erfährt Hunt, als er gerade in Harry’s New
York Bar in Paris ein Bier trinkt. Er meldet
sich schnurstracks zur Reserve der U.S.
Navy und wechselt kurz darauf an die Naval Academy in Annapolis, wo er einen
Schnellkurs in Navigation und See-Artillerie
erhält – das nächtliche Lesepensum beträgt
über 400 Seiten.
Hunt dient als Assistant first Lieutenant
auf dem Zerstörer Mayo im Atlantik, wo das
Schiff im Begleitschutz gegen deutsche UBoote kämpft. Wegen eines Unfalles – Hunt
Bescheidener Beginn
Zur Welt kommt Hunt 1918 in einem unauffälligen Einfamilienhaus in einem ebenso
unscheinbaren Vorort von Buffalo. Er verlebt
eine typisch amerikanische Jugend der oberen Mittelschicht und schreibt sich im Sommer 1936 – er spricht beinahe fließend Latein
– in die Brown University ein, um Philosophie zu studieren. Während einer Schiffsreise mit Kommilitonen entlang der Küste Norwegens hat er die Möglichkeit, einen deutschen Zerstörer zu besichtigen: Hunt macht
an Bord heimlich Aufnahmen und stellt sie
1942 der U.S. Navy zur Verfügung. Diese Fo-
Clausewitz 3/2021
fällt während eines Angriffes bei starkem
Wellengang von den überfrorenen Stufen einer Leiter aufs Deck – muss er die Marine
verlassen und hat nun Zeit, seinen ersten Roman zu schreiben, der ein fiktionalisierter
Tatsachenbericht seines Kriegseinsatzes ist.
Die Verkaufszahlen sind zwar mager, aber
das Buch bringt Hunt immerhin einen Job
als Mitarbeiter eines Filmstudios ein, das
Trainingsfilme für die Navy herstellt.
Bis zum Sommer 1943 verdingt er sich
dann als Kriegsberichterstatter für das Life
Magazine auf dem asiatischen Kriegsschauplatz – und betätigt sich dort als Journalist
nicht nur aktiv an Bombereinsäten (als MGSchütze, was ein krasser Verstoß gegen die
Genfer Konventionen ist), sondern lernt auch
das Fliegen. Hunt erkrankt kurzzeitig an Malaria, befindet sich ansonsten aber meist im
durch hochprozentige Cocktails verursachten
Vollrausch. Den Rest des Krieges verbringt er
bei der Army Air Force als Intelligence Officer
– bis er eines Tages davon erfährt, dass Rekruten gesucht werden, um eine spezielle
Ausbildung für den Kampf hinter feindlichen
Linien zu durchlaufen. Hunt ist sofort fasziniert und meldet sich beim Office of Strategic
Services (OSS), der Vorläuferorganisation der
CIA. Mit dieser Entscheidung beginnt seine
eigentliche Spionagekarriere.
Geheimkrieg in Guatemala
MITVERSCHWÖRER: Gordon Liddy, kurz
nach dem Watergate-Ermittlungsverfahren.
Hunt hält viel von Liddy, mit dem er oft zusammenarbeitet. Er gilt als hitzköpfiger
Abb.: picture-alliance/dpa
„Mann der Tat“
Nach dem Krieg ist Hunt zunächst in China
stationiert, wo er Dorothy Wetzel kennenlernt und heiratet. 1949 richtet er das erste
CIA-Auslandsbüro ein – und zwar in Mexico
City. Lateinamerika wird das erste „Schlachtfeld“, auf dem Hunt als CIA-Agent handfest
in die lokale Politik eingreift: Er arbeitet eng
mit Anastasio Somoza, dem Präsidenten Nicaraguas, zusammen und ist außerdem in
43
CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT
GLÜCKLICHER CASTRO:
Die CIA schickt LSD-Zigarren, Mafiakiller und sogar
Jesus Christus gegen den
kubanischen Diktator ins
Feld. Doch der hat gut lachen: Er entgeht sämtlichen
Attentatsversuchen
Abb.: picture-alliance/Sven Simon
verdeckte Operationen in Guatemala gegen
den prokommunistischen Präsidenten Jacobo Arbenz verwickelt. Letzteres wird zu einer Art Blaupause moralisch höchst fragwürdiger CIA-Aktionen, nämlich der mehr
oder weniger gewaltsamen Beseitigung unliebsamer Politiker.
Diese „black operations“ hängen wie ein
dunkler Schatten bis heute über der „Company” und repräsentieren die hässliche Fratze vieler Geheimdienste. Die CIA initiiert eine Propagandakampagne gegen Arbenz,
ebenfalls ein gern genutztes Mittel der Mas-
senmanipulation durch gezielte Desinformation. Bedenken, etwa welches Recht
Amerika hat, eine gewählte Regierung zu
stürzen, fegen die Verantwortlichen regelmäßig mit folgendem Argument vom Tisch:
Die Sowjets manipulieren genauso – wenn
wir „deren“ Politiker zulassen, dann entsteht in Südamerika ein gefährlicher kommunistischer Brückenkopf direkt vor unserer Haustür. Das Geheimdienstgeschäft ist
eben ein schmutziges und zynisches und alle Seiten spielen mit gezinkten Karten und
nutzen schmutzige Tricks.
In Guatemala jedenfalls zieht Hunt alle
Register der dunklen Propagandakunst: Antikommunistische Pamphlete werden gedruckt und an die Bevölkerung verteilt, Propagandafilme gedreht und bei freiem Eintritt
in den Kinos gezeigt, eine CIA-Radiostation
in den Bergen betrieben („Voice of Liberation“) und gefälschte Bilder in Umlauf gebracht, die die vermeintlichen Gräueltaten
des Arbenz-Regimes belegen sollen.
In Nicaragua wird hingegen eine Rebellenarmee logistisch und finanziell unterstützt. Carlos Castillo erhält von An-
HINTERGRUND
Der Zweck heiligt die Mittel: die CIA
Die Central Investigation Agency entsteht
1947 als Nachfolgerin des OSS und bekämpft während des Kalten Krieges die
UdSSR auf dem Schlachtfeld der verdeckten
Operationen. Dazu gehört die finanzielle Unterstützung von Antikommunisten – egal, ob
es sich dabei um Verlage, Parteien, Guerillas
oder südamerikanische Diktatoren handelt.
Zur psychologischen Kriegführung gehören
Desinformation und Propaganda – dabei
wird die Lüge meist in einem Meer aus Wahrheit versteckt. Journalisten werden bestochen und auf dem Höhepunkt des Kalten
Krieges platziert die CIA täglich rund 80 Mel-
44
dungen in den globalen Medien! Bücher von CIA-kritischen
Autoren werden gezielt schlecht
rezensiert und die Sowjetunion
(später andere Gegner) mit großem
medialem Aufwand diskreditiert. So
wird nach dem JFK-Attentat der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ in Umlauf gebracht,
um all jene medial zu brandmarken, die unangenehme Fragen stellen – also jeder, der
nicht an die Oswald-Einzeltäterthese glaubt.
Auch auf die Wirtschaft nimmt die CIA Einfluss, etwa in Chile gegen Präsident Allende:
Angezettelte Streiks von Lkw-Fahrern sollen
das Regime ins Chaos stürzen. Außerdem fälscht die
CIA Banknoten und sabotiert
die Infrastruktur, heute kommt
noch der Cyberkrieg hinzu. Aber
auch vor Attentaten schreckt man
nicht zurück: Im Kalten Krieg gibt es eine
Spezialabteilung dafür, den sogenannten
„Gesundheits-Veränderungsausschuss“ (das
KGB-Gegenstück heißt „Abteilung für feuchte Angelegenheiten“). Ein besonders düsteres Kapitel sind Sidney Gottlieb und das Projekt MK ULTRA, in dem die CIA unter anderem mit LSD experimentiert.
Abb.: picture-alliance/dpa
Die CIA will Castros Kopf
fang bis Mitte 1954 zirka 20 Millionen US-Dollar von der CIA für seine Truppe. Im Juni 1954
wirft ein Flugzeug Zettel über ganz Guatemala ab, in denen die USA Arbenz unverhohlen ein Ultimatum stellen: Entweder er dankt
ab – oder sein Land wird mit einem Bombenteppich überzogen. Um zu zeigen, dass man
es ernst meint, werden für eine Woche Häfen,
Flugplätze und militärische Infrastruktur bombardiert. Der CIA-eigene Radiosender kommentiert
das Ganze entsprechend und unterfüttert die Aktionen mit dem
notwendigen Narrativ – man
muss den Menschen schließlich
erklären, dass dies zu ihrem eigenen Besten geschieht.
Um die Schlinge weiter zuzuziehen, kommen jetzt auch Aktionen am Boden hinzu: Castillos
Rebellenarmee marschiert in
Guatemala ein. Obwohl die Invasoren zahlenmäßig unterlegen sind, kann
Hunt und seine „Voice of Liberation“ den
Verteidigern abermals einen Bären aufbinden: Er setzt überzeugend das Gerücht in die
Welt, zwei riesige Armeen würden sich unaufhaltsam auf die Kapitale, GuatemalaStadt, zubewegen. Um auf Nummer sicher
zu gehen, besticht man außerdem hohe Militärs – ein Offizier soll 60.000 US-Dollar erhalten haben, damit seine Soldaten kapitulieren. Der hohe Einsatz zahlt sich politisch
für die USA aus: Arbenz tritt zurück und die
Amerikaner bekommen „ihren“ Kandidaten
an die Macht: Carlos Castillo.
gar die Mafia beauftragen, einen ihrer Killer
zu schicken – doch selbst diese Profis scheitern. Welche kafkaesken Auswüchse die
CIA-Gehirne hervorzubringen vermögen,
demonstriert die Operation „elimination by
illumination“: Das Gerücht soll verbreitet
werden, Castro sei der Antichrist und Jesus
würde kommen, um ihn zu stürzen.
einer importierten Rebellion das herbeigeführt werden, was Gift und Auftragskiller
nicht schaffen. Doch auch die Invasion in der
Schweinebucht an der Südküste Kubas im
April 1961 scheitert grandios. Von den von
der CIA unterstützten 1.500 Exilkubanern,
die Fidel Castros Regime stürzen sollen, geraten 1.200 in Gefangenschaft. Die Sieger
können ihren Erfolg noch
dadurch krönen, dass sie
diese Gefangenen Ende
1962 gegen Waffenlieferungen im Wert von 52 Millionen Dollar wieder in die
USA zurückkehren lassen.
Hunt ist daran beteiligt, die
Invasion vorzubereiten, was
sicher kein Ruhmesblatt für
Präsident Nixon über seinen
ihn ist. Der Erfolg von Guaehemaligen Mitarbeiter
temala lässt sich jedenfalls
auf Kuba nicht wiederholen, Castro ist eine härtere
Von einem U-Boot aus will man dann Nuss als Arbenz.
Leuchtkugeln verschießen und eine JesusProjektion an den Himmel strahlen, um so Was geschah in Dallas?
einen Aufstand loszutreten. In letzter Minute Wenn die Schweinebucht für die USA ein
bläst die CIA diese absurde Schmierenkomö- peinlicher Zwischenfall ist, so kommt die Erdie ab. Dann, so die Planer, muss eben hand- mordung von Präsident John F. Kennedy
fest und ganz klassisch mit Bewaffneten und 1963 in Dallas einer Katastrophe gleich –
„Dieser Hunt
weiß verdammt
noch mal
zu viel!“
Das Kubakomplott
1959 treibt sich der „Südamerika-Experte“
Hunt auf Kuba herum und soll vor Ort prüfen, ob Fidel Castro ein Sicherheitsrisiko darstellt. Der Agent kommt wenig überraschend zu dem Fazit: „Ja, tut er.“ Er schreibt
einen entsprechenden Report und in Amerika kommt man zu dem Schluss, dass Castro
beseitigt werden müsse. Man kann zwar viel
von der CIA behaupten, jedoch nicht, dass
sie fantasielos wäre: Castros Zigarren werden mit Kobragift und LSD präpariert, sein
Taucheranzug vergiftet und mittels eines
Enthaarungspuders soll er seines charismatischen Bartes beraubt werden – aber es hilft
alles nichts, dem „Líder Máximo“ ist nicht
beizukommen. Vermutlich hält der KGB seine schützende Hand über ihn, über sämtliche Attentatspläne weiß man Bescheid. Die
Amerikaner sind so verzweifelt, dass sie so-
Clausewitz 3/2021
EXILKUBANER GEGEN CASTRO: Präsident Kennedy genehmigt die Invasion Kubas, auch,
um der Mafia (die ihn mit an die Macht gebracht hat) einen Gefallen zu tun. Die Gangster haben noch eine Rechnung mit Castro offen: Er hat ihre Spielcasinos und Immobilien verstaatlicht. Die CIA übernimmt Planung und Training der Rebellen Abb.: picture-alliance/United Archives/TopFoto
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CIA-AGENT EVERETTE HOWARD HUNT
KURZ VOR DEN TÖDLICHEN SCHÜSSEN: Kennedy, seine Frau und der
Gouverneur von Texas in der offenen Lincoln-Limousine, Minuten vor
dem Attentat. Wer feuerte? Nur Oswald? Oder gib es einen zweiten
Schützen?
Abb.: picture alliance/REUTERS
nicht nur Amerika, fast die ganze Welt ist geschockt. Offiziell wird schnell der Einzeltäter
Lee Harvey Oswald präsentiert, ein Spinner
mit Kontakten in die UdSSR.
Doch die Hintergründe des Attentates
bleiben dunkel und sind bis heute Gegenstand von Spekulationen: Warum gibt es zum
Beispiel keine Verhörprotokolle? Angeblich
hatten die Vernehmungsspezialisten während der mehrstündigen Befragung weder
ein Tonbandgerät noch einen Stenografen zur
Hand. Und warum wurde Oswald bereits
zwei Tage nach dem Attentat ermordet – von
dem Mafioso und Nachtclubbesitzer Jack Ruby? Auch die CIA und Hunt kommen immer
wieder ins Fadenkreuz der Ermittler und
TATORT: Der Watergate-Komplex in
Washington. Watergate
hat die Nation kollektiv traumatisiert. Hunt
fällt dabei tief: Er verliert Frau und Haus,
seine gut bezahlten
Positionen und Beratertätigkeiten – und endet
zunächst in Einzelhaft
in einem „dreckigen,
rattenverseuchten
Gefängnis“, wie er
selbst schreibt
Abb.: picture-alliance/dpa
46
DIE „MAGISCHE KUGEL“: Die tödliche Kugel kommt von vorne,
Oswald aber schießt von hinten. Szenenbild aus Oliver Stones
Film JFK – Tatort Dallas (1991), in Stones Nixon (1995) wird
Hunt von Ed Harris gespielt
Abb.: picture alliance
Journalisten. Gerüchte, die Hunt an der Verschwörung gegen den eigenen Präsidenten
beteiligt wissen wollen, kommen schnell auf.
Später, nach Watergate, behauptet Hunt, es
gäbe Dokumente, die eine Verwicklung von
CIA und FBI in den Mordanschlag beweisen
würden. Es ist der Aufklärung wenig dienlich, dass die CIA bis heute wichtige Akten –
darunter die von Hunt und William K. Harvey – unter Verschluss hält.
Welche Motive der oder die Attentäter
hatten, ist schwer zu beantworten, da man
dazu erst den Schuldigen kennen müsste.
Zur Auswahl stehen: die Kubaner, die Mafia,
der Ku-Klux-Klan, Geheimdienste (inklusive
der CIA) und Politiker wie der spätere Präsi-
dent Johnson – oder eine beliebige Kombination aus diesen. Auf dem Sterbebett soll
Hunt eine Art Beichte abgelegt und zugegeben haben, dass es sich in Dallas um ein Geheimdienstkomplott gehandelt habe …
Denunziation & Desinformation
Im Jahr 1970 verlässt Hunt die CIA, doch der
Agent will sich noch nicht zur Ruhe setzen
und Orchideen züchten. Etwa ein Jahr nach
seinem Abschied arbeitet er für das Weiße
Haus, genauer gesagt für das Executive Office of the President, einer Behörde, die dem
Präsidenten (in Hunts Fall ist das Richard
Nixon) zuarbeitet und exekutive Aufgaben
wahrnimmt – also genau das Richtige für
den ehemaligen Ränkeschmied.
Zusammen mit Gordon Liddy ist er in der
Abteilung „Special Investigators Group“
(SIG), die meist als „Klempner“ bezeichnet
wird, da es ihr Job ist, die undichten Stellen
in der Nixon-Administration zu finden und
zu „stopfen“. Dazu gehören auch Einbrüche
und das Entsorgen von belastendem Material. Als zum Beispiel 1972 Arthur Bremer
während einer Wahlkampfveranstaltung einen Attentatsversuch auf den demokratischen Präsidentschaftskandidaten George
Wallace unternimmt, ist Nixon schockiert –
er hat Angst, dass man Bremer mit der Republikanischen Partei, also ihn, in Verbindung bringen könnte: schlechte Presse, mitten im Wahlkampf. Hunt wird beauftragt, in
Bremers Apartment einzubrechen und alles
verschwinden zu lassen, was einen Zusam-
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menhang zwischen dem Attentäter und Nixon herstellt. In seiner Autobiographie Undercover schreibt Hunt allerdings, dass er
sich geweigert hat, diesen Job auszuführen.
Ob es nun Hunt ist oder ein anderer SIGMitarbeiter: Aus Bremers Wohnung verschwinden Papiere und ob die, die das FBI
später findet, schon vorher dort waren, ist
unklar. Eine spätere Analyse von Hunts
Schriften legt aber den Verdacht nahe, dass
er in Wirklichkeit Bremers vermeintliches
Tagebuch verfasst hat, um dem Anschlag ein
anderes Narrativ zu geben.
Ein weiteres Beispiel für die SIG-Aktivitäten ist der „Fall Ellsberg“. Daniel Ellsberg
hat als ehemaliger Mitarbeiter der McNamara Study Group Einblicke in politisch höchst
brisantes Material (die später sogenannten
„Pentagon Papers“) – und er gibt es an die
Presse weiter, die ab Juni 1973 Teile davon
veröffentlicht. Darunter ist Kennedys Provokationsstrategie, die letztendlich zum Tonkin-Zwischenfall führt und Lyndon B. Johnson den gewünschten Anlass für den Krieg
in Vietnam liefert. Hunt und Liddy brechen
bei einem Psychiater ein, bei dem Ellsberg in
Behandlung war. Sie sollen dort Material
entwenden, welches die Glaubwürdigkeit
des Whistleblowers untergräbt und ihn im
besten Fall vor der Öffentlichkeit als einen
paranoiden Irren hinstellt. Hunt ist nach wie
vor an den dreckigen Spielen Washingtons
beteiligt, auch wenn er keinen Dienstausweis der CIA mehr trägt.
Vom Jäger zum Gejagten
Die Idee für die Operation „Gemstone“ entspringt Liddys Gehirn – sie wird zu Watergate führen und damit die Karriere Hunts abrupt beenden. Liddy möchte eine Million
AGENTEN-APOLOGETIK:
Die 1974 erschienene
Autobiografie Undercover ist spannend wie ein
Thriller zu lesen. Allerdings ist der Inhalt mit
Vorsicht zu genießen,
denn das Buch entsteht
unter dem Eindruck der
Watergate-Affäre. Es ist
– und das verschweigt
Hunt nicht – eine reine
Rechtfertigungsschrift
seines oft fragwürdigen
Handelns
Abb.: Archiv Clausewitz
Clausewitz 3/2021
Dollar, um im Rahmen dieser Operation Aktionen gegen Nixons politische Gegner
durchführen zu können. Er bekommt am Ende 250.000 Dollar bewilligt und beginnt damit, die Büros der Demokratischen Partei im
Watergate-Hotel zu verwanzen. Außerdem
will er die dortigen Telefone wichtiger Personen anzapfen. Da diese technischen Apparaturen nicht zu funktionieren scheinen, werden am 17. Juni 1972 fünf Mitarbeiter in den
Gebäudekomplex geschickt – und beim Einbruch von der Polizei gestellt. Auf Hunt kommen die Ermittler schnell, da sie bei zwei der
Einbrecher seine Telefonnummer finden.
Und auch die Verbindung zum Weißen Haus
kann die Presse schnell herstellen.
Da sich die die Schlinge um Hunt immer
weiter zuzieht, beginnt er nun Nixon zu erpressen: Sollte dieser nicht Mittel und Wege
finden, um ihn aus der Schusslinie zu bringen, werde er auspacken – und dann wird
nicht nur sein Kopf rollen! Hunt erhält
250.000 Dollar Schweigegeld. Bei einem Flugzeugabsturz sterben Hunts Frau Dorothy, die
Enthüllungsjournalistin Michelle Clark und
der Abgeordnete George Collins. Ein Unfall
oder eine gezielte Warnung von Hunts ehemaligen CIA-Freunden, sich mit dem erhaltenen Judaslohn zufriedenzugeben?
Stimme aus dem Grab
Hunt jedenfalls zügelt seine Zunge, wird wegen Einbruch und illegalem Abhören verurteilt und sitzt 33 Monate im Gefängnis. Danach wird es ruhig um ihn. Er führt einige
Prozesse, meist gegen die Anschuldigung, in
das JFK-Attentat verwickelt zu sein. Ansonsten schreibt er weiterhin Bücher. Wellen schlagen noch einmal seine 2007, kurz nach seinem
Tod veröffentlichten Memoiren, in denen er
behauptet, Lyndon B. Johnson
könnte das Attentat auf Kennedy angeordnet haben, und dass
daran auch CIA-Agenten (besonders William K. Harvey)
mitwirkten. Außerdem taucht
eine Tonbandaufnahme auf, in
der Hunt diesen Vorwurf noch
einmal ausspricht.
Hunt bleibt Amerikas bekanntester Geheimagent – was
eigentlich ein Widerspruch ist,
aber die vielen Skandale und
Gerichtsprozesse rücken ihn
zwangsläufig ins Rampenlicht. Doch wie viel davon ist
gezielte Desinformation und
Inszenierung?
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M I L I T Ä R T E C H N I K I M D E TA I L
Die britischen Erdbeben- und Rollbomben von Sir Barnes Wallis
1943: Eine gewaltige Flutwelle wälzte sich in der
Nacht auf den 17. Mai vom Möhnesee durch das
Ruhrtal bis ins Ruhrgebiet. Grund dafür war die
zerstörte Staumauer, die von der Royal Air Force
mit speziell entwickelten Bomben zermalmt
wurde …
Von Larry Porges & Maximilian Bunk
DIE BOMBEN IM ÜBERBLICK
Rollbombe „Upkeep“
Gebaut: 120 Stück
Länge: 1,5 Meter
Gewicht: 9.250 Pfund (4.196 Kg)
Sprengladung (gleichwertig TNT): 8.580 Pfund
Die „Dammbrecher“-Mission inspirierte den gleichnamigen Film von 1955 (The Dam Busters, deutscher
Titel: Mai 1943 – Die Zerstörung der Talsperren)
Seismische Bombe „Tallboy“
Gebaut: 854 Stück
Länge: 6,4 Meter
Gewicht: 12.000 Pfund (5.443 Kg)
Sprengladung (gleichwertig TNT): 6.760 Pfund
Durch Verzögerungszünder konnte die Explosion bis
zu 60 Minuten aufgeschoben werden
Seismische Bombe „Grand Slam“
Gebaut: 99 Stück
Länge: 8,05 Meter
Gewicht: 22.000 Pfund (9.979 Kg)
Sprengladung (gleichwertig TNT): 11.877 Pfund
Gegen Ende des Krieges warfen die Briten 41 Bomben dieses Typs vor allem auf U-Boot-Bunker ab
SCHWARZES LOCH
Sowohl die „Tallboy“ als auch die
„Grand Slam“ waren so konstruiert,
dass sie tief in ein Ziel oder
daneben eindrangen und dann erst
explodierten. Die Explosion schuf
oft unterirdische Krater, in welche
das Zielobjekt hineinstürzte
48
VOLLTREFFER
Am 12. November 1944
warfen die Briten 29 „Tallboys“ auf das vor Tromsø
im nördlichen Norwegen
gelegene deutsche
Schlachtschiff der Bismarck-Klasse, die Tirpitz,
ab. Zwei Volltreffer versenkten das gewaltige Schiff
DURCH VOLLTREFFER VERSENKT: Zwei britische
„Tallboys“ schlagen Ende 1944 direkt in die vor
Norwegen ankernde Tirpitz ein – Deutschland verlor
damit nicht nur sein größtes Schlachtschiff,
sondern auch fast 1.000 Matrosen und Offiziere
Abb.: picture-alliance/dpa
ROLLENDER DONNER
UNGEWÖHNLICHER WEG:
Eine wichtige Eigenschaft der
Rollbomben war der Rückwärtsdrall, den die Bombe
beim Abwurf erhielt. Dieser
erlaubte es den Bombern, vor
der Explosion das Zielgebiet
zu verlassen und sorgte dafür,
dass die Bombe in einer nach
vorne gerichteten Flugbahn
auf ihr Ziel zuflog Abb.: FLM 2333
Die Briten griffen die im Ruhrgebiet gelegenen
Talsperren der Möhne, Eder und Sorpe am 16.
Mai 1943 mit „Upkeep“-Rollbomben an. Die
Möhne- und Edersperren wurden schwer
beschädigt, was Stromausfälle und Überflutungen zur Folge hatte. Der Angriff beeinträchtigte
die Leistung der Im Ruhrgebiet gelegenen Rüstungsindustrie über mehrere Monate hinweg
UPKEEP
Die zylindrische Form der „Upkeep“ erlaubte ihr das Umgehen von Torpedonetzen, indem
sie über eine Strecke von etwa
730 Metern immer wieder von
der Wasseroberfläche abprallte,
bevor sie sank und explodierte.
Dadurch wurde die 9.250
Pfund schwere Bombe zu einer
massiven Wasserbombe
BOMBE VERSUS RAKETE: Das Bodenpersonal der Staffel No. 617 der RAF
bereitet am 22. Juni 1944 eine
„Tallboy“ für einen Angriff auf eine in
Frankreich gelegene Abschussbasis
der V2 vor
Abb.: IWM CH15363
TALLBOY
Barnes Wallis (siehe Seite 48) entwarf
einen 50-Tonnen-Bomber, der in der Lage
war „Tallboys“ und „Grand Slams“ aus
einer Höhe von 13.700 Metern abzuwerfen. Dadurch hätten die Bomben vor dem
Einschlag Überschallgeschwindigkeit erreicht. Das Oberkommando der RAF hatte
jedoch Einwände und man verwendete
stattdessen die tiefer fliegenden Maschinen vom Typ Lancaster
GRAND SLAM
Die „Grand Slams“ waren ebenso wie die
Bomben vom Typ „Tallboy“ und „Upkeep“
mit einer Sprengladung aus geschmolzenem Torpex gefüllt. Dies war ein hochexplosiver Sprengstoff aus 42 Prozent RDX (Hexogen), 40 Prozent TNT und 18 Prozent
pulverisiertem Aluminium. Dieser war um
50 Prozent stärker als TNT allein
Illustration: Jim Laurier
Clausewitz 3/2021
49
M I L I T Ä R T E C H N I K I M D E TA I L
rei der furchtbarsten britischen
Weltkriegsbomben entstammen
dem Erfindungsgeist eines einzigen Mannes – nämlich dem des Luftfahrtingenieurs Sir Barnes Wallis. Bei Kriegsausbruch arbeitete Wallis in der Flugzeugfabrik
Vickers und hier verfasste er auch eine
Schrift, in der er sich für einen strategischen
Bombenfeldzug aussprach, der die deutsche
Kriegsmaschinerie lahmlegen sollte. Zu diesem Zweck empfahl er „seismische“ oder
„Erdbebenbomben“: übergroße Sprengsätze,
die schwer befestigte deutsche Ziele wie etwa U-Boot-Bunker, Basen von V-2-Raketen,
Wasserversorgungsleitungen und Eisenbahnbrücken zerstören konnten. Gegen Ende des Krieges gingen schließlich zwei Typen seismischer Bomben in Produktion: 1944
die 12.000 Pfund (5.443 Kg) schwere „Tallboy“ und im folgenden Jahr die 22.000 Pfund
DER SCHEIN TRÜGT: Auf diesem Foto von
1967 sieht Sir Barnes Wallis (1887–1979)
wie ein netter älterer Herr aus. Kaum zu
glauben, dass dem Gehirn dieses Briten
ein paar der destruktivsten Waffen des
Krieges entsprungen sind
Abb.: picture alliance/John Hedgecoe/TopFoto
50
(9.979 Kg) schwere „Grand Slam“. Umgebaute viermotorige Avro Lancasters waren
die einzigen Maschinen, die diese Kampfgeräte – die größten konventionellen Bomben
des Zweiten Weltkriegs – transportieren
konnten.
Im Jahr 1942 entwarf Wallis außerdem eine völlig neue Waffe – eine Bombe, die über
die Wasseroberfläche sprang wie ein glatter
Stein. Der Codename dieser „Rollbomben“
war „Upkeep“ und diese fassartigen Bomben waren von ihrer Größe her ebenso beeindruckend wie die seismischen Bomben.
Die Führung der RAF entwickelte einen
Plan, um damit im industriell wichtigen
Ruhrgebiet Sperrdämme zu zerstören. Die
Lancasters bildeten erneut die Spitze des Angriffs und die Briten führten im Mai 1943 erfolgreich die bekannte Zerstörung der Talsperren im Ruhrgebiet durch.
VÖLLIG VERNICHTET: Ein Kind steht vor der
durch Rollbomben zerstörten Möhnetalsperre im Mai 1943. Das Vernichtungspotenzial
der britischen „Superbomben“ war gewaltig
– ebenso aber auch der Eifer der Angegriffenen: Bereits im Oktober war die Sperrmauer
wieder aufgebaut Abb.: picture alliance/Stratenschulte
GEFÄHRLICHE KOMBINATION: Eine „Fritz X“
unter dem Rumpf einer He 117 A-5. Die Aufnahme dürfte in der ersten Jahreshälfte 1944 während der entsprechenden Einsatzerprobung
entstanden sein
Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer
Die wichtigsten Daten zur Fritz X
Weitere Bezeichnungen/Namen: PC 1400, FX 1400, X-1
Einsatzzeit: 1943–1945
Verwendet von: Deutsche Luftwaffe
Primär-Zweck: Bekämpfung von Seezielen
Entwickler und Hersteller: Max Otto Kramer, Ruhrstahl
Gebaute Einheiten: zwischen 1.400 und 2.500 Stück
Gewicht: zirka 1.400 Kilogramm
Länge: 3,32 Meter
Geschwindigkeit: maximal 1.235 km/h
Gefechtskopf: 320 Kilogramm schwerer panzerbrechender Gefechtskopf mit Amatol-Sprengstoff (Tarnname:
Füllpulver)
Standard-Lenksystem: Kehl-Straßburg FuG 203/230
uch Deutschland konstruierte während des Krieges einige „Spezialbomben“, darunter die als „Fritz
X“ bekannt gewordene ferngelenkte Fallbombe. Der Kopf dahinter ist – analog zum Briten
Barnes Wallis – der Luftfahrtingenieur Max
Otto Kramer (1903–1986).
Vorgänger beziehungsweise Grundlage
der Fritz X war die Panzersprengbombe PC
1400 („PC“ steht für Panzerbombe Cylindrisch, und „1400“ gibt das Gewicht in Kilogramm an), die man auch als FX 1400 bezeichnete – davon leitet sich der Name „Fritz X“
des modifizierten Nachfolgers ab. Diesen statteten die Ingenieure mit einer besseren Spitze
aus, gaben ihm vier Stummelflügel und eine
Funksteuerung, durch die man die „Fritz X“
ins Ziel lenken konnte. Am Heck (innerhalb
des Leitwerks) brachte man außerdem mehrere Leuchtsätze an, die einerseits den Bordschützen das Zielen beziehungsweise die Zielansteuerung erleichterten und andererseits
durch unterschiedliche Farben eine Verwechslung ausschlossen (wenn mehrere
„Fritz X“ gleichzeitig durch die Luft rasten).
Alternativ konnte auch eine Drahtlenkung
verwendet werden, um etwaiger Funkstörung durch den Gegner entgegenzuwirken:
Die „Fritz X“ musste man dazu an eine acht
Kilometer lange Drahtspule „anschließen“.
Im Sommer 1943 kam die neue Waffe zur
Luftwaffe. Eigentlich war sie für den Einsatz gegen Seeziele – besonders gepanzerte
Kriegsschiffe – konzipiert worden. Doch sie
Clausewitz 3/2021
TÖDLICHE PRÄZISION:
Wo die Bomben von Wallis auf möglichst große
Zerstörung setzten,
stand bei der Kramer-Entwicklung Akkuratesse im
Mittelpunkt – die „Fritz
X“ wurde nach Sicht manuell mit einer Fernsteuerung ins Ziel geführt. Das Foto zeigt eine der Lenkbomben,
vermutlich beim Lenkkommandotest im Labor
Abb.: Sammlung Wolfgang Mühlbauer
eignete sich ebenso, um Landziele wie Brücken oder Docks zu zerstören. Die „Fritz X“
zeigte auch im Einsatz eine sehr hohe Zielgenauigkeit und erfüllte damit die in sie gesetzten Hoffnungen – immerhin war es die
erste in Serie gebaute Lenkbombe der Welt.
Problematisch war jedoch die Tatsache,
dass der Luftwaffe geeignete Trägerflugzeuge fehlten und dass die Alliierten die
Lufthoheit besaßen. „Fritz X“ konnte daher
nie ihr volles Potenzial ausschöpfen. Den
größten Erfolg mit dieser Waffe errang die
Luftwaffe am 9. September 1943, als eine
„Fritz X“das italienische Schlachtschiff Roma versenkte.
In dieser Serie u. a. bereits erschienen:
Japanischer Flugzeugträger Kaga (4/2019)
Amerikanischer Flammenwerfer M2-2 (5/2019)
Britisches Lee-Enfield No. 4 Mk.I (6/2019)
Deutsche Ju 87 B Stuka (1/2020)
Das amerikanische 24-m-Patrouillentorpedoboot (2/2020)
Der alliierte Panzer Duplex Drive (DD)
M4 Sherman (3/2020)
Die japanische Gleitbombe Ohka Typ 11
(4/2020)
Das deutsche SdKfz 251 (5/2020)
Der polnische Jäger PZL P.11 C (6/2020)
Das sowjetische Gorjunow MG SG-43 (1/2021)
Australischer Jäger CAC Boomerang (2/2021)
51
MENSCHEN & GESCHICHTEN
|
ERZÄHLUNG
NEUE SERIE
Mein Leben in der Fremdenlegion
Hart, härter, Legion!
1985: Nach dem Beginn der „Ausbildung für Teufelskerle“ geht es für Thomas Gast und die anderen
Rekruten kompromisslos weiter – wer den hohen Anforderungen nicht genügt, der fliegt!
Die Legion wird ihrem elitären Ruf gerecht, denn hier wird niemandem etwas geschenkt. Doch das
eisenharte Training ist Grundlage für den Korpsgeist, den Erfolg und das hohe Ansehen der Truppe
VON THOMAS GAST
Harte Schule
Ich fragte den Türken, was er von mir wollte,
versuchte, meiner Stimme einen festen
Klang zu geben. Gleichzeitig sah ich mich
nach Thompson um: nichts! Auch vom Caporal de jour (ein Obergefreiter, der für einen
Tag lang für den Zug verantwortlich ist) war
weit und breit keine Spur zu sehen.
Erdoğans Blick fiel auf meine Stiefel. Er nickte. Seine beiden Kumpane kamen näher und
näher. Ich sagte, dass ich die Stiefel bräuchte.
Mein zweites Paar war beschädigt. Ich konnte damit nicht laufen. Dem Türken waren
meine Einwände egal. Seine Hand schnellte
vor, griff nach dem Leder, während im sel-
52
ben Augenblick sein Kumpel die Hand auf
meine Schulter fallen ließ: nicht mucken!
Erdoğan wollte noch etwas sagen, doch
dazu hatte er keine Zeit mehr – denn Thompson stand plötzlich hinter ihm. Keiner von
uns hatte ihn kommen sehen. Mit Schlachtgebrüll stürzte er sich auf den Türken. In einem wilden Durcheinander krachten sie die
Stufen hinab, während Thompson mächtige
Schläge nach rechts und links verteilte und
dabei einen von Erdoğans Gefährten gleich
mit „behandelte“. Meine Stiefel in der Rechten, kam Thompson schließlich die Stufen
hoch. Er blutete an der Stirn, aber es war, wie
sich nachher herausstellte, nicht sein Blut.
„Egal, wie viele es sind“, sagte er, „lass niemals zu, dass dich jemand berührt, wenn du
es nicht willst! Niemals, hörst du?“
Ich wollte ihm sagen, dass ich in der gegebenen Situation keine Chance gehabt hätte
und dass ich wegen der Stiefel keinen Krieg
anzuzetteln gewillt war! Doch ich schwieg.
Später dann kam ich drei- oder viermal in
ähnliche Situationen und jedes Mal beherzigte ich, was Thompson damals zu mir gesagt hatte. Und ich fuhr immer gut damit.
Angriff ist manchmal wohl doch die beste
Verteidigung!
Ärztliche Untersuchungen folgten. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Mann, der
in der Krankenstation uneingeschränkt
herrschte. Obwohl er nur den Dienstgrad eines Adjutanten (entspricht etwa einem
Hauptfeldwebel) bekleidete – was für uns
damals schon ein Rang war, vor dem wir
massenhaft Respekt hatten – gab er sich wie
ein General. Er trug eine Nickelbrille à la
Gandhi. Seine kalten, schlauen Augen sowie
sein Schäferhund, der ihm auf Schritt und
Tritt folgte, kamen uns nicht geheuer vor.
Adjudant Roganel redete nicht, er brüllte. Er
MEIN NAME IST THOMAS GAST.
Ich war 17 Jahre in der Fremdenlegion. Meine Personenkennziffer (matricule) ist 170-728, mein letzter
Dienstgrad war Adjudant. Ich diente im Dschungelkampfregiment (3. REI) und bei den Fallschirmjägern
der Legion (2. REP):
DAS HIER IST MEINE GESCHICHTE.
Abb.: Yers Keller
K
urz bevor wir zur Farm Bel-Air verlegten, kam es zu einem kleinen Zwischenfall, der mir bis heute eine Lehre ist. Mein
Mentor war der Falkland-Kämpfer Thompson. Jeder von uns besaß damals zwei Paar
Stiefel – wir nannten sie „Rangers“. War der
Kampfanzug zu groß, die Handschuhe zu
klein: kein Problem! Die Rangers aber mussten
passen. Ich saß gerade auf der Treppe, die hinauf in unseren Saal führte und polierte meine
Kampfstiefel, als ein Schatten auf mich fiel. Ich
drehte mich um: Dort im Halbdunkel stand
Erdoğan. Erdoğan war Türke, ein Straßenkämpfer übelster Sorte. Instinktiv sah ich mich
um und in der Tat: Sein bester Freund lümmelte scheinheilig ein paar Stufen tiefer herum. Er überwachte den Treppenaufgang. Ein
weiterer Kumpel kontrollierte das darüberliegende Stockwerk. Sie waren zu dritt! Ich wollte aufstehen, doch Erdoğan drückte mich mit
beiden Händen auf die Stufen zurück.
1
sah uns nicht an, sondern durchbohrte uns
mit seinem Blick, unter dem sogar Thompson schrumpfte. Ich kann mich nicht erinnern, ihn je lächelnd gesehen zu haben. Er
war von der Sorte Mann, der man nachts
nicht über den Weg laufen wollte.
Unter uns nannten wir ihn Dr. Mengele.
Am ersten Wochenende verabreichte er jedem von uns zwei Spritzen in den Rücken.
Für was diese auch immer gedacht waren:
Unser Caporal wollte, dass wir in Bewegung
blieben, ohne jedoch Schwerstarbeit zu verrichten. Auf den Knien kriechend, kratzten
wir mit unserem Opinel-Messer die oberste
Schicht vom Holzboden, um ihn danach zu
wachsen und auf Hochglanz zu polieren.
Unser seltsamer Doktor mit den Haifischaugen hatte uns eindeutig das Wochenende
vermasselt! Dass sich hinter seinen kalten
Augen keine Grausamkeit, sondern Intelligenz und Herzensgüte versteckten, und dass
dieser Mann sein Leben lang aufopfernd der
Legion gedient hatte, erfuhr ich erst einige
Jahre später.
Auf die Details kommt es an
2
1 MITTEN INS
SCHWARZE: Das
Waffentraining (hier
am FAMAS) gehört
zusammen mit dem
Laufen zum täglich
Brot des Legionärs
Abb.: Thomas Gast
3
2 STRENGER SELEKTIONSPROZESS:
Rekruten beim Überwinden der Hindernisbahn. Der französische Staat investiert
große Summen in die
hervorragende Ausbildung der Legionäre –
deshalb werden nur
die Besten genommen
Abb.: Képi Blanc
3 KEIN SONNTAGSSPAZIERGANG:
Legionäre mit FAMASSturmgewehr und FRF2-Scharfschützengewehr im Tschad 2007
Abb.: Thomas Gast
Es gab Augenblicke, in denen wir körperlich
ausnahmsweise mal nicht gefordert wurden.
Dazu gehörten die Stunden, in denen uns
Clausewitz 3/2021
53
ERZÄHLUNG
der Caporal beibrachte, wie man das Hemd
der Uniform bügelte, das Bett bezog oder die
Stiefel auf Hochglanz brachte. Das klingt banal, ist es aber nicht. Jeder Soldat, auch wenn
er lange Jahre in anderen Eliteeinheiten gedient hatte, konnte hier nur lernen und staunen – selbst erfahrene Hausfrauen würden
mit der Zunge schnalzen. Das Hemd hatte je
zwei Falten links und rechts auf jedem Ärmel. Hinzu kamen drei Falten jeweils links
und rechts senkrecht über den beiden Brusttaschen. Auf dem Rücken gab es zwei Falten
horizontal und drei zentriert vertikal. Die
Kanten mussten so scharf sein, dass man sich
daran schnitt. Die Abstände zwischen ihnen
waren vorne auf der Brust jeweils 3,5 Zentimeter und an den Armen und auf dem Rücken 5,3 Zentimeter. Diese Maße entsprachen exakt denen einer Streichholzschachtel,
je nachdem, ob man sie in der Höhe oder in
der Breite anlegte. Die Sergeanten hatten ein
geübtes Auge. Lagen die Falten zu weit auseinander oder fehlte gar ein Millimeter, folgte die Bestrafung auf dem Fuß. War es vor einem Ausgang in die Stadt (dreimal in vier
Monaten: zweimal sechs Stunden und einmal drei Stunden!), dann wurde der Ausgang gestrichen. Ansonsten drehte man mit
dem Rucksack ein Dutzend Runden um den
Exerzierplatz.
Die Matricule, Numéro de FAMAS und
Groupe Sanguine (Blutgruppe) mussten auswendig gelernt und auf Anfrage innerhalb
von Sekunden auf Französisch runtergerasselt werden. Die Matricule war die sechsstellige Erkennungsnummer und das FAMAS
war ab diesem Zeitpunkt unsere Waffe. Waffennummer, Matricule sowie Blutgruppe
nicht auswendig zu kennen, hätte ernsthafte
Folgen gehabt. Eine Woche lang Toiletten
schrubben, mindestens!
1
1 STAUBIG UND
HEISS: Legionäre mit
FAMAS-Sturmgewehren im Tschad
(Zentralafrika) 2007
2
Abb.: Thomas Gast
2 WILL GELERNT
SEIN: Der fachmännische Umgang mit der
Schusswaffe gehört
zum Handwerkszeug
eines jeden Soldaten.
Hier sind Legionäre
auf der Schießbahn zu
sehen (noch mit dem
FAMAS-Vorgänger „Fusil semi-automatique
de 7,5 mm MAS modèle 1949–56“)
3
Abb.: Képi Blanc
3 DURCHHALTEVERMÖGEN WIRD
BELOHNT: Legionäre
erhalten ihren ersten
Fünfjahresvertrag
Essenzielle Erfahrungen
Abb.: COMLE
HINTERGRUND
Kein Spielzeug: das FAMAS
Das „Fusil d’Assaut de la Manufacture d’Arme
St.-Etienne“ (FAMAS) war eine Waffe mit, wie
ich später feststellte, schockierender Wirkung. Sie unterscheidet sich nicht allzu sehr
von den anderen auf dem Markt befindlichen
Sturmwaffen, sodass ich von technischen Erläuterungen absehe. Mir neu war die Tatsache, dass man die Auszieherkralle links oder
rechts einbauen konnte, je nachdem, ob man
54
Links- oder Rechtshänder war. Der Wangenschutz musste dementsprechend angepasst
werden. Das Geschoss hat eine verheerende
Wirkung: Beim Auftreffen auf ein Hindernis
(Weichkörper) dreht es sich, bricht und sucht
sich den leichtesten Weg spiralförmig durch
den Körper. Ein Einschuss am Oberschenkel
mit einem Austritt im Oberkörper (oder umgekehrt) ist keine Seltenheit!
Am Ende der ersten Woche fuhren wir auf
die Farm Bel-Air. Dass es für uns kein Spaziergang werden würde, darauf hatten wir
uns bereits vorbereitet. Horrorgeschichten
gingen um. Sie erzählten davon, dass hier
Legionäre, wenn man sie bei einem Fluchtversuch ertappte, gestellt und erschossen
würden. Ich gab nicht viel darauf. Solche
und ähnliche Geschichten erzählten Deserteure, wenn sie nach Hause kamen und sich
dort ausweinten, um auf diese Art ihrer
Flucht einen abenteuerlichen Touch zu verleihen. Was ich im Laufe meiner langen Jahre
in der Fremdenlegion immer wieder festgestellt habe, war, dass der Legionär par excel-
Schweiß, Schlafmangel, Hunger und blutige Hände
lence ein Soldat des Geländes ist. Manöver,
Ausbildung, Einsätze und lange, lange Märsche – das waren die Grundlagen, von denen
wir zehrten. Die Bequemlichkeiten eines festen Quartiers taten zwar ab und zu gut, aber
im Grunde genommen zog es uns hinaus.
Die Farmen des 4. RE bereiteten den jungen
Legionär auf dieses Leben aus dem Rucksack vor. Sie vermittelten ihm Rustikalität
und Solidarität, brachten ihn der Natur näher – und das alles im alltäglichen Schweiße
seines Angesichts. Ich übertreibe sicherlich
nicht, wenn ich behaupte, dass die Farmen
die Basis, die Schmiede und der Kitt unseres
Zusammenhaltes waren. Dieser Korpsgeist
wiederum war ausschlaggebend für das hohe Ansehen, das wir weltweit genossen. Und
für unsere Erfolge!
Lehrstunden statt Luxus
Bel-Air war etwa 17 Kilometer von Lapasset
entfernt. Es handelte sich um ein einziges,
stattliches Gebäude. Dieses lag auf einer
Lichtung, die von allen Seiten von einem
dichten Wald umgeben war. Es führten nur
ein Schotterweg sowie ein paar Schleichwege dorthin. Die Infrastruktur war mehr als
rustikal, nichts war warm und bequem.
Zwar gab es fließendes Wasser, aber beim
Duschen war es meist kalt bis lauwarm und
trotz elektrischen Stroms konnte man das Eis
innen von den Fenstern kratzen. Ein Fußballfeld lag hinter dem Hauptgebäude, einen
Ball bekamen wir jedoch nie zu Gesicht.
Jeden Morgen nach dem Footing (Morgenlauf) stand das Seil auf dem Programm.
Es war sechs Meter lang und hatte einen
Durchmesser von 2,5 Zentimetern. An das
erste Mal Seilklettern kann ich mich gut erinnern. Der Erste, der damals vor dem Seil
stand, war Ho, ein schmächtiger Vietnamese.
Er fraß das Seil buchstäblich in sich hinein.
Der nächste Kandidat machte sich bereit.
Kaiser war ein dickwanstiger Ostdeutscher.
Obwohl er beim Laufen gut mithielt, stand
er mit dem Seil auf Kriegsfuß. Mit Mühe und
Not schaffte er es bis zur roten Markierung
ganz oben, aber dann verließen ihn die Kräfte. Mit einem lauten Aufschrei ließ er sich
fallen, hielt aber das Seil den ganzen Weg
nach unten noch mit beiden Händen umklammert. Wimmernd rollte er sich am Boden zu einer Kugel zusammen. Seine Hände
waren blutig, die Haut hing am Seil. Zum
Dank für seine Bravour bekam er vom Caporal einen gewaltigen Fußtritt in den Allerwertesten: „Steh auf, Idiot. Der Nächste ran
ans Seil!“
Clausewitz 3/2021
Was uns zusetzte, war die Kälte. Es war
Anfang März, der Schnee lag knöcheltief
und die Temperaturen waren weit unter
dem Gefrierpunkt. Der Schlafmangel und
die Tatsache, dass wir ständig Hunger hatten, erleichterten uns nichts. Wir dachten
ständig an eine warme Stube, ein gutes Essen und an ausreichend Schlaf. Die Moral
pfiff aus allen Löchern!
Das Essen war zwar ganz in Ordnung,
aber für die körperlichen Leistungen, die Tag
und Nacht von uns gefordert wurden, war
es quantitativ eindeutig zu wenig. Jeden
zweiten Tag gab es Steak haché und Flageolets (Hacksteak mit weißen Zwergbohnen),
was uns bald zum Halse heraushing.
Mit der Zeit spürte ich, wie mein Körper
sich veränderte. Ich wurde sehniger und das
eine oder andere Fettpolster, das die vier Jahre bei den deutschen Fallschirmjägern überlebt hatte, war verschwunden.
Strammes Programm
Der Tagesablauf war fast immer derselbe:
5 Uhr: Wecken.
Viele von uns waren da aber schon auf, weil
die Anzahl der Waschbecken nicht ausreichte. Für das Frühstück etwas Zeit herausschinden – das war unverzichtbar!
5 Uhr 02: Appell.
(Man beachte: zwei Minuten nach dem Wecken!)
Wir mussten so lange im Stillgestanden
neben den Betten stehen, bis der Caporal
durch die Reihen gegangen war und alle Legionäre namentlich aufgerufen hatte. Fast jeden dritten Tag hatten wir einen oder mehrere Deserteure. Die meisten wurden schon
am gleichen Tag wieder erwischt und kamen
sofort ins Gefängnis. Zwischen Appell und
dem Antreten zum Sport mussten die Corvées (Hausarbeiten) erledigt werden.
6 Uhr 30: Antreten im Sportanzug.
Laufen war angesagt. Bereits nach ein paar
Tagen auf der Farm liefen wir in den sogenannten „Groupes des forces“ (Laufgruppen, denen jeder von uns, seinem Niveau
entsprechend, zugeteilt wurde). Die Strecke
war von der Distanz her für alle dieselbe,
nur der Laufrhythmus war unterschiedlich.
Zurück vom Sport, ging es übergangslos
zum Waffen- und Geräte-Empfang, danach:
Duschen im Schweinsgalopp und wieder antreten. Am Kampfanzug befanden sich: ANP
(Gasmaske), Helm, Bidon (1,5-l-Wasserfla-
sche), Pelle US (zusammenklappbarer Spaten), Bretelles (Koppeltragehilfe mit Magazintaschen und Waffenputzzeug für das FAMAS). Vor den Füßen abgestellt hatten wir
den Rucksack oder die Musette (Kampftasche). Meist war auch schweres Gerät dabei,
wie etwa Stacheldrahtrollen, Schaufeln,
Sandsäcke, Kollektivwaffen (wie Maschinengewehre und Panzerfäuste) oder Optik
und Funkgeräte. Schreibzeug war immer
am Mann, ebenso wie das Opinel und der
Kompass.
8 Uhr 30 bis 12 Uhr 30: Ausbildung.
Waffenausbildung; Schießen; Gefechtsausbildung; Orientieren im Gelände; Funkausbildung und immer wieder die Lieder, Traditionen, Disziplin und die nicht wegzudenkenden Liegestütze!
12 Uhr 30 bis 14 Uhr Mittagspause.
Neunzig Minuten Mittagspause – das hieß
ein paar Minuten fürs Essen, gefolgt von einer Stunde Marsch mit Gesang!
14 Uhr bis 18 Uhr Wiederholung.
Ausbildung wie am Vormittag.
18 Uhr bis 20 Uhr Freizeit.
Abendbrot. Meist hatten wir hier die Gelegenheit, im Foyer, das sich in der Waffenkammer befand, Dinge wie Schokoladenriegel, Kuchen, Zigaretten und Getränke zu
kaufen.
20 Uhr bis 23 Uhr: Ausbildung.
Erlernen der französischen Sprache; taktische Gefechtsausbildung; Hindernisbahn bei
Nacht. Was wir oft machten, war, das Anschleichen zu üben: auf dem Bauch robbend,
im Matsch und im Schnee, unter einem Stacheldrahtverhau hindurch. Lautlos, den anzugreifenden Feind fest im Auge, froren wir
bis aufs Knochenmark. Danach wurden die
Waffen und das Gerät gereinigt und abgegeben. Es war inzwischen oft Mitternacht! Hatten wir Pech, dann fand der Caporal de jour
nach unserem Corvée quartier noch einen
Zigarettenstummel am Boden. Dieser wurde
dann offiziell „beigesetzt“: Wir mussten ein
Loch buddeln, zwei Meter lang, achtzig Zentimeter breit, eineinhalb Meter tief. Darin
wurde die Kippe mit allen Ehren „beerdigt“.
Zwischendrin wuschen wir Sport- und
Kampfanzug. Mit der Hand, der Bürste und
kaltem Wasser! Vor dem Schlafengehen war
der zweite Appell fällig. Wir schliefen meist
schon im Stehen. War man für die Wache eingeteilt, blieb man am besten gleich auf, Hinlegen lohnte sich nicht mehr.
Thomas Gast, Jg.1962, ist ein ehemaliger Fremdenlegionär und heute unter anderem als Autor tätig.
55
S C H L AC H T E N D E R W E LT G E S C H I C H T E
|
BUDAPEST 1944/45
ZWEITES STALINGRAD: Die Kämpfe
um Budapest sind grausam und verlustreich. Die Soldaten ringen um jede
Straße, um jedes Haus – insgesamt
mehr als drei Monate lang. Die Donaumetropole versinkt in Schutt und
Asche
Foto: ullstein bild - ADN-Bildarchiv
56
BELAGERUNG VON BUDAPEST 1944/45
INFERNO
an der Donau
Ende 1944: Als sich der sowjetische Umklammerungsring um Budapest schließt, beginnt eine der
brutalsten Belagerungsschlachten des Zweiten
Weltkriegs – Soldaten und Zivilisten gehen buchVon Tammo Luther
stäblich durch die Hölle
RUHE VOR DEM
STURM: Im Frühjahr 1944 besetzen deutsche
Truppen die
Hauptstadt des
zum Teil „abtrünnigen“ Verbündeten. Wenige Monate später
bricht die Apokalypse über
Budapest herein
Foto: picturealliance/akg-images
S
talins Siegeszug scheint unaufhaltsam:
Nach dem politisch-militärischen „Seitenwechsel“ Rumäniens und der Vernichtung der deutschen Heeresgruppe (HGr.)
Südukraine stößt die Rote Armee im Herbst
1944 nach Ungarn hinein und erzielt große
Geländegewinne. Im Anschluss an die Debrecener Operation Ende Oktober rollen ihre
motorisierten Verbände weiter westwärts.
Das neue Ziel der Panzer mit dem roten Stern
ist die Donaumetropole Budapest.
Bereits in der ersten Novemberwoche stehen Verbände der 2. Ukrainischen Front unter Marschall Rodion Jakowlewitsch Malinowski vor den Toren von Budapest. Generaloberst Hans Frießner, der an der Spitze
der schwer angeschlagenen HGr. Süd steht,
kann jedoch durch Offensivaktionen den
Clausewitz 3/2021
Feind am Eindringen in die Stadt hindern.
Die eigenen Fehlschläge veranlassen die
sowjetische Militärführung dazu, stärkere
Kräfte als bisher vorgesehen für den Großangriff auf Budapest einzuplanen. Sie sollen
den Gegner in die Zange nehmen und vernichten. Dagegen stemmen sich die Verteidiger der Stadt unter SS-Obergruppenführer
und General der Waffen-SS Karl Pfeffer-Wildenbruch (1888–1971), an dessen Seite ungarische Unterstützungseinheiten stehen.
„Bis zum letzten Haus“
Anfang Dezember erklärt Hitler Budapest
zur „Festung“, um damit möglichst viele
sowjetische Einheiten in Ungarn auf ihrem
Vormarsch Richtung Wien zu binden. Der
„Führer“ erteilt den Befehl, die Verteidigung
57
BUDAPEST 1944/45
STURMANGRIFF: Die im Herbst 1944 losbrechende Großoffensive der Roten
Armee mündet zunächst nicht in den von Stalin erhofften schnellen Erfolg. Die
Verteidiger von Budapest wehren sich hartnäckig Foto: picture-alliance/dpa/Mikhail Zack
der ungarischen Hauptstadt durch Kampf
„bis zum letzten Haus“ zu führen. Die Stadt
kampflos zu räumen, kommt für ihn auch
im Fall einer ungünstigen Entwicklung der
militärischen Lage nicht in Betracht.
Doch diese tritt schneller ein, als von
deutscher Seite gedacht: Denn bereits Ende
Dezember 1944 zieht sich der Belagerungsring der 2. Ukrainischen Front unter Marschall Rodion Jakowlewitsch Malinowski
DOKUMENT
Kriegstagebuch-Eintrag
„Ende Januar 1945 nimmt die Dramatik
der Kämpfe zu und die Lage der Eingeschlossenen wird auf immer engerem
Raum immer verzweifelter. Unter Einsatz der letzten Trosse, Nachrichtenleute und Schreiber der Stäbe konnten in schwersten, erbitterten Häuserkämpfen gegenüber erdrückender
infanteristischer und materieller
Überlegenheit des Feindes immer wieder Durchbrüche verhindert werden
und dünne Riegelstellungen aufgebaut
werden. Das Los der Verwundeten, deren Zahl inzwischen auf über 8.000
angestiegen ist, ist erschütternd.“
Kriegstagebuch-Eintrag (Auszug) Heeresgruppe
Süd/Ia vom 26. Januar 1945
58
TÜCKISCHES STEILFEUER: Rotarmisten nehmen die deutschen
Linien in Budapest mit ihrem Granatwerfer unter Beschuss. Die
Belagerung der Donaumetropole
zählt zu den längsten des
Zweiten Weltkriegs
Foto: picture-alliance/dpa/Mikhail Zack
(1898–1967) und der 3. Ukrainischen Front
unter Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin (1894–1949) um Budapest mit seinen
mehr als 800.000 verbliebenen Bewohnern
immer enger zu.
Dem als Kampfkommandanten eingesetzten Pfeffer-Wildenbruch sind vor allem
Angehörige der 8. SS-Kavallerie-Division
„Florian Geyer“, der 22. SS-FreiwilligenKavallerie-Division „Maria Theresia“, der
Panzergrenadier-Division „Feldherrnhalle“
sowie Reste der 271. Volksgrenadier-Division und der 13. Panzerdivision unterstellt.
Die Verteidiger von Budapest zählen zirka 35.000 bis 40.000 deutsche Soldaten. An
ihrer Seite stehen etwa 37.000 Ungarn unter
Generalleutnant Ivan Hindy. Insgesamt verteidigen somit zirka 75.000 Mann die Stadt.
Ihre tatsächliche Kampfstärke dürfte jedoch
– nach Abzug Kranker und Verwundeter sowie rückwärtiger Truppen und Versor-
gungseinheiten – deutlich niedriger gewesen sein. Auf der Gegenseite stehen rund
160.000 Soldaten der sowjetischen und rumänischen Armeen und ihrer ungarischen
Verbündeten aus bewaffneten Freiwilligeneinheiten.
Hitlers Sündenbock
Als sich der sowjetische Umklammerungsring am 2. Weihnachtstag 1944 endgültig
schließt, ist Hitler außer sich vor Wut. Er
macht Generaloberst Frießner für die ungünstige Entwicklung der Lage in Ungarn
verantwortlich und enthebt ihn seines Kommandos. Sein Nachfolger als Chef der HGr.
Süd wird General der Infanterie Otto Wöhler.
Zudem befiehlt Hitler, das IV. SS-Panzerkorps aus dem Raum Warschau nach Budapest zu verlegen. Dabei stimmt er sich jedoch
nicht dem zur Wahrnehmung der Geschäfte
beauftragten Chef des Generalstabs des Hee-
Strikter „Halte-Befehl"
KARTE
Kampf um Budapest (Anfang 1945)
AUF DEUTSCHER SEITE: Ein an der Verteidigung der ungarischen Hauptstadt beteiligter
Angehöriger der Szálasi-Gardisten, kenntlich
an der Pfeilkreuzler-Armbinde
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
res, Generaloberst Heinz Guderian, ab. Der
„Führer“ will die strategisch bedeutsame
Donaumetropole unbedingt halten und den
Fall der Festung verhindern.
Für die Rote Armee stellt Budapest tatsächlich das größte Hindernis auf dem Weg
Richtung Preßburg (slowakisch: Bratislava)
und Wien dar. Würde die deutsch-ungarische
Besatzung kapitulieren und kämen die zu
diesem Zeitpunkt noch intakten Donaubrücken in sowjetische Hand, dann könnten Stalins Truppen ihren weiteren Vorstoß in nordwestlicher Richtung erheblich beschleunigen.
Daher fordern die Marschälle Malinowski
und Tolbuchin die Verteidiger am 29. Dezember 1944 zur Kapitulation auf – vergeblich.
Gestaltung: KGS Kartographie und Grafik Schlaich
IM KAMPF: Eine Panzerhaubitze vom Typ Hummel
feuert auf sowjetische
Stellungen. Die extrem
angespannte Nachschubsituation führt bei den
eingekesselten deutschen
Truppen jedoch zu starken
Munitionsengpässen
Foto: ullstein bild - ullstein bild
Clausewitz 3/2021
59
BUDAPEST 1944/45
EINSATZ IM ERDKAMPF: Eine deutsche
8,8-cm-Flak in einem Straßenzug im Westen
von Budapest. Schwere Waffen stehen den
Verteidigern während der Kämpfe in der
Stadt kaum zur Verfügung
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Nur einen Tag später treten die Verbände
der Roten Armee zum konzentrischen Angriff auf Budapest an. Die Verteidiger fügen
den sowjetischen Angreifern zwar schwere
Verluste zu, doch der Gegner kämpft sich
langsam aber sicher immer tiefer in die
Stadt hinein.
Fast zeitgleich, am 1. Januar 1945, treffen
erste Teile des IV. SS-Panzerkorps rund
50 Kilometer westlich von Budapest ein und
erreichen den Raum Tata. Der Kommandierende General des Panzerkorps, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS
Herbert Otto Gille, will die Verteidiger von
Budapest entsetzen. Doch Hitler geht es in
erster Linie darum, verlorenes Terrain zurückzugewinnen und Budapest zu halten. Er
untersagt daher Festungskommandeur Pfeffer-Wildenbruch, den Entsatzversuch aus
der Festung heraus mit einem Ausfall der
eingeschlossenen Truppen zu unterstützen.
Pfeffer-Wildenbruch beugt sich dem Befehl
des „Führers“.
Operationen „Konrad“
Um den sowjetischen Belagerungsring um
Budapest aufzubrechen und zu den eigenen
Verbänden vorzustoßen, unternimmt die
deutsche Seite zu Jahresbeginn 1945 mehrere
Offensivoperationen. Sie tragen den Decknamen „Konrad“. Die noch in der ersten Januarhälfte durchgeführten Operationen
„Konrad I“ und „Konrad II“ scheitern nach
anfänglichen örtlichen Erfolgen am zu starken Widerstand des Gegners und – vor allem
im Fall von „Konrad II“ – am Befehl Hitlers,
60
notiert in sein Tagebuch: „Völlig unverständlich, Division hält weiteren Vorstoß auf
Budapest durchaus für möglich. Vor der
Front angeschlagener Gegner. Flankenangriff infolge des Geländes nicht zu erwarten,
da nicht möglich (...). Wir müssen ein sicheres Ziel wegschwimmen lassen.“
Adolf Hitler favorisiert derweil eine andere Lösung. Er bevorzugt einen Stoß aus dem
„Außer bei der Feuertaufe habe ich eine
Raum südwestlich von Budapest
in nordöstlicher Richtung. Doch
so schwere seelische Erschütterung nicht
den deutschen Truppen in Budawieder erlebt wie an diesem Abend.“
pest läuft die Zeit davon. Der
Erinnerung eines Angehörigen des
Druck der Roten Armee wird imPanzer-Artillerie-Regiments 13 an die
mer stärker. Bei den äußerst
Einschließung von Budapest durch die Rote
schweren Kämpfen um den östliArmee, Weihnachten 1944
chen Teil der ungarischen Metropole geraten die unterlegenen
IV. SS-Panzerkorps bemüht sich vergeblich, Verteidiger massiv in Bedrängnis. Mehrere
diesen Befehl von oberster Stelle rückgängig Gegenangriffe der 22. Freiweilligen-Kavalzu machen. Der Erste Generalstabsoffizier lerie-Division zerschellen am ziemlich starder Division „Wiking“ ist fassungslos und ken Feindwiderstand.
der einen Ausbruch aus Budapest weiterhin
strikt ablehnt. Denn im Rahmen von „Konrad II“ kommen die deutschen Truppen, darunter vor allem Teile der 5. SS-Panzerdivision „Wiking“, aus nordwestlicher Richtung
bis auf weniger als 20 Kilometer an die
Eingeschlossenen heran. Gille als Chef des
HINTERGRUND
Ungarn als Verbündeter
Unter deutschem Druck tritt Ungarn im November 1940 dem Dreimächtepakt um Japan, dem Deutschen Reich und Italien bei
und ist somit fortan zu militärischem Beistand verpflichtet. Ungarn beteiligt sich daran, Jugoslawien zu besetzen, und nimmt mit
Truppenkontingenten am Unternehmen „Barbarossa“, dem deutschen Feldzug gegen die
Sowjetunion, teil.
Entsendet die ungarische Regierung anfangs nur relativ wenige Truppen, so stellt
sie später mit der 2. Ungarischen Armee einen 200.000 Mann starken Verband. Nach
den Niederlagen der Wehrmacht an der
Ostfront versucht die ungarische Staatsführung, Kontakt zu den Westalliierten aufzu-
nehmen und aus dem Krieg auszusteigen.
Daraufhin besetzen deutsche Truppen im
März 1944 das Land, das Deutsche Reich
richtet eine Marionettenregierung ein. Das
Reich zwingt Ungarn, den Kampf mit verstärkten Kräften weiterzuführen. Viele Ungarn schließen sich daher der Roten Armee
an, die im Oktober 1944 ihren Sturm auf
Hitlers Verbündeten beginnt. Im Herbst
1944 errichten die faschistischen Pfeilkreuzler unter Ferenc Szálasi eine Kollaborationsregierung, deren Truppen weiterhin
an deutscher Seite kämpfen, so auch in
Budpapest 1944/45. Erst Anfang April
1945 enden schließlich die letzten Kämpfe
auf ungarischem Boden.
Äußerst prekäre Lage
HOFFNUNGSTRÄGER: Sturmgeschütze auf dem
Weg zum Entsatz
von Budapest. Doch
die Operationen mit
dem Decknamen
„Konrad“ (I–III)
scheitern letztlich
im Januar 1945
Foto: Scherl/Süddeutsche
Zeitung Photo
Am 17. Januar 1945 müssen die deutschen
Einheiten und ihre verbliebenen ungarischen Verbündeten den Brückenkopf am östlichen Donauufer schließlich räumen.
Wuchtiger Gegenstoß
Tags darauf stößt das IV. SS-Panzerkorps aus
seinem neu bezogenen Bereitstellungsraum
bei Stuhlweißenburg südwestlich von Budapest erneut auf die Donaumetropole vor
(„Konrad III“). Der mit zahlreichen modernen Kampfpanzern vorgetragene Angriff der
SS-Panzerdivisionen „Wiking“ und Totenkopf“ und von Teilen der 1. und 3. Panzerdivision sowie der schweren Panzerabteilung
509 ist wuchtig.
Nach anfänglichen Erfolgen in den ersten Tagen seit Angriffsbeginn und einem
Vorstoß bis zur Donau versteift sich jedoch
der sowjetische Widerstand zunehmend.
Im Hauptquartier STAWKA ist man dennoch überrascht vom deutschen Gegenschlag. Unter der Generalität in Moskau
macht sich Frust über die „besondere Entschlossenheit der Angreifer“ breit. Nach
vier Tagen läuft sich aber auch diese Offensive an der starken sowjetischen Abwehrfront fest. Die Rote Armee kann die erlittenen Verluste schnell ausgleichen und gruppiert ihre Verbände um. Ende Januar 1945
holt sie schließlich zum Gegenschlag aus.
Ihre Verbände erobern den von den deutschen Divisionen erkämpften Einbruchsraum zwischen Plattensee (Balaton) und Velencer See zurück.
Damit ist das Schicksal der Eingeschlossenen im Kessel von Budapest noch nicht
endgültig besiegelt. Aber die Aussicht auf
Hilfe von außen wird nunmehr immer unwahrscheinlicher.
Die Lage im Kessel von Budapest wird
derweil immer prekärer. Ungünstige Wetterlagen und die feindliche Luftüberlegenheit
Clausewitz 3/2021
erschweren die Versorgungsflüge. Diese
können den von der Truppe dringend benötigten Nachschub an Munition und Kraftstoff nicht annähernd decken.
Besonders die in der Stadt verbliebenen
Einwohner durchleben schreckliches Leid
und Elend.
Endkampf um Buda
Hungersnot und Krankheiten setzen den
Frauen, Kindern und Alten unbarmherzig
zu. Wehrlos müssen sie die Zerstörung ihrer
Heimatstadt miterleben. Während Trommelfeuer und Bombardements der Roten Armee
die Stadt in eine rauchende Trümmerwüste
verwandeln, harrt die völlig verängstigte
Bevölkerung in Kellern und notdürftig eingerichteten Schutzräumen aus. Unzählige
Tote können nicht begraben werden. Seuchengefahr besteht. In der Donaumetropole
spielen sich im Winter 1944/45 apokalyptische Szenen ab.
Hinzu kommt, dass sich die Kämpfe in
der zweiten Januarhälfte zusehends ins
Stadtzentrum und nach Buda verlagern. Verteidiger und Angreifer liefern sich blutige
Straßen- und Häuserkämpfe – Parallelen zu
Stalingrad bleiben nicht aus: So schildert ein
neutraler Frontberichterstatter seine Eindrücke mit folgenden Worten:
,,Es ist eine furchtbare Schlacht, seit Stalingrad hat es so etwas nicht mehr gegeben.
Um jedes Haus, ja um jedes Zimmer wird
gekämpft. Straßen, Plätze und Hinterhöfe
sind mit Gefallenen übersät (...). Die ganze
Stadt ist in einen Schleier von Rauch und
Staub gehüllt (...). Die Leiden der Zivilbevölkerung sind unbeschreiblich.“
Nachdem die Verteidiger den Stadtteil
Pest am 17./18. Januar 1945 geräumt haben,
ergeht tags darauf der Befehl, die noch intakten Donaubrücken zu sprengen. Die tödliche Schlinge der sowjetischen Truppen
zieht sich immer stärker zu.
SS-General Pfeffer-Wildenbruch lässt
man derweil im Unklaren über den Abbruch des Unternehmens „Konrad III“. Aus
dem noch gehaltenen Kessel im Stadtteil
VERNICHTET: Ein deutscher Soldat begutachtet
einen abgeschossenen T-34. Die sowjetischen
Verluste an Mensch und Material sind enorm
hoch, doch die Rote Armee wirft immer neue
Foto: ullstein bild - ullstein bild
Kräfte in die Schlacht
61
BUDAPEST 1944/45
PROPAGANDAFOTO: SA-Stabschef Wilhelm Schepmann begrüßt Ritterkreuzträger Helmut
Wolff von der Division „Feldherrnhalle“ zur Berichterstattung. Doch die Verteidiger von
Budapest erleiden eine blutige
Niederlage, die nicht zu den
„Endsieg“-Parolen des NS-Regimes passt; 26. Februar 1945
Foto: Sammlung Berliner Verlag/Archiv/
Süddeutsche Zeitung Photo
BLUTIGER STRASSENKAMPF:
Meter für Meter dringen die Soldaten der Roten Armee in die
von Einheiten der Waffen-SS und
Wehrmacht heftig verteidigte
Stadt vor Foto: picture-alliance/akg-images
Buda westlich der Donau setzt er am 29. Januar 1945 einen verzweifelten Funkspruch
ab: „Erschütternde Versorgungslage. Wenn
IV. SS-Panzerkorps nicht in kürzester Zeit
eintrifft, kommt es zu spät. Es geht jetzt ums
Letzte.“
Während zu diesem Zeitpunkt „Konrad
III“ längst „gestorben“ ist, befiehlt Hitler,
den Kampf „bis zum Letzten“ fortzusetzen.
Der „Führer“ belohnt Pfeffer-Wildenbruch
für dessen Gehorsam am 1. Februar 1945 mit
„Es ist eine furchtbare Schlacht,
seit Stalingrad hat es so etwas
nicht mehr gegeben.“
Ein neutraler Frontberichterstatter aus
Budapest im Januar 1945
dem „Eichenlaub zum Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes“. Der ungleiche Kampf geht
somit unerbittlich weiter. Den Eingeschlossenen mangelt es an allem: Verpflegung,
Waffen und Munition. Die Versorgungslage
ist längst dramatisch.
Durch die Unterbrechung der Lufttransporte ist es nicht mehr mögluch, die Verwundeten auszufliegen. Besonders dramatisch: Am 6. Februar 1945 befinden sich mehr
als 10.000 Verwundete in der Stadt. Für sie
gibt es weder genügend Lebensmittel noch
ausreichende ärztliche Versorgung. Die weiterhin zum Kampf fähigen Soldaten sind
ebenfalls vollkommen entkräftet.
In dieser vollkommen aussichtslosen Lage entschließt sich Kommandant PfefferWildenbruch zum Ausbruch aus dem Kessel. Längst ist aus der „Festung Budapest“
62
die „Festung Buda“ geworden. Selbst der markante
Gellért-Berg steht kurz vor
dem Fall.
Am 11. Februar 1945 setzt
der SS-General folgenden Funkspruch ab:
„Die Verpflegung ist verbraucht. Die letzte
Patrone im Lauf. “
Verzweifelter Ausbruch
Schätzungsweise mehr als 30.000 deutsche
und ungarische Soldaten machen sich nun
für den Ausbruch bereit. Doch ihr Vorhaben
steht unter keinem guten Stern. Die sowjetische Seite ist vorbereitet und empfängt die
große Schar der Verzweifelten, darunter
viele ungarische Zivilisten, mit mörderischem Abwehrfeuer. Granatwerfer und Artilleriegeschütze wüten in den Straßen und
Gassen der Stadt unbarmherzig unter den
Ausbrechenden.
In mehreren Wellen versucht die Soldatenmenge aus zusammengewürfelten Einheiten und Kampfgruppen, dem höllischen
Inferno an der Donau zu entkommen. Ein
grausames Gemetzel setzt ein. Führende Offiziere wählen den Freitod, darunter der
Kommandeur der 8. SS-Kavallerie-Division,
SS-Brigadeführer und Generalmajor der
Waffen-SS Joachim Rumohr. Verwundete fle-
Literaturtipps
Dieter Hoffmann: Die Magdeburger Division –
Zur Geschichte der 13. Infanterie- und 13. Panzer-Division 1935–1945, Hamburg 2001.
Krisztián Ungváry: Die Schlacht um Budapest –
Stalingrad an der Donau 1944/45, München
1999.
hen vorbeiflutende Soldaten um den Gnadenschuss an.
Ausbruch und Kapitulation
Bereits am 12. Februar 1945 sieht Pfeffer-Wildenbruch keine Aussicht auf Erfolg. Er bricht
den Ausbruchversuch ab und begibt sich in
sowjetische Gefangenschaft. Einen Tag später kapitulieren die letzten Verteidiger der
Donaumetropole.
Zwar gelingt es Tausenden von Soldaten
und Zivilisten, aus dem Inneren der Stadt zu
fliehen. Doch auch außerhalb von Buda geraten sie unter heftigen Beschuss der Roten
Armee. Dadurch finden insgesamt mehr als
17.000 deutsche und ungarische Soldaten allein bei dem dramatischen Ausbruch Mitte
Februar 1945 den Tod.
Bis zum 20. Februar erreichen nur etwa
750 Mann die 25 Kilometer entfernt liegenden deutschen Linien nordwestlich von
Budapest. Die unter dem grausamen Kriegsgeschehen im Herbst/Winter 1945 und nach
dem Ende der Kämpfe unter Hunger, Krankheit und Gewaltexzessen der Roten Armee
leidende Zivilbevölkerung im zerstörten
Budapest hat zirka 38.000 Tote zu beklagen.
Auch die Rote Armee zahlt einen extrem hohen Blutzoll, doch das Tor nach Wien steht
für Stalins Truppen nach dem Sieg von
Budapest weit offen.
Dr. Tammo Luther, Verantwortlicher Redakteur von
Clausewitz und Freier Autor & Lektor in Schwerin mit
Schwerpunkt „Deutsche Militärgeschichte des 19. und
20. Jahrhunderts“.
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Erwin Rommel war zur Zeit des „Dritten Reiches“ unzweifelhaft
der populärste General der Wehrmacht – und er ist es noch heute,
selbst aus Sicht der ehemaligen (west)alliierten Kriegsgegner. Er
steht im Ruf eines Heerführers, dem angeblich alles gelang: von den
Einsätzen als hochdekorierter Offizier des Ersten Weltkriegs über
das ungestüme Vorpreschen seiner 7. Panzer-Division im Westfeldzug 1940 bis zu den spektakulären Erfolgen des Deutschen Afrikakorps ab 1941. Dabei habe er stets ritterlich gekämpft und sich mit
den Untaten des NS-Regimes nicht gemein gemacht.
Ob dies wirklich alles der Wahrheit entspricht, ist eine Frage, der
die aktuelle Ausgabe von Militär & Geschichte Extra gründlich nachgeht. Nach bewährtem Muster verbindet das mit Fotos und Karten
rreich illustrierte Magazin Rommels Biografie mit einer Darstellung
sseines zentralen Tätigkeitsfeldes – dem Einsatz des Afrikakorps in
Nordafrika.
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MÄNNER , DIE GESCHIC HTE SCHRIEB
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Genie oder Hasardeur?
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Die letzten Schlachten des Afrikak
Afrikakorps
korps und
ndeten
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seines italienischen Verbündeten
November 1942 bis Mai 1943
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Im März 194
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Frühsommer
Frühsomm
mer 1942
19
94
zum Angriff
Angriff
An
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Tobruk
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bru
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und
eroberte die Festung
schließlich
TRIPOLIS
Die ersten deutschen Truppen erreichten am 11. Februar 1941 mit
motorisierten und gepanzerten Verbänden von Sizilien aus Tripolis
(siehe blauer Pfeil). Formal unterstanden sie noch italienischem Befehl
24
DIE BELAGE RUNG VON
MATERIAL UND PERSONAL
B
1
5
Spezielles Wissen gefragt
Abb.: Pixpast, Interfoto/Hermann Historica (17)
2
6
7
4
3 Schirmmütze zur Tropenuniform der
Luftwaffe, sogenannte „Hermann-MaierMütze“ mit Nackenschutz aus Grundtuch
4 Gasmaske und dazugehörige Eisenbüchse
M 30/38, die sich – leer – besonderer
Beliebtheit erfreute: Dort passten nämlich
mehrere runde Scho-Ka-Kola-Büchsen hinein
n
elit--Augenmuscheln
Bake
pelglas mit Bakelit-Augenmuscheln
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5 Dialyt-Doppelglas
nstglas“ genannt.
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platte, auch „Dienstglas“
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und Strichplatte,
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ugten Kopfbedeckungen
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mit Resten des Inhalts, nach einer Zusammenstellung
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7 Verbandkasten
on 1939 (ausweislich des Inhaltsverzeichnisses im Deckel)
von
vo
Als die Wehrmacht das Afrikakorps aufstellte, herrschten nur vage Vorstellungen von
den Besonderheiten des Kriegsschauplatzes; das galt auch für die für Ausrüstung
und Personalersatz zuständigen Dienststellen. Für den – zunächst noch relativ geringen – Personalbedarf gab es nicht genügend
Soldaten mit Tropen- oder Afrikaerfahrung,
die Briten hatten zumindest dieses Problem
nicht. So griff man auf ein Personalreservoir
zurück, das vorher als „wehrunwürdig“ galt:
ehemalige Fremdenlegionäre. Mit ihnen
wurde das „Verstärkte Afrika-Regiment 361“
am 15. Juni 1941 im Reich aufgestellt. Es verlegte als Teil der 90. leichten Division nach
Afrika. Die Ex-Legionäre erwiesen sich als
gute und versierte Kämpfer, bisweilen aber
auch als schwierige Untergebene.
Andere Soldaten (Freiwillige bevölkerten
das Afrikakorps zuhauf) brachten keine
spezifischen Qualifikationen mit, sie mussten aber eine obligatorische, allerdings
nicht normierte Tropentauglichkeitsuntersuchung durchlaufen. Grundsätzlich wurde auf intaktes Gebiss und belastbaren
Kreislauf geachtet, allerdings führte das
Sanitätspersonal die Tests oft nach eigenem Gutdünken durch. Das medizinische Personal der Panzer-Aufklärungsabtei-
ließ Rommel seine Truppen
am 31. März
1941 aus ihren Ausgangsste
llungen ausbrechen. Der General wollte
die vermeintlich günstige Lage ausnutzen,
die sich aus
den massiven Truppenabzü
gen der
ergab: Das britische Oberkomma Briten
ndo entsandte zahlreiche Einheiten
aus Nordafrika nach Griechenlan
d, um hier dem
Ansturm der Achsenmäch
te Paroli bieten
zu können. Zudem
hielt der britische
Oberbefehlshaber im Nahen
Osten, Archibald Wavell, eine weit
gesteckte Offensive
Durch Gewin
Gewinn
nn dess Hafens
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von Tobruk sollten die Versorgungsw
verkürzt werden
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werd
Die Hafenstadt Tobruk blieb
den (im Bild eine italienische
in britisch-australischer Hand;
CRDA Cant Z.506 in Tripolis)
im Vordergrund erbeutete italienische
Panzer vom Typ Carro Armato
M13/40
Rommel
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Offffensive
gegen Tobruk
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Vorpreschen
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Karte
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ersten
ste Angriffe auf Tobruk
hat hier niemand
verstanden. Obwohl
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Stärk und Besatzung bekannt
war, wurde jedes neu eintreffen
Bataillon
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jeder
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durch. So ist
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vor Tobruk stark angeschl
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recht in den Kopf.
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Urteil
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Oberst von Herff über
auf Tobruk
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Panzerkampfwagen IV
mahlen sich durch
den Wüstensand, vorn
ein abgeschossener
britischer Panzer
Rommel hielt ein offensiv
es Vorgehen gegen die
britischen Truppen für
zwingend erforderlich.
Kräfte in Nordafrika ab,
benötigte man doch Rommels
für unwahrscheinlich,
alle verfügbaren Verbände
wusste er
für den geplan- doch
um die geringen deutsch-ital
ten Feldzug gegen die
Sowjetunion. Rom- schen
ieniKräfte in Libyen.
mel erhielt folglich nur
die Erlaubnis für beDa die ersten Vorstöße
grenzte Vorstöße, sollte
erfolgreich versich ansonsten je- liefen,
fasste Rommel Anfang
doch defensiv verhalten.
April den
Entschluss, weiter vorzurücken
. Innerhalb
Viele Fragezeichen
von nur einer Woche gelang
es seinen Verbänden, die gesamte
Die Bedenken der deutschen
Cyrenaika
zurückMilitärfüh- zuerobern
und bis zur ägyptischen
rung waren keineswegs
Grenze
unbegründet: So vorzustoßen
erwies sich die Sicherstellun
. Lediglich die wichtige
Hafeng des Nach- und Festungsstad
schubs für die Truppen
t Tobruk blieb – eingein Nordafrika als schlossen
von den Achsenmäch
außerordentlich schwierig,
ten – in
waren die britisch-aust
Transporte über das Mittelmeer
ralischer Hand.
doch den
aus der britischen Seeund Luftüberlegen- Die Gunst der
Stunde nutzen
heit resultierenden Gefahren
ausgesetzt. Obwohl
das OKH nach wie vor
Zudem war die deutsche
skeptisch
Ausrüstung nicht war,
entschloss sich der Generalleutn
für einen Krieg in der
Wüste gedacht. Vor
ant
am 9. April, möglichst
allem die Luftfilter der
bald einen Angriff
Panzermotoren auf
Tobruk durchzuführen.
hielten dem staubigen
Schließlich
Wüstenklima nicht band
eine Belagerung des Ortes
stand. Ein möglicher Vormarsch
wichtige
Rommels Kräfte, die
er für einen Marsch auf
musste diese Probleme
Suez benoch vergrößern. nötigte.
Zudem hielt Rommel eine
Wie schon während des
EvakuieFrankreichfeld- rung
der Briten aus Tobruk über
zuges bewies Rommel
den Seeweg
auch in Afrika ein- für
möglich, da das britische
mal mehr, dass ihn solche
OberkommanFragen des Nach- do bereits
etliche Schiffe im Hafen
schubs kaum interessierte
zusamn. Trotz Verbots mengezogen
hatte.
(3)
f ika
Norrdafr
aten in Nordafrika
oldat
die Soldaten
Die Wehrmachtführung wusste vorab kaum, was
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vorgesehe
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die dafür
erwarten würde. Daher war es kein Wunder, dass
fwiesen
aufw
Mängel aufwiesen
Fahrzeuge und Uniformen anfangs erhebliche
1 Stahlhelm für Fallschirmjäger mit
sandfarbenem Tarnanstrich; die
Stahlglocke zeigt noch die ursprüngliche apfelfarbene Lackierung
2 Tropenfeldbluse eines Oberleutnants
im Maschinengewehr-Bataillon 17 mit
Ärmelband „Afrikakorps“
hne auf die Ankunft der
ihm zugesagten Panzerdivision
zu warten,
ging Rommel im Frühjahr
1941 seine
Aufgaben offensiv an. Schon
für Anfang Mai
plante er einen Angriff
auf die Stadt Tobruk,
die ein wichtiges Hindernis
auf dem Weg
nach Ägypten darstellte.
Mithilfe des dortigen Hafens
wollte Rommel den Nachschubweg
des deutschen Afrikakorps verkürzen. Hitler
und das Oberkommando des Heeres
(OKH) lehnten aber
eine weitere Verstärkung
der deutschen
Abb.: Interfoto/Alba, Pixpast
AUSRÜSTUNG
a
frika
Afr
Marschrichtung Afrik
eck und ich fahren zur Heeresbekleidungskammer, um unsere Tropenausrüstung in Empfang zu nehmen.
Was uns hier ,verpasst‘ wird, spottet jeder
Beschreibung. Man merkt, daß Deutschland seit 1918 keine Kolonien mehr besitzt
und somit keine Ahnung hat, was für die
Tropen zweckmäßig ist. Wir hätten nur bei
den mit uns verbündeten Italienern anzufragen brauchen, aber nein, die Intendantur
hat strikt nach preußischer Art die Tropenausrüstung entworfen: Aus festem Stoff eine khakifarbene, eng anliegende Uniform
mit Leinenkoppel und hohen Schnürstiefeln. Dazu ein Tropenhelm, der nach landläufiger Meinung unbedingt in den Tropen
getragen werden muss. […]
Verwundete aus Nordafrika erzählten
uns, daß sie, wie auch viele andere, mit den
Italienern einen schwunghaften Handel
betrieben haben, um wenigstens einen Teil
der Ausrüstung gegen die zweckmäßigeren
Uniformen der Italiener zu tauschen.“ So
berichtet Oberst Hans von Luck – Kommandeur der 3. Panzer-Aufklärungsabteilung und einer von Rommels kampferfahrensten Offizieren – in seinen Erinnerungen
Mit Rommel an der Front.
25
TOBRUK
April 1941: Kurz nach seiner
Ankunft in Afrika
plante Rommel bereits einen
Sturm auf die
Hafenstadt Tobruk, um
den Weg zum Suezkanal
zu öffnen. Doch entgege
n seinem Wahlspruch
„Schweiß statt Blut“ endete
der schlecht geplante
Angriff in einer verlustr
eichen Belagerung
O
„Wehrmachts-Einheitskanister“ waren für Wasser
und Treibstoff vorgesehen und so praktisch,
dass die Briten sie einfach nachbauten
EL ALAMEIN
Nach der ersten Schlacht von El Alamein
im Juli 1942, die Rommels Vormarsch
stoppte, folgte die zweite, entscheidende,
vom 23. Oktober bis zum 4. November.
Sie beendete das Expansionsstreben der
Achsenmächte
Achsenm
mächte in Nordafrika
Blut statt
Schweiß?
ERSTE OFFENSI VE
AUSRÜSTUNG:
Das Magazin verdeutlicht, dass die
Soldaten des Afrikakorps auch mit dem
besonderen Klima zu kämpfen hatten
3
ÜBERSICHT:
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Der KriegsD
sschauplatz
Nordafrika
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1942
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Landung
g in FranzösischNordafrika
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or rrika
ordafr
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ik (Operation
„Torch“) mit dem Ziel,
die Schlüsselhäfen von
Casablanca, Oran und
Algier in Besitz zu
nehmen. 106.000
Soldaten waren
beteiligt
Abb.: Royal Navy, Scherl/SZ Photo, p-a/ZB/Berliner Verlag/Archiv (2), p-a/dpa, dpa/SZ Photo, Grafik: Anneli Nau
Im Wüstensand
SIZILIEN
Der Nachschub erreichte die
Achsenmächte über Häfen in
Italien/Sizilien. Von dort begann
der beschwerliche und verlustreiche Transport über das Mittelmeer
26
Militär & Gesch
Geschichte
hichte
27
IM WÜ
WÜSTENSAND:
ÜSTTENSAND:
Seltene Farbfotos tragen zu einer opulenten Illustrierung der Artikel bei
33
hichte
Gesch
ilitär & Geschichte
Militär
M
32
Clausewitz 3/2021
63
MILITÄR UND TECHNIK
ATOMKEULE: Diese MiG-23 BN des
Jagdbombenfliegergeschwaders 37
„Klement Gottwald“ wären im
Ernstfall als Atomwaffenträger zum
Foto: Hans-Joachim Mau
Einsatz gelangt
64
|
MIG-23
MEHRZWECK-KAMPFFLUGZEUG
MIG-23 IN DIENSTEN DER NVA
1978: Mit der MiG-23 erhalten die DDR-Luftstreitkräfte
ihr erstes Kampfflugzeug
mit Schwenkflügel-Technologie. Das Muster eröffnet
ganz neue Möglichkeiten
zur Bekämpfung gegnerischer Ziele – im Ernstfall
auch mit Nuklearwaffen
Von Hans-Heiri Stapfer
m Sommer 1978 erleben die Luftstreitkräfte der DDR einen echten Quantensprung
in der Militärtechnologie: Erstmals berühren die Räder eines MiG-23-Kampfflugzeuges den Boden des Arbeiter- und Bauernstaates. Die MiG-23 MF glänzt mit einer gegenüber der MiG-21 MF um zwei Drittel
größeren Überführungsreichweite.
I
Neuer Wundervogel
So liegt es in der Natur der Dinge, den neuen
Wundervogel nahe der Grenze zur Bundesrepublik Deutschland zu stationieren: Die
Wahl fällt auf das auf der Flugplatzbasis 43
Clausewitz 3/2021
in Peenemünde an der Ostsee stationierte
Jagdfliegergeschwader 9 (JG-9) „Heinrich
Rau“. Zwischen dem 13. Juli und dem
15. August 1978 führt man der 2. Staffel dieses zur 3. Luftverteidigungsdivision gehörenden Verbandes zwölf MiG-23 MF zu.
Die Bedenken der Flugzeugführer wegen
des völlig ungewohnten SchwenkflügelMechanismus sind schnell verflogen: Das
von der NATO als Flogger B bezeichnete
Muster erweist sich als durchaus robustes
und zuverlässiges Waffensystem. Über die
Flugeigenschaften bewahren die Piloten des
Warschauer Vertrages vornehmes Schwei-
gen. Hinter vorgehaltener Hand macht allerdings das im Westen nicht unbekannte Wort
„Witwenmacher“ die Runde.
Dank der MiG-23 MF sind die Luftstreitkräfte nun in der Lage, die R-23-Luft-LuftLenkwaffen (NATO-Bezeichnung AA-7 Apex)
für die Bekämpfung von Zielen auf einer Distanz von bis zu 45 Kilometern einzusetzen.
Das mit einer Erfassungsreichweite von 55 Kilometern ausgestattete Radar Saphir-23D-III
(NATO-Bezeichnung High Lark), gepaart mit
dem Feuerleitsystem ASP-23D-III, verleiht
den Flugzeugführern erstmals die Möglichkeit, gegnerische Flugzeuge auf Gegenkurs
65
MIG-23
BEI DER LANDUNG: Diese einschwebende
MiG-23 ML (Werknummer 03903 2433)
„Rote 367“ trägt an den Rumpf-Waffenstationen vier der ab 1982 eingeführten R-60
MK (NATO-Bezeichnung AA-8 Aphid)
Alle Fotos: Hans-Joachim Mau
abzufangen. Während ihres Bestehens müssen die Luftstreitkräfte der Nationalen Volksarmee (NVA) drei Flogger B abschreiben.
Satte Bruchlandung
Am 7. Juli 1978 überschießt die MiG-23 MF
(Werknummer 03902 13294) „Rote 574“ während starker Regenschauer die Landebahn
und besitzt nur noch Schrottwert. Nach einer
satten Bruchlandung am 21. Februar 1983 ist
die MiG-23 MF (Werknummer 03902 13089)
„Rote 564“ nicht mehr instandzusetzen. Beide
Maschinen gehen als Lehrmittel zur Offiziershochschule „Franz Mehring“ in Kamenz.
Ein Triebwerkschaden zieht die MiG-23
MF (Werknummer 03902 13354) „Rote 596“
so schwer in Mitleidenschaft, dass man sie
im Juli 1987 in der Flugzeugwerft Dresden
verschrotten muss. Dieser an der Elbe ansässige Betrieb ist dafür verantwortlich, alle
Flogger-Varianten industriemäßig zu überholen.
Hand in Hand mit der Beschaffung der
Flogger B geht die Lieferung des MiG-23-UBTrainers einher. Die NVA ordert insgesamt
66
BEREIT ZUM ABHEBEN: Eine MiG23 MF der 2. Staffel des Jagdfliegergeschwaders 9 „Heinrich Rau“
rollt in Peenemünde zum Start
elf Einheiten. Wie alle Trainingsflugzeuge
im Bestand der Luftstreitkräfte, erhalten die
MiG-23 UB schwarze taktische Nummern.
Der Flogger-Pionier in der DDR ist dann
auch die zweisitzige Trainervariante. Die
erste MiG-23 UB (Werknummer A 103 7825)
„Schwarze 101“ gelangt am 13. April 1978
in den Bestand der Luftstreitkräfte. Mit der
MiG-23 UB (Werknummer A 103 8506)
„Schwarze 103“ stellen die Luftstreitkräfte
im September 1985 ihren letzten Trainer in
Dienst.
Rettung mit dem Schleudersitz
Die Flogger C kommt ausschliesslich beim
JG-9 sowie dem Jagdbombenfliegergeschwader 37 (JBG-37) zum Einsatz. Drei Exemplare
gehen durch Unfälle verloren. So stürzt am
3. Oktober 1983 die zum JG-9 gehörende
MiG-23 UB (Werknummer A 103 8222)
„Schwarze 108“ beim Landeanflug in der
Nähe von Peenemünde ab. Die Besatzung
findet den Tod. Während einer Luftkampfübung in geringer Höhe schrammt am 21.
Mai 1986 die MiG-23 UB (Werknummer A
TRAGISCH: Die MiG-23 BN (Werknummer
03932 14219) „Rote 705“ stürzt
am 5. Juni 1980 bei Beeskow ab
103 82 85) „Schwarze 110“ des JG-9 bei Hanshagen in bewaldetes Gelände. Die Besatzung
kann sich mit dem Schleudersitz retten. Das
JGB-37 muss am 17. Juni 1987 die erste an
die DDR gelieferte Flogger C „Schwarze
101“ von ihrer Inventarliste streichen, nachdem die Maschine kurz nach dem Start in
Drewitz abstürzte. Die Crew hat sich in Sicherheit katapultiert.
Leichtgewicht – MiG-23 ML
Zahlenmäßig gesehen bildet die ab 1982 eingeführte MiG-23 ML (Flogger G) das Rückgrat des JG-9. Gegenüber der Flogger B besitzt die MiG-23 ML eine markant verbesserte Manövrierfähigkeit im Nahluftkampf.
Optisch unterscheidet sich die MiG-23 ML
vom Vorgängermuster durch den Wegfall
des Knicks im Seitenleitwerk. Die wahren
Verbesserungen schlummern allerdings unter der Hülle. Dank konsequenter Leichtbauweise bringt diese Version rund eine Tonne
weniger auf die Waage.
Das verbrauchsarme Khachaturov-R-35300-Triebwerk verfügt zudem über 127,5 Ki-
Tragische Todesfälle
TECHNISCHE DATEN
MiG-23 ML
NATO-CODE FLOGGER G: Diese MiG-23 ML (Werknummer
03093 24619) „Rote 330“
ist mit einer R-13-U-SchreiberRakete ausgerüstet
lonewton-Nachbrenner-Schub. Das sind sieben Prozent mehr als beim überaus durstigen R-29-300 der MiG-23 MF. Die Flogger G
ist mit einem RP-23ML-Saphir-III-Radar ausgerüstet, das zusammen mit dem Feuerleitkomplex S-23D-III und dem Autopiloten
SAU-23AM perfekt auf den Luftkampf in
mittleren Höhen zugeschnitten ist.
Die insgesamt 32 an die DDR gelieferten
MiG-23 ML rollen im Staatlichen Flugzeugwerk 30 „Znamya Truda“ („Banner der Arbeit“) in Moskau-Chodinka vom Band. Diese
Flogger G kommen ausnahmslos im JG-9
zum Einsatz. Dort ersetzen sie in der 1. und
3. Staffel die bis dahin verwendeten MiG21 MF.
Tragischer Tod
Das JG-9 muss vier Verluste hinnehmen. Die
Ostsee gibt nur wenige Trümmerteile der am
9. März 1983 während eines nächtlichen Abfangeinsatzes bei Heringsdorf vermissten
MiG-23 ML (Werknummer 03903 24044)
„Rote 598“ preis. Bei diesem Unfall findet
der Flugzeugführer den Tod. Am 12. März
Clausewitz 3/2021
SELTENER ANBLICK: Nur
zwei MiG-23 UB der Luftstreitkräfte der NVA sind
ganz in Grau gehalten. Die
„Schwarze 110“ teilt sich in
Peenemünde den Hangar
mit einer MiG-23 ML
Besatzung
Triebwerk
Schub
Geschwindigkeit
Gipfelhöhe
Aktionsradius
Leergewicht
Startgewicht
Spannweite
Länge
Höhe
Hersteller
1984 stürzt die MiG-23 ML (Werknummer
03903 24047) „Rote 599“ nach einem Triebwerksbrand ebenfalls in die Ostsee. Der
Flugzeugführer kann sich zwar katapultieren, ertrinkt aber in den eisigen Fluten. Die
MiG-23 ML (Werknummer 03093 24625)
„Rote 332“ erleidet am 4. Januar 1988 einen
kapitalen Triebwerksbrand und ist nicht
mehr zu reparieren.
Delikater Kernauftrag
Die Luftstreitkräfte der DDR verlieren ihre
letzte Flogger G nach dem Mauerfall: Während einer Kunstflugvorführung vor Mitgliedern des westdeutschen Verteidigungsausschusses am 13. September 1990 stürzt
die MiG-23 ML (Werknummer 03903 24014)
„Rote 519“ über dem Greifswalder Bodden
ab. Der Pilot kommt dabei ums Leben.
Die Existenz der MiG-23 BN Flogger H
hätten wohl Partei- und die Luftstreitkräfteführung am liebsten unter den Tisch fallen
lassen. Denn der Jagdbomber birgt in mehrfacher Hinsicht einigen politischen Zündstoff. Gerne vermittelt die DDR in ihrer nach
1
1 x Strahltriebwerk Khachaturov R35-300
84 kN, mit Nachbrenner 127,5 kN
2.500 km/h in 12.500 m Höhe
17.700 m
700 km
10.230 kg
17.800 kg
7,78 m bis 13,97 m
15.58 m (ohne Staurohr)
4,82 m
MiG Versuchskonstruktionsbüro
Westen gerichteten Propaganda das Bild einer reinen Verteidigungsarmee. Da passen
die für Offensivschläge beschafften Jagdbomber aus dem Hause MiG (Mikojan-Gurewitsch) schlecht ins Konzept. Besonders
wegen ihres durchaus delikaten Kernauftrages: Die MiG-23 BN ist als lupenreiner Atomwaffenträger gedacht.
Die Luftstreitkräfte der DDR erhalten
zwischen Juli 1979 und Juni 1981 insgesamt
22 MiG-23 BN, die ausnahmslos dem JBG-37
„Klement Gottwald“ zugeteilt sind. Dieser
am 1. Oktober 1971 aus der Taufe gehobene
Verband ist auf der Flugplatzbasis 57 in Drewitz im Bezirk Cottbus stationiert und bis
zum Wechsel auf die MiG-23 BN mit den auf
Jagdbomber getrimmten MiG-17 F Fresco C
ausgerüstet. Ein Grund für die Wahl der
MiG-23 BN als neuer Standard-Jagdbomber
ist die weitgehende Übereinstimmung des
Grundaufbaus mit der gut eingeführten Jägervariante der MiG-23.
Im Gegensatz zu den MiG-23 MF/ML
besitzt die Jagdbombervariante kein Radar-,
dafür aber ein Sokol-23N-Navigations- und
67
MIG-23
MATERIELLER VERLUST: Die
MiG-23 UB (Werknummer A 103
8285) „Schwarze 110“ geht am
21. Mai 1986 während einer Luftkampfübung verloren. Die Besatzung überlebt
Foto: Hans-Joachim Mau
Angriffssystem. Das Sokol-23N glänzt mit
der Möglichkeit, mehrere zuvor programmierte Ziele automatisiert zu bekämpfen.
Die sowjetische Technik stemmt einen au-
AUS GEHEIMHALTUNGSGRÜNDEN:
Bei dieser im August 1985 in Holzdorf vor SED-Funktionären vorgeführten MiG-23 BN „Rote 731” wurde die erste Ziffer der taktischen
Nummer übermalt Foto: Hans-Joachim Mau
tomatisch ablaufenden Einsatz – inklusive
des Abwurfs der Kampfmittel ohne Bodensicht. Das stellt gegenüber der MiG-17 einen
Quantensprung in der Waffentechnik dar.
HINTERGRUND
Zur Typengeschichte
Die MiG-23 ist der einzige vom Versuchskonstruktionsbüro MiG (Mikojan Gurewitsch) entwickelte Schwenkflügler. Der Prototyp absolviert am 10. Juni 1967 den Erstflug. Im Mai
1969 geht das erste Serienmuster MiG-23 S
Flogger A in Produktion. Es folgt zwei Jahre
später die MiG-23 M, auf deren Grundlage
die an sämtliche Staaten des Warschauer
Vertrages gelieferte Exportvariante MiG-23
MF entstand. Die nächste Entwicklungsstufe
stellt die MiG-23 ML dar, deren Prototyp am
21. Januar 1975 erstmals fliegt. Die Produktion dieses Musters startet bereits ein Jahr
später und dauert bis 1983 an.
Innerhalb des Warschauer Vertrages operieren nur die DDR sowie die Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) mit der
Flogger G. 1992 erhält Bulgarien neun MiG-
68
23 MLD Flogger K. Der Prototyp der MiG-23UB-Trainervariante erhebt sich im Mai 1969
zum Erstflug, die Produktion startet 1971.
Bis 1978 laufen in Irkutsk 769 MiG-23 UB
vom Band. Die nach diesem Zeitpunkt in den
östlichen militärischen Beistandspakt exportierten Flogger C sind größtenteils grundüberholte Exemplare, die zuvor bei den sowjetischen Luftstreitkräften Dienst leisteten.
Der Produktionszyklus der MiG-23 BN im
Staatlichen Flugzeugwerk 30 „Znamya Truda“ spannt sich von 1974 bis 1985. In diesem Zeitraum verlassen 624 Einheiten die
Taktstraße von Moskau-Chodinka. Der Löwenanteil dieses Musters ist für den Export
bestimmt. Innerhalb des Warschauer Vertrages übernehmen nur Bulgarien, die DDR sowie die ČSSR die Flogger H.
IM KALTEN KRIEG: Die im Juni
1982 vom Jagdfliegergeschwader
9 übernommene MiG-23 ML macht
sich für einen Trainingsflug bereit.
Aus Geheimhaltungsgründen hat
man der taktischen Nummer eine
„1“ hinzugefügt Foto: Hans-Joachim Mau
Wohl ist die mit dem nachbrennerlosen
R-29B-300 ausgerüstete MiG-23 BN als konventioneller Erdkämpfer geeignet. Sie kann
in dieser Rolle ein ziemlich beeindruckendes Arsenal an Abwurfwaffen im Gewicht
von bis zu 3.000 Kilogramm mitführen, darunter die funkkommandogelenkte Ch-23 M
(NATO-Bezeichnung Kerry) oder Bomben
bis zu einem Kaliber von 500 Kilogramm.
Ihr Kernauftrag ist allerdings der Transport
einer einzelnen 500-kg-Atombombe mit einer Sprengkraft von knapp 30 Kilotonnen.
Das entspricht immerhin dem zweieinhalbfachen Kaliber der am 6. August 1945 mit
der B-29 Superfortress „Enola Gay“ über
Hiroshima abgeworfenen Atombombe
„Little Boy“.
Diva der Lüfte
Als Nuklearwaffenträger wäre die MiG-23
BN mit einem entsprechenden Bombenreck
versehen worden. Dazu hätten die Warte einige Schalter im Cockpit sowie dem Heckbereich umgelegt. Die Nuklearwaffen hätte
die Sowjetunion zur Verfügung gestellt.
Technischer Quantensprung
BEIM „GROSSEN BRUDER“: Eine MiG-23 MF des Jagdfliegergeschwaders 9 schwebt auf einem
Flugplatz der 16. Luftarmee zur
Landung ein
Foto: Hans-Joachim Mau
SPÄTERES SCHAUSTÜCK: Diese MiG-23 BN gelangt nach
1990 als 20-52 zur Wehrtechnischen Dienststelle 61 in Manching und ist heute Teil der
Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz
Foto: Marcus Fülber
Die für diese möglichen Kernwaffen-Missionen ausgewählten Offiziere und Flugzeugführer sind damals zu größter Geheimhaltung verpflichtet und absolvieren über Peenemünde spezielle Bombenwurf-Lehrgänge.
Die MiG-23 BN gilt als eine Diva der Lüfte. Das Muster ist für die Piloten äußerst anspruchsvoll zu fliegen und verzeiht keinen
Steuerungsfehler. Das liegt unter anderem
auch am für niedrige Höhen konzipierten
Autopiloten SAU-23B1 und der Tatsache,
dass die für die Steuerung verantwortlichen
Stellmotoren sich als entwicklungstechnisch
unausgereift präsentieren. Es ist kein Wunder, dass das JBG-37 vier seiner Flugzeuge
einbüßt. Den ersten Verlust erleidet das JBG37 am 5. Juni 1980, als der Pilot vergeblich
versucht, die MiG-23 BN (Werknummer
03932 14219) „Rote 705“ über Beeskow in
Brandenburg aus dem Flachtrudeln zu befreien und bei diesem Manöver den Tod findet. Am 29. Juli 1982 gerät die MiG-23 BN
(Werknummer 03932 14216) „Rote 699“
ebenfalls in ein Flachtrudeln und stürzt bei
Eisenhüttenstadt ab. Der Pilot kann sich mit
Clausewitz 3/2021
NEUES HOHEITSZEICHEN:
Für die Fotografen hat man
diese MiG-23 MF (Werknummer 03902 13100) 20-05
(ehemals „Rote 585“) „umgewidmet“
Foto: Marcus Fülber
dem Fallschirm retten. Nach dem Verlust
der Raumorientierung in dichten Wolken
findet der Flugzeugführer am 4. Dezember
1985 in der Nähe von Drewitz in seiner MiG23 BN (Werknummer 296322 2831) „Rote
731“ den Tod. Ein Ausfall der Längstrimmung führt am 12. Juni 1986 zum Absturz
der MiG-23 BN (Werknummer 03932 15730)
„Rote 719“ bei Forst – der Schleudersitz KM1M leistet tadellose Arbeit.
Begierde des Westens
Mit der Wiedervereinigung beider deutscher
Staaten am 3. Oktober 1990 rückt die MiG-23
ins Rampenlicht der Begierde des Westens.
Die in Manching bei Ingolstadt ansässige
Wehrtechnische Dienststelle 61 (WTD-61)
testet zwei MiG-23 ML sowie drei MiG-23
BN auf Herz und Nieren. Lediglich für die
Flugerprobung herangezogene Flogger erhalten das Hoheitszeichen Eisernes Kreuz.
Die Bundesluftwaffe entspricht zudem
einem Begehren des amerikanischen Verteidigungsministeriums, ihr sechs MiG-23 ML
zu überlassen. Diese über Monate in Laage-
NEUE VERWENDUNG: Die
MiG-23 BN (Werknummer
03932 14213) 20-45 (ehemals „Rote 697“) wird 1992
zum Royal Aeronautical
Establishment in Farnborough überführt Foto: Marcus Fülber
Kronskamp am Boden gefesselten Flogger
G werden aus ihrem Dornröschenschlaf
wachgeküsst. Da kein fliegendes Personal
des JG-9 mehr zur Verfügung steht, verlegen nach einigen Eingewöhnungsflügen Piloten des ehemaligen JGB-37 am 27. und 28.
März 1991 die MiG-Maschinen zur Ramstein Air Base.
Im Bauch einer Lockheed C-5 Galaxy gelangt das begehrte Gut in die Vereinigten
Staaten, wo die ostdeutschen MiG-23 ML in
den Bestand der Defense Test and Evaluation
Support Agency (DTESA) übergehen. Im Jahr
1993 erhält die USA weitere sechs MiG-23 MF
sowie zwei MiG-23 BN aus NVA-Beständen.
Es ist ironischerweise der ehemalige „Klassenfeind“ USA, der noch Jahre nach dem Kollaps der DDR die ehemaligen Luftstreitkräfte-Flogger munter in der Luft hält.
Hans-Heiri Stapfer, Jg. 1962, wohnt am Zürichsee
und interessiert sich seit frühester Jugend für sowjetische Flugzeuge. Der Schweizer Aviatikjournalist hat zu
diesem Thema verschiedene Fachpublikationen in den
Vereinigten Staaten, England sowie der DDR verfasst.
69
KURIOSITÄTEN & MYSTERIEN
|
GENERALSTABSCHEF LUIGI CADORNA
Der italienische Generalstabschef Luigi Cadorna
GÖTTER, HELDEN
UND LUIGI
Von Stefan Krüger
Auch Italien erlebt im Ersten Weltkrieg sein „Tannenberg“, als es 1917 eine
katastrophale Niederlage einstecken muss. Die Gründe mögen vielfältig
sein, doch sind sie vor allem mit einem Namen verknüpft: Luigi Cadorna
KRIEG IN DER EISHÖLLE: Der italienische
Oberbefehlshaber Cadorna hätte sich für seine Offensiven kaum ein schlechteres Terrain
aussuchen können. Im Bild ein österreichischer MG-Trupp im Jahr 1917, als die
Mittelmächte in den Alpen ihren größten
Sieg erringen sollten
Foto: Windmill/Robert Hunt Library/UIG/ Bridgeman Images.
70
B
egeht man einen Fehler, ist das nur menschlich. Machen wir den gleichen Fehler dreimal, ist es zumindest dämlich. Wiederholt man jedoch den gleichen
Fehler zum elften Male, ist es Wahnsinn – willkommen
an der Isonzofront!
Der hübsche Ausdruck „Treulose Tomate“ stammt
vermutlich aus dem Ersten Weltkrieg, als Italien aufseiten der Entente in den Krieg eintritt, obwohl es über den
Dreibund (1882) eigentlich mit den Mittelmächten im
Bündnis steht. Nüchtern betrachtet, hat Italien seine Karten gut gespielt: Erst als feststeht, dass die Entente-Mächte
langfristig im Vorteil sind, erklärt Italien am 23. Mai 1915
Österreich-Ungarn den Krieg. Rom hat sich das ehrgeizige
Ziel gesteckt, angrenzende Regionen der Donaumonarchie zu erobern, in denen italienische Minderheiten leben,
darunter Südtirol und das Küstenland rund um Triest.
Italien muss dafür allerdings einen hohen Preis zahlen. Paris und London erwarten, dass Rom eine neue, eigenständige Front im Alpenraum eröffnet – schließlich
ist der Erste Weltkrieg ein „Geschäft“, in dem nur eine
einzige Währung zählt: Blut. Die Verantwortlichen in
Rom finden auch rasch einen scheinbar passenden Kandidaten für das Amt des Generalstabschefs – Cadorna.
Luigi Cadorna kommt am 4. September 1850 zur Welt.
Die Fußstapfen, in die er treten muss, sind denkbar groß.
Ist sein Vater doch kein Geringerer als Raffaele Cadorna
der Ältere, der Held der italienischen Einigungskriege.
Ehrensache, dass Luigi bereits im zarten Alter von zehn
Jahren eine Militärschule besucht, ehe er mit 15 zur Militärakademie wechselt. Diese wird er drei Jahre später
als Bester seines Jahrgangs verlassen.
Im Windschatten seines berühmten Vaters steigt er
rasch auf und erhält erste wichtige Posten. Krieg führen,
das heißt für ihn angreifen. Entsprechend bildet er seine
Männer aus, als er das Kommando über das 10. Bersaglieri-Regiment erhält. Schwächen und Fehler toleriert er
nicht. Dafür prügelt er den Soldaten eine eisenharte Disziplin ein, sodass sogar ein altpreußischer Unteroffizier
voller Ehrfurcht die Hacken zusammengeschlagen hätte.
Im Jahr 1908 bietet ihm Rom den Posten des Generalstabschefs an. Doch Cadorna lehnt ab, da er den Eindruck hat, dass die Politik ihn an eine zu kurze Leine
nehmen würde. Als der Erste Weltkrieg 1914 ausbricht,
akzeptiert er jedoch die Offerte. Die Armee, mit der er
AUF DIE SPITZE
GETRIEBEN: Diese
italienischen Soldaten bahnen sich
1916 einen Weg
durchs Hochgebirge.
Ein Durchbruch
sollte ihnen aber
wie schon 1915
verwehrt bleiben
Foto: Granger/Bridgeman
Images
Clausewitz 3/2021
SCHWINDELERREGEND:
Österreichische
Soldaten versuchen,
einen Gebirgskamm
zu überwinden. Insgesamt war Österreich auf den Alpenkrieg besser vorbereitet
Foto: Granger/Bridgeman
Images
ein Jahr später gegen Österreich-Ungarn ins Feld ziehen
soll, kann sich sehen lassen – zumindest auf dem Papier.
So umfasst sie zwar 875.000 Mann, zählt aber nur 120
Geschütze. In einem Konflikt, in dem die Artillerie die
wichtigste Waffe darstellt, ist dies bemerkenswert.
Cadorna jedenfalls bleibt seinen vor nunmehr 20 Jahren verfassten Grundsätzen treu und geht in die Offensive. Bis Dezember 1915 startet er gleich vier Großangriffe, die allesamt krachend scheitern. 175.000 Mann verliert
Italien bei den Versuchen, nach Triest durchzubrechen,
während die k. u. k. Armee rund 123.000 Tote, Verwundete und Gefangene zu beklagen hat.
Der Erste Weltkrieg mit seinen beschränkten technischen Möglichkeiten begünstigt den Verteidiger massiv.
Und umso mehr zählen diese Vorteile im Gebirgskrieg.
Nur eine hervorragende Ausrüstung, gepaart mit taktischer Raffinesse, hätte an der Isonzofront zum Erfolg
führen können, doch Cadorna besitzt weder das eine
noch das andere.
Stattdessen peitscht er seine Männer auch 1916 wieder nach vorne, insgesamt fünf Offensiven und allesamt
mit dem gleichen Ziel und Ergebnis, wenn man von kosmetischen Geländegewinnen absieht. Cadorna kommt
es nie in den Sinn, seine Methode oder, noch besser, die
italienische Strategie als Ganzes zu hinterfragen.
Drakonische Strafen
Schuld sind in seinen Augen die „apathische Heimatfront“, seine Offiziere und natürlich der gemeine Soldat.
Letzterer zeigt, wie er glaubt, nicht genug Willen und Disziplin. Um diese zu fördern, erlässt Cadorna drakonische
Sanktionen und führt sogar die Todesstrafe ein. 750 Männer lässt er bis Ende 1917 vor das Erschießungskommando schleifen (mehr als Petain!). Außerdem entlässt er 217
Offiziere wegen Inkompetenz – nur nicht sich selbst.
Trotz seiner überaus mageren Bilanz muss Cadorna
keine schlechte Presse fürchten, im Gegenteil. Im Mai
GENERALSTABSCHEF LUIGI CADORNA
... mussten seine
Männer bezahlen.
Hundertausende erlebten das Kriegsende nicht mehr. Die
Aufnahme zeigt gefangene Italiener,
die einen verwundeten Österreicher
nach hinten bringen
müssen
Foto: SZ Photo/Scherl/
Bridgeman Images
FÜR DEN GENERAL:
Cadornas Grausamkeit gegenüber den
eigenen Soldaten
wurde nur noch von
dessen Einfaltslosigkeitt übertroffen.
Die Zeche ...
Foto: Mondadori Portfolio/
Bridgeman Images
SPITZENTREFFEN:
Cadorna trifft sich
im März 1916 mit
den Oberbefehlshabern von Großbritannien und Frankreich.
Insbesondere Joseph
Joffre (hinten) führte
seine Truppen deutlich besser
Foto: Bridgeman Images
1916 veröffentlicht die britische The Times gen. Sie scheitern kläglich. Italien kostet dies rund 310.000
einen Jubel-Artikel, der frei von Ironie ei- Soldaten, darunter 66.000 Tote.
Diese katastrophale Bilanz ist jedoch nicht nur dem
ne Verbindung von Napoleon zu Cadorna zieht. Der bemerkenswerte Beitrag schließt mit den Worten: „Es gibt schwierigen Gelände und den Mängeln der italienischen
keinen italienischen Soldaten, der nicht daran glaubt, Armee geschuldet. Es liegt auch sehr an Cadornas Fühdass Cadorna die Armee zum Sieg führen wird.“ Der rungsstil. Kritik, und sei sie auch noch so konstruktiv
und sachlich vorgetragen,
Autor hätte vielleicht noch
wertet er als Angriff auf seihinzufügen sollen, welche
„Mit dem sadistischen Vergnügen eines
ne Autorität und schmettert
Armee er eigentlich meint –
die italienische oder die Feldwebels des Ancien Régimes warf Cadorna sie ab. Einen engen Kontakt
zur Front, um sich wenigsösterreichische?
seine Soldaten immer wieder gegen
tens ein eigenes Bild von
Im Jahr 1917 verschlechden österreichischen Stacheldraht.“
der Lage zu machen, hält er
tert sich die Lage für die Entente dramatisch. Franknicht. Im Gegenteil: GegenKnox MacGregor, US-Historiker
reich muss im Frühjahr 1917
über den Sorgen und Nöten
eine einjährige Zwangspauseiner Männer zeigt er sich
se einlegen, Serbien und Rumänien sind schon längst be- völlig gleichgültig. Das Comando Supremo mutiert auf
siegt und Russland scheidet im Laufe des Jahres de facto diese Weise zu einer Parallelwelt, die sich mehr und
mehr vom Frontalltag loslöst.
aus dem Krieg aus.
Die Mittelmächte haben indes das nahe Kriegsende im
Klägliches Scheitern
Osten genutzt, um starke Kräfte an die Italienfront zu verUnd ausgerechnet in dieser Lage, als die Mittelmächte legen. Der 67-Jährige jedoch kann oder will nicht erkenneue Kraft schöpfen, initiiert Cadorna seine bis dato größ- nen, was sich bei den „Teutonen“ zusammenbraut und
ten Offensiven. Zweimal treten die Italiener zwischen Mai befiehlt seinen Verbänden, die offensive Aufstellung zu
und September 1917 an, um den Durchbruch zu erzwin- wahren. Erst wenige Tage vor dem Großangriff beginnt
Cadorna doch zu zweifeln und befiehlt, Defensiv-Positionen einzunehmen. Doch anstatt persönlich und energisch
dafür zu sorgen, dass die Order prompt ausgeführt wird,
verharrt er in seinem Hauptquartier und lässt zu, dass
seine Untergebenen viel Zeit vertrödeln.
Für die Mittelmächte ist dies wie eine Einladung: Am
24. Oktober 1917 eröffnen sie die 12. Isonzoschlacht, in
der sie die Italiener geradezu vernichtend schlagen. Innerhalb weniger Tage töten oder verwunden die Truppen der Mittelmächte 40.000 Mann und machen knapp
300.000 Gefangene. Darüber hinaus erbeuten sie über
5.000 Geschütze und Minenwerfer, knapp 3.000 MG und
unzähliges weiteres Kriegsmaterial. Die Verantwortlichen in Rom haben nun jedenfalls genug und entlassen
den glücklosen General am 9. November 1917.
Dessen ungeachtet wird Cadorna später noch eine
zweifelhafte Ehre zuteil: 1924 ernennt ihn Mussolini, der
von Cadornas Führungsstil beeindruckt war, zum Marschall. Vollständig „rehabilitiert“, stirbt Cadorna vier
Jahre später im Alter von 78 Jahren.
Stefan Krüger, Jg. 1982, Historiker aus Dasing.
72
ISBN 978-3-86646-144-4 | Preis: 19,90 €
ISBN 978-3-86646-126-0 | Preis: 19,90 €
ISBN 978-3-86646-112-3 | Preis: 19,90 €
ISBN 978-3-86646-060-7 | Preis: 34,50 €
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MILITÄR UND TECHNIK
|
PANZER 38 (D)
Geheimprojekte auf Basis des Panzerkampfwagens 38 (t)
Unvollendete
Hoffnungsträger
1939–1945
Ausgehend vom Panzerkampfwagen 38 (t), entwickeln deutsche
Konstrukteure eine Vielzahl an Ideen für neue Fahrzeuge. Besonders der Panzer 38 (d)
scheint Erfolg versprechend. Gelingt ein großer Wurf?
Von Thomas Anderson
VIELSEITIG: Der Panzerkampfwagen 38 (t)
besitzt 1939/40 etwa denselben Kampfwert wie der Panzerkampfwagen III. 1942
führt man den leichten Panzer weiteren
Aufgaben zu, er ist zudem Ausgangspunkt
für zahlreiche geheime Projekte
Foto: Sammlung Anderson
M
it der Zerschlagung der „Rest-Tschechei“ im Frühjahr 1939 finden zwei
„neue“ Panzertypen aus ausländischer
Produktion den Weg in die deutschen Arsenale. Beide wird die Wehrmacht im Polen- und
Frankreichfeldzug einsetzen. Bereits 1940 stellt
das Heer zwei Divisionen (7. und 8. Panzerdivision) mit dem Panzerkampfwagen (PzKpfw)
38 (t) auf. Dieser leichte „Tschechen-Panzer“
ersetzt die Planstelle des PzKpfw III.
74
Im Jahr 1941, beim Angriff auf die Sowjetunion, sind fünf der 17 beteiligten Panzerdivisionen der Wehrmacht (7., 8., 12., 19. und
20.) mit dem PzKpfw 38 (t) ausgestattet.
Rechnet man die 6. Panzerdivision mit ihren
PzKpfw 35 (t) zu, ist im Sommer 1941 mehr
als ein Drittel der deutschen Panzerstreitmacht mit Kampfwagen aus tschechischer
Produktion ausgerüstet. Die schnellen Panzer passen gut zur deutschen Kampfdoktrin
des Bewegungskriegs und können sich während der Zeit der „Blitzsiege“ oft bewähren.
Doch das ausgehende Jahr 1941 erweist
sich als dramatischer Wendepunkt, denn vor
den Toren Moskaus stößt der „Blitzkrieg“ an
seine Grenzen. Weiterentwicklungen schreiten rasant voran, die tschechischen Fahrzeuge sind als Panzer technisch bereits überholt.
Für die deutsche Militär- und Heeresführung stellen sich angesichts dieser Tatsache
WEITERENTWICKLUNGEN:
Der Hetzer (im Bild) basiert
auf dem Panzerkampfwagen
38 (t). 1945 soll der neue
Panzerjäger 38 (d) wiederum aus dem Hetzer hervorgehen, doch der Kriegsverlauf verhindert die Produktionsreife Foto: Sammlung Anderson
GESCHICKTE FORMGEBUNG: Leichter
Jagdpanzer 38, von der Truppe Hetzer
genannt. Durch Umkonstruktion soll
1945 ein verbesserter Panzerjäger mit
leistungsstärkerer Kanone folgen, doch
dazu kommt es nicht mehr
Foto: Sammlung Anderson
drängende Fragen: Was soll nun mit den in
großen Stückzahlen vorhandenen PzKpfw 38
(t) geschehen? Wie passt der Hersteller Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik (BMM,
vormals CKD) noch in die Plänen für die
deutsche Rüstungsindustrie?
Neue Weiterentwicklungen
Zunächst ersetzt man im Heer sukzessive
den PzKpfw 38 (t) durch den PzKpfw III mit
5-cm-Kampfwagenkanone. Zu Beginn der
Sommeroffensive 1942 an der Ostfront ist lediglich die 22. Panzerdivision fast vollständig mit 118 PzKpfw 38 (t) ausgestattet. Weitere vier Panzerdivisionen führen noch geringe Stückzahlen im Bestand.
Bereits seit April 1942 läuft die Produktion von Panzerjäger-Selbstfahrlafetten auf
Basis des PzKpfw 38 (t). Unter Nutzung der
russischen 7,62-cm-Beute-Pak und später
auch der 7,5-cm-Pak 40 liefert die Rüstungsindustrie bis Mai 1944 über 1.200 Selbstfahrlafetten (Sfl) aus.
Außer mit den Panzerabwehrgeschützen
der 7,5-cm-Klasse rüstet man den PzKpfw 38
(t) bald mit dem schweren Infanteriegeschütz (15-cm-sIG 33) aus.
Bis Mitte 1943 verwendet man die kaum
veränderte Wanne des PzKpfw 38 (t), dann
folgt der Geschützwagen 38 (GW 38). Indem
die Ingenieure den GW 38 heranziehen, entClausewitz 3/2021
wickeln sich Projekte, die sogar den Einbau
der Panther-Kanone 7,5-cm-L/70 „überlang“ vorsehen. Die weitreichende Waffe
hätte den Panzerjäger-Abteilungen eine sehr
wirkungsvolle Waffe gegeben. Man lässt das
Projekt letztlich jedoch fallen. Auf Basis des
GW 38 wird aber der Flakpanzer 38 (t) gebaut. 141 Fahrzeuge laufen der Truppe zu.
Aufklärungsvariante
Um einerseits die vorhandenen Kapazitäten
bestmöglich zu nutzen und anderseits tatsächlich vorhandene Lücken zu füllen, entwickeln die Konstrukteure und Ingenieure
einen Aufklärungspanzer auf Basis des nur
wenig veränderten PzKpfw 38 (t). Auf einen
genieteten winkligen Aufbau setzt man den
Drehturm des Sonderkraftfahrzeugs 250/9
(Ausf B) mit der 2-cm-Hängelafette auf. 70
Fahrzeuge entstehen, doch der Entwurf
stellt eher eine Notlösung als den großen
Wurf dar.
In ähnlicher Weise schlagen Experten
vor, die 1942/43 in großen Mengen verfügbare 7,5-cm-Kampfwagenkanone L/24 des
PzKpfw IV auf einen ähnlichen, größeren
Aufbau zu montieren. Auf Basis des GW 38
entstehen weitere Vorschläge zur Schaffung
von Aufklärungsfahrzeugen, etwa mit einem 8-cm-Granatwerfer 34 in einem offenen Aufbau.
Bereits vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs forderte das Heereswaffenamt einen
schnellen Aufklärungspanzer auf Vollketten-Fahrgestell. Indem die Ingenieure Bauteile des PzKpfw 38 (t) verwenden, entwickelt BMM den PzKpfw 38 (t) „neuer Art“.
Dieser entspricht im Großen und Ganzen
seinem Vorgänger. Er erreicht aber eine
deutlich höhere Geschwindigkeit und ist
mit verbesserten Beobachtungsmitteln versehen. Auch hier kommt es nicht zu einer
Serienfertigung.
Zwei Jahre nach dem Panzerschock des
Jahres 1941, bei dem die Wehrmacht böse
Überraschungen an der Ostfront erlebte,
fährt die deutsche Panzerwaffe zweigleisig.
Die modernisierten Varianten des
PzKpfw IV sind in der Lage, auch die moderneren sowjetischen Panzer wie T-34 und
KW (Kliment Woroschilow) sowie den amerikanischen M4 Sherman mit Aussicht auf
Erfolg zu bekämpfen.
Mit Entwicklung des schweren Kampfpanzers Tiger und des mittleren Panzers
Panther stehen ab Ende 1942 schließlich sogar überlegene Waffensysteme zur Verfügung. Die begrenzten Kapazitäten der deutschen Industrie machen es jedoch unmöglich, die Panzerdivisionen schnell und
vollständig auf den Panther umzurüsten.
Vom StuG zum Hetzer
In dieser Situation werden effektive Geschütze zur Bekämpfung der zahlenmäßig
überlegenen Feindpanzer immer wichtiger.
Es schlägt die Stunde des Sturmgeschützes
(StuG). Das Fahrgestell des PzKpfw III, das
man ursprünglich für einen Drehturm mit
einer 3,7-cm-Waffe entworfen hatte, kann bei
75
PANZER 38 (D)
OHNE ERFOLG: Auf Basis
des Hetzer wird auch das
15 cm schwere Infanteriegeschütz 33 eingebaut. Es
dient der direkten Feuerunterstützung der Panzergrenadiere. Zu einer Serienfertigung kommt es nicht
Foto: Sammlung Anderson
Wegfall des Turmes eine 7,5-cm-Waffe in einem Kasematt-Aufbau tragen.
Schwere Bombenangriffe auf den Hersteller Alkett (Altmärkische Kettenwerke) im
November 1943 werfen die Produktion dieser Fahrzeuge jedoch weit zurück.
Nun soll BMM in Prag aushelfen. Kann die
Firma die Produktion der StuG übernehmen?
Die Antwort heißt: nein. Das zirka 24 Tonnen
schwere StuG ist schlichtweg zu groß für die
tschechischen Produktionsanlagen.
Daher erhält BMM nun den Auftrag, unter Einsatz vorhandener Teile einen leichten
Jagdpanzer zu entwickeln. Die 7,5-cmSturmkanone des StuG übernimmt man. Die
Panzerung wird aufgrund von Gewichtsbegrenzungen eher schwach ausfallen. Zum
Ausgleich stellt man die Panzerplatten
schräg. Im Frühjahr 1944 steht ein Prototyp
zur Verfügung. Obwohl wesentliche Teile
vom PzKpfw 38 (t) stammen, ist dieser Jagdpanzer eine weitgehende Neukonstruktion.
Die Wanne ist deutlich breiter und hat schräge Seitenteile. Auch Laufrollen und Kette
sind größer dimensioniert.
Der Hetzer kommt
Zudem überarbeiten die Ingenieure die
Waffe des StuG. Um Platz und Gewicht einzusparen, wird diese statt auf einem Wan-
KEIN ZULAUF ZUR TRUPPE: Dem Ein- und Ausstieg dient eine zweiteilige Tür im Heck. Grundsätzlich wäre mit dem „Kätzchen“ der erste
Foto: Sammlung Anderson
echte Schützenpanzerwagen realisiert worden
76
nensockel direkt an der schrägen Frontplatte montiert.
Ab Mitte 1944 läuft der neue leichte Panzerjäger 38 den Panzerjäger-Kompanien der
Infanteriedivisionen zu. Von der Truppe
wird das Fahrzeug kurz und treffend Hetzer
genannt.
Noch während dieser Panzerjäger der
Kampftruppe zuläuft, entwickelt die Rüstungsindustrie das Konzept weiter. Eine
rücklauflose Bewaffnung, die weiteren Platz
einsparen kann, wird bis Kriegsende umgesetzt. Auch steht 1945 ein Dieselmotor zur
Verfügung, der zugleich stärker und wirtschaftlicher ist.
ENTWURF: Dieses Modell zeigt eine Panzerjäger-Selbstfahrlafette
auf Basis des Geschützwagens 38. Die überlange 7,5-cm-L/70 ist in
einem drehbaren Aufbau lafettiert
Foto: Sammlung Anderson
Vielfältige Ideen
VOM „FÜHRER“ BEGUTACHTET: Der Panzerkampfwagen 38 (t)
„neuer Art“ ist als leichter Aufklärungspanzer ausgelegt. Hier
besichtigt Hitler das Fahrzeug, rechts mit Hut ist Ferdinand
Porsche erkennbar
Foto: Sammlung Anderson
Als wichtige Variante produziert die Industrie auf Basis des leichten Jagdpanzers
Hetzer einen Bergepanzer. In geringen
Stückzahlen erhält die Truppe auch einen
Flammpanzer.
Sonderfall „Kätzchen“
Eine vielversprechende Nutzung von Hetzer-Bauteilen ergibt sich fast beiläufig im
Jahr 1944. Als die Auto Union einen Vollketten-Nachfolger für den mittleren Schützenpanzer entwickelt, testet man für dieses Projekt verschiedene Laufwerke. Zunächst entwickelt die Firma ein sehr leistungsfähiges
geschachteltes Laufwerk mit effektiver
Drehstabfederung entsprechend dem Stand
der deutschen Technik. Parallel dazu testet
man ein deutlich kostengünstigeres Laufwerk mit den Doppel-Rollenwagen des Hetzers samt Ketten.
Vergleichsfahrten auf Straße und im Gelände ergeben die Überlegenheit des deutschen Schachtellaufwerks, das Vergleichs-
NOTLÖSUNG: Der Aufklärungspanzer basiert auf
dem Panzerkampfwagen
38 (t). Das Fahrzeug ist
mit weitreichenden Funkgeräten ausgestattet
Foto: Sammlung Anderson
VIELSEITIGE BASIS: Der Panzerkampfwagen
38 (t) wurde auch mit Schwimmpontons versehen und ausgiebig erprobt Foto: Sammlung Anderson
modell kann wegen seiner Tendenz zum
Aufschaukeln nicht mit hoher Geschwindigkeit fahren. Besonders im Gelände macht
sich das Fehlen von Stoßdämpfern bemerkbar. Auch dieses Modell (Kätzchen) gelangt
nicht mehr in Serienreife zur Truppe.
Die Auslegung des Panzerjägers 38 (Hetzer) fordert die Entwickler weiter heraus.
Über das Jahr 1944 entstehen neue Ideen. Im
September ergeht der Befehl, das Monatssoll
auf 1.000 Fahrzeuge zu erhöhen. Obwohl die
Industrie in diesem Kriegsjahr Höchstleistungen erreicht, können BMM (und Skoda)
diese Vorgaben nicht annähernd erreichen.
Unter dem Eindruck der desolaten Fertigungssituation im Deutschen Reich ist das
BMM-Grundkonzept jedoch überzeugend.
Die grundsätzlich einfache Technik eignet
sich deutlich besser für eine Massenferti-
gung als die modernen deutschen Entwicklungen. So sind zum Beispiel die blattgefederten Rollenwagen leicht herzustellen. Als
kompakte Einheit können sie an jede Wannenform montiert werden, im Innenraum
wird kein Platz benötigt.
Revolutionärer Entwurf
Nun mehren sich Stimmen, den leichten
Panzerjäger 38 (t) umzukonstruieren, damit
ein Bau bei deutschen Herstellern möglich
ist. Diese Ausführung, zunächst als leichter
Panzerjäger „Reich” bezeichnet, zeigt eine
sechs Zentimeter breitere Wanne mit nun
senkrecht ausgeführten Seitenwänden. Ein
V12-Tatra-Diesel mit 200 bis 220 PS soll das
Fahrzeug über eine Schalt- und Lenkgetriebe
deutscher Produktion antreiben. Auch die
Gleisketten sollen von 35 auf 46 Zentimeter
TECHNISCH-TAKTISCHE LEISTUNGDATEN (*ZUM TEIL ANGENOMMEN):
PzKpfw 38 (t), Hetzer und Geheimprojekte
Typ
Einsatzzweck
Gewicht
Motor
Motorleistung
Höchstgeschwindigkeit
Bewaffnung
Panzerkampfwagen/
PzKpfw 38 (t)
leichter Panzer
9,85 t
Praga TNHPS/II
125 PS
42 km/h
3,7-cm-Kampfwagenkanone / Kwk 38 (t)
Frontpanzerung 50 mm (ausf G)
Produktion 1.414
Clausewitz 3/2021
PzKpfw 38 (t)
„neuer Art“38
le Jagdpanzer
38 Hetzer
Aufklärungspanzer
leichter
Jagdpanzer
10,6 t
Tatra V12 Benzin
220 PS
52,5 km/h
16 t
Praga EPA-AC
150/160 PS
40 km/h*
3,7-cm-Kwk
38 (t)
30 mm
5 Prototypen
7,5-cm-Pak 39 7,5-cm-Pak 39
60 mm
2.612
Projekt
Japdpanzer
38 (d) L/48
leichter
Jagdpanzer
Projekt
Panzeraufklärer
38 (d), L/28,5
Sturmgeschütz,
Unterstützungsfahrzeug
18 t*
18 t*
18 t*
Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel
220 PS*
220 PS*
220 PS*
40 km/h*
40 km/h*
40 km/h*
60 mm
keine Fertigung
Projekt
Japdpanzer
38 (d) L/70
schwerer
Jagdpanzer
7,5-cm-Sturmkanone 42
60 mm
keine Fertigung
10,5 cm Sturmhaubitze 42/2
60 mm
keine Fertigung
Projekt
Panzeraufklärer
38 (d), 2 cm
Aufklärungspanzer
Projekt
Panzeraufklärer
38 (d), 7,5 cm
AufklärungsUnterstützungsfahrzeug
14 t*
14 t*
Tatra V12 Diesel Tatra V12 Diesel
207 PS*
207 PS*
52 km/h*
52 km/h*
2-cm-Flak 38
30 mm
keine Fertigung
7,5-cm-AufklKan 7 B
30 mm
keine Fertigung
77
PANZER 38 (D)
VIELFÄLTIGES KONZEPT: Der Panzerkampfwagen 38 (d) soll eine Anpassung an unterschiedliche Verwendungszwecke erlauben.
Der Panzeraufklärer trägt Drehturm und Hängelafette des Sonderkraftfahrzeug 250/9
auf einer verlängerten Wanne Zeichnung: H. Doyle
AUSGESCHALTET: Ein von US-Truppen vernichteter Hetzer. Die seit Mitte
1944 an die Fronten rollenden leichten Panzerjäger sind eine wirksame Verstärkung. Anders als viele Konzepte im Projektstadium, laufen diese Fahrzeuge der Truppe zu
Foto: picture-alliance/Usis-Dite/Leemage|©Usis-Dite/Leemage
anwachsen. Damit die Konstruktion auch
ein Gewicht von bis zu 20 Tonnen abfedern
kann, ersetzt man die Blattfedern der Doppelrollenwagen durch vertikal aufgehängte
Kegelfedern.
Mit einem Kraftstoffvorrat von 380 Litern
will man Reichweiten von 500 Kilometern
auf der Straße und 300 Kilometern im Gelände erreichen – dies wären hervorragende
Werte. Die Panzerung soll plangemäß frontal
60 Millimeter bei geschossabweisender Neigung betragen.
Anfang 1945 erhält der „SturmgeschützSpezialist“ Alkett erste Aufträge, die Bezeichnung ändert sich in Jagdpanzer 38 (d).
Zunächst soll die 7,5-cm-Pak 39 L/48 des
Hetzers unverändert eingebaut werden. Um
überlegene Durchschlagskraft zu erreichen,
steht darüber hinaus die vom Panther bekannte 7,5-cm-Pak 42 L/70 zur Verfügung.
Zur Feuerunterstützung erwägt man zudem
der Einbau der 10,5-cm-Sturmhaubitze 42/2.
Den ersten Prototyp will man dem „Führer“ am 20. April 1945, dem 56. Geburtstag
des Diktators, vorstellen. Hitler bezeichnete
bereits zuvor den Hetzer als eine der besten
Panzerkonstruktionen des Krieges. Angesichts des Kriegsverlaufs ist es jedoch utopisch, die entsprechenden Pläne umzusetzen. Nicht ansatzweise verläuft die Entwicklung wie gewünscht.
Lässt sich das Konzept des Panzerjägers
38 (d) bewerten, obwohl es seine Stärken (und
Schwächen) nie in der Realität beweisen
musste? Es folgt ein Versuch: Jagdpanzer (im
deutschen Sprachgebrauch war diese Bezeichnung synonym mit dem StuG) verfügen
über gewisse Vorteile. Der Wegfall des Turmes spart Gewicht. Die Konstrukteure nutzen
dies, um die Panzerung zu erhöhen oder
wahlweise die Beweglichkeit zu verbessern.
Letzteres würde die Antriebskomponenten
schonen und sich darüber hinaus positiv auf
den taktische Einsatzdauer auswirken.
TECHNIK IM DETAIL
Jagdpanzer 38 D
60-mm-Frontpanzer
bei guter Formgebung
Zielfernrohr des
Richtschützen
von innen bedienbares
MG 34
Beobachtungsfernrohr
des Panzerführers,
ungenügende Beobachtungsmittel
7,5-cm-Pak 42 L/70
verbreiterte Wanne
und Spur
Rollenwagen des „Hetzer“
mit neuen Kegelfedern
Wannenseiten nun
senkrecht ausgeführt
Ketten auf 46 cm
verbreitert
200-PS-TatraV12-Diesel
GEPLANTER PANZERJÄGER: Der Jagdpanzer 38 (d) entspricht grundsätzlich dem Hetzer,
ist jedoch an die deutsche Produktionstechnik im Reich angepasst
Zeichnung: H. Doyle
78
Wie bereits beim StuG macht das Heer im
Einsatz die Erfahrung, dass es nötig ist, den
Panzerschutz ständig zu erhöhen. Als Folge
des fehlenden Drehturmes kann das Heer
Jagdpanzer/StuG – anders als Panzer – nur
unter gewissen Voraussetzungen als offensives Kampfmittel einsetzen.
In der Defensive haben Jagdpanzer Vorteile. So kann die Besatzung aufgrund des
flachen Gesamtaufzugs ein Anschleichen
und den Kampf aus gedeckter Feuerstellung
überraschend durchführen. Als Defensivwaffe wäre der Jagdpanzer 38 d L/70 zweifellos eine potenziell effektive und gefährliche Waffe.
Unvollendete Visionen
Die deutschen Planer machen sich lange Zeit
viele Gedanken, wie sie das neue Konzept
verwenden können. Wie schon zuvor entstehen auf dem Reißbrett eine Menge unterschiedlichster Varianten, darunter:
• Panzeraufklärer mit 2-cm-Hängelafette,
• Panzeraufklärer mit 7,5-cm-Aufklärerkanone 7 B (vermutlich L/48),
• Flakpanzer Kugelblitz auf 38 (d),
• 28-cm-Sturmmörser auf 38 (d),
• Geschützwagen/Waffenträger für
8,8-cm-Pak 43,
• Geschützwagen/Waffenträger für
10,5-cm-leichte Feldhaubitze 18,
• Geschützwagen/Waffenträger für
12,8-cm-Kanone K 81.
Der Weg zum Jagdpanzer 38 (d) zeigt die
visionäre Weitsicht der Konstrukteure bei Alkett. Sie wollen unter Einsatz vorhandener
Technik und unter wirtschaftlichen Mangelerscheinungen zum Teil revolutionäre Technikprojekte umsetzen. Doch zur Serienreife
dieser Fahrzeuge kommt es nicht mehr. Zu
seinem letzten Geburtstag am 20. April 1945
geht der „Führer“ somit leer aus.
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MENSCHEN & GESCHICHTEN
|
MORITZ VON SACHSEN
MORITZ VON SACHSEN
Der Größte
seiner Zeit
err Marschall, Ihr freundlicher Brief
war mir sehr lieb. Ich glaube, jeder, der
ein Heer zu führen hat, kann daraus
lernen. Sie geben Vorschriften, die Sie durch
Ihr Beispiel erhärten. Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht der letzte war, der Ihren
Operationen Beifall gezollt hat.“ Mit diesen
Worten gratuliert Friedrich II. von Preußen
dem Grafen Moritz von Sachsen zu seinem
Sieg in der Schlacht bei Roucoux (1746). Die
beiden Feldherren schätzen und achten sich.
Moritz hat im Jahr zuvor Friedrichs Feldzug
in Sachsen gelobt, in der preußische Truppen
unter anderem die sächsische Armee unter
dem Befehl seines Halbbruders, dem Grafen
Friedrich August von Rutowski, bei Kesselsdorf schlugen.
H
Hermann Moritz von Sachsen ist das erste einer Reihe illegitimer Kinder des für seine Mätressenwirtschaft berühmt-berüchtigten sächsischen Kurfürsten und polnischen
Königs August des Starken. Er kommt am
28. Oktober 1696 in Goslar zur Welt, nur elf
Tage später als der einzig legitime Sohn und
spätere Kurfürst Friedrich August III. Seine
Mutter ist die schwedische Adlige Aurora
von Königsmarck.
Kriegsdienste als Knabe
Wie auch allen seinen späteren Mätressensöhnen lässt August der Starke Moritz eine
solide Ausbildung zukommen und sieht ihn
für eine militärische Laufbahn vor. August
selbst hatte erst 1695/96 die österreichische
B I O G R A P H I S C H E D AT E N
Moritz von Sachsen
IN VOLLER RÜSTUNG: Als glänzenden
Feldherren zeigt dieses Ölgemälde Moritz
von Sachsen. Durch Können und Talent
bringt es der Deutsche bis an die Spitze
Abb.: pa/akg-images
des französischen Heeres
80
28. Oktober 1696: Geburt in Goslar
11. September 1709: Teilnahme in der Schlacht bei Malplaquet
1711–1717: Teilnahme am Großen Nordischen Krieg, zuletzt als
Oberst eines Kürassierregiments
1718: Teilnahme am Türkenkrieg, Schlacht bei Belgrad
1720: Eintritt in die französische Armee als „maréchal de camps“
1722: Übernahme des Regiments Greder (nun „de Saxe“)
1726: Wahl zum Herzog von Kurland
1727: Vertreibung aus Kurland
1733–1735: Teilnahme am Polnischen Thronfolgekrieg
1. September 1734: Ernennung zum Generalleutnant
1740–1748: Teilnahme am Österreichischen Erbfolgekrieg
26. November 1741: Eroberung von Prag
26. März 1743: Ernennung zum Marschall von Frankreich
1744: Befehlshaber der Englandarmee
1745: Befehlshaber der Flandernarmee,
Sieg bei Fontenoy (11. Mai)
11. Oktober 1746: Sieg bei Roucoux
2. Juli 1747 : Sieg bei Lauffeldt
7. Mai 1748: Einnahme von Maastricht
30. November 1750: Tod in Chambord
1743: Moritz von Sachsen wird zum Marschall von
Frankreich ernannt – der höchste Rang, den die
französische Armee zu vergeben hat. Sogar der
Preußenkönig liest seine kriegstheoretischen
Schriften und lobt diese. Der illegitime Adelssohn steht im Zenit einer vielseitigen und glänzenden Karriere: Er gilt als fähigster Feldherr
Frankreichs und blitzgescheiter Geistesarbeiter
Von Alexander Querengässer
Armee im Krieg gegen die Türken befehligt.
Ein Großteil seiner Regierungszeit wird
vom Kampf gegen Schweden bestimmt
werden. August selbst erweist sich dabei als
mäßig talentierter Heerführer, aber energischer Reformer.
Bereits mit zehn Jahren wird Moritz zum
Studium nach Halle an der Saale geschickt.
Mit zwölf dient er im sächsischen Kontingent der Reichstruppen unter dem Prinzen
Eugen von Savoyen im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–14) und nimmt an der blutigen Schlacht bei Malplaquet teil, wo man
ihn allerdings zu seinem Ärger zum Schutz
der sächsischen Bagagewagen abstellt. Er
gerät ins Blickfeld der großen Soldaten seiner Zeit, allerdings mahnt ihn Eugen 1710,
er solle nicht Unbesonnenheit mit Mut verwechseln. Auch sein Vater ist nicht gewillt,
dass Moritz seine hohe Geburt ausnutzt,
um sich im Feld ein leichtes Leben zu machen. Den Befehlshaber des sächsischen
Korps, den Grafen von der Schulenburg,
weist er an, Moritz solle in Flandern zu Fuß
marschieren und sich nicht von seinen
Wachdiensten freikaufen. Schulenburg ist
selbst ein erfahrener Soldat, und auch wenn
er nicht großartig als Militärtheoretiker in
Erscheinung tritt, besitzt er doch eine große
Sammlung kriegsgeschichtlicher Werke und
ist sicherlich ein wichtiger Mentor des jungen Moritz.
Wie der Vater, so der Sohn
FELDHERR UND PHILOSOPH:
Moritz von Sachsen (französisiert: Maurice de Saxe) brilliert
auf mehr als einem Gebiet – er ist
sowohl ein hervorragender Heerführer als auch ein tiefsinniger
Denker Abb.: pa/akg-images/Erich Lessing
Clausewitz 3/2021
Als Kaiser Joseph I. im Folgejahr stirbt und
August der Starke das Reichsvikariat übernimmt, ernennt er Moritz zum Grafen von
Sachsen. Er kämpft nun im Großen Nordischen Krieg (1700–1721), zunächst in Pommern, wo er sich 1712 in der Schlacht bei Gadebusch so sehr auszeichnen kann, dass August ihn mit gerade einmal 16 Jahren zum
81
Abb.: picture-alliance/akg-images; picture allianc/United Archives/WHA; picture allianc /Design Pics /Ken Welsh
MORITZ VON SACHSEN
BERÜHMTE
BEWUNDERER
Friedrich der Große, General Nathanael Greene und Napoleon gehören
zu den Menschen, die das militärische Können von Moritz von Sachsen besonders schätzen – ein beeindruckender „Fanclub“
Kommandeur eines Kürassierregiments ernennt, und dann in Polen, wo sich sein Vater
1716/17 mit einem Adelsaufstand konfrontiert sieht. Als die sächsische Armee nach
Kriegsende 1717 drastisch reduziert werden
muss, fällt auch das Kürassierregiment Graf
Moritz von Sachsens den Reformen zum Opfer, worüber es zu handfesten Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn kommt.
Moritz behauptet, dass das Regiment aufgrund seiner eigenen Abstammung und seiner Verdienste im Krieg ein höheres Recht
habe, bestehen zu bleiben. Der Kurfürst
warnt den Sohn, dass diese unnachgiebige
Art seine Mutter (die Gräfin von Königsmarck) ins Kloster nach Quedlinburg geführt habe. Moritz erwidert, dass es keine
Abtei gebe, in die ein Oberst abgeschoben
werden könne, worauf sein Vater mit kühler
Strenge antwortet, für diese sei der Königsstein (eine als Gefängnis dienende sächsische Festung) reserviert.
Zahlen, Karten und Röcke
Verärgert gibt Moritz nach, kann aber im selben Jahr neue Meriten erwerben, da er sich
mit einem sächsischen Hilfskorps der kaiserlichen Armee im Kampf gegen die Türken
anschließt, wo er an der Schlacht bei Belgrad
teilnimmt. Anschließend geht er nach Paris,
um Mathematik zu studieren. In seinem
82
Temperament und seiner Leidenschaftlichkeit, seiner Liebe für Kunst und für Frauen
gleicht Moritz in vieler Hinsicht seinem Vater, allerdings verfügt er auch über genügend Disziplin, um seine Studien, allen voran in der Kriegswissenschaft, gewissenhaft
voranzutreiben.
Herzogstitel ja, Heirat nein
1720 wechselt Moritz im Rang eines Maréchal de camp (Brigadegeneral) in französische Dienste und wird 1722 Chef eines
deutschen Regiments. Drei Jahre später
treiben zaristische Truppen Moritz bereits
ein Jahr später mit Waffengewalt aus Kurland. Der junge Graf tritt wieder in den
Dienst des französischen Königs.
Dennoch steht er weiterhin in Kontakt zu
seinem Vater und fasst 1732 seine Gedanken
über eine Reform der sächsischen Armee in
einem Schriftstück zusammen, das nach seinem Tod als Mes Rêveries und kurz darauf
in deutscher Übersetzung als Einfälle über
die Kriegskunst veröffentlicht wird. Moritz
zeigt sich darin skeptisch gegenüber der
Feuerkraft von Infanterie und verweist auf
„Im Ganzen betrachtet sind Kavalleriemanöver außerordentlich schwierig. Kenntnis des Geländes ist absolut notwendig (...) und obendrein ein kühner Geist!“
Moritz von Sachsen
bringt er sich für die Wahl eines Herzogs
von Kurland – einer halbautonomen Provinz des Königreichs Polen – ins Spiel. Die
Herzoginwitwe Anna Iwanowa unterstützt
Moritz und bietet ihm sogar ihre Hand an.
Tatsächlich wählt man ihn 1726 zum neuen
Herzog, die Hochzeit lehnt er allerdings ab.
Da Russland nicht daran interessiert ist, August den Starken in Polen zu stärken, ver-
ein Beispiel aus der Schlacht von Belgrad,
als eine österreichische Salve auf kurze Distanz verpuffte.
Stattdessen befürwortet er den Blankwaffeneinsatz und empfiehlt, einen Teil der Infanterie wieder mit Piken auszustatten. Moritz bezieht sich dabei vor allem auf die Arbeiten des Marquis de Folard, der bereits in
den 1720er-Jahren für den Einsatz von Ko-
Moritz ist eine Schlüsselperson am Hofe von Versailles
lonnen („ordre profond“) im Gegensatz zur
Feuerlinien („ordre mince“) plädierte.
Der Tod Augusts des Starken 1733 löst einen Thronfolgekrieg in Polen aus, der weite
Kreise in Europa zieht. Frankreich und
Österreich bekämpfen sich am Rhein und in
Italien. Moritz dient zunächst unter dem erfahrenen Marschall Jacques Fitz-James Berwick – seinerseits ein illegitimer Spross des
vertriebenen englischen Königs James II.
und der Schwester des Herzogs von Marlborough – bei der Belagerung von Philippsburg, wo Berwick durch einen Kanonenschuss enthauptet wird. Moritz bewährt sich
und steigt in den Rang eines Generalleutnants auf. 1739 verletzt er sich bei einem
Sturz vom Pferd schwer – seine Gesundheit
verschlechtert sich in der Folge dramatisch.
Frankreichs fähigster Feldherr
Im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–
1748) erwirbt sich Moritz schließlich unsterblichen Ruhm als größter Feldherr Europas
seit John Churchill (Duke of Marlborough)
und Eugen. 1741 führt er erstmals ein größeres Kommando. Mit einer französisch-bayeDER KÖNIG UND SEIN BESTER OFFIZIER:
Während der Schlacht bei Lawfeld (Juli
1747) zeigt Ludwig XV. auf das gleichnamige Dorf im Hintergrund. Moritz von
Sachsen befindet sich links neben ihm.
Die Ideen und Pläne des Marschalls sind
nicht unfehlbar, doch insgesamt erfolgreich. Der König vertraut ihm deshalb und
fährt sehr gut damit …
Abb.: picture alliance/Luisa Ricciarini/Leemage
HINTERGRUND
Motivation statt Prügel
Das 18. Jahrhundert gilt als eine Zeit unmenschlicher Disziplin, die man den Soldaten
mit aller Gewalt einprügelt. „Der Soldat muss
seine Offiziere mehr fürchten als den Feind“,
behauptet Friedrich II. Moritz von Sachsen gilt
hingegen als Vertreter eher fortschrittlicher
Methoden. Zwar erkennt auch er die Notwendigkeit harter Disziplin, allerdings will er seine
Soldaten motivieren und inspirieren. Seiner
Auffassung nach spielt das Herz (cœur) eine
besondere Rolle im Kampf. Er selbst gilt als
fürsorglicher Heerführer. Damit steht er jedoch
nicht allein. Vermutlich hat er seine Ansichten
hierzu bereits in jungen Jahren während seiner
Dienstzeit in Sachsen erworben. Sein damaliger Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall
Jakob Heinrich von Flemming hält ebenfalls
wenig von übertriebener Züchtigung und weißt
die Offiziere seines Regiments an: „So wird
doch hier die Maaße öffters gar sehr überschritten in dem die fast tägliche Erfahrung
gezeiget, daß so wohl bey den Compagnien,
als auf dem Parade-Plaz denen gemeinen Soldaten wegen eines zu weilen schlechten Ver-
rischen Armee marschiert er nach Prag, vereint sich mit einem sächsischen Korps – in
dem seine drei Halbbrüder dienen – und
stürmt die Stadt am 26. November. Im Jahr
darauf zieht er mit seinen Truppen nach
Nordböhmen und erobert Eger.
Als der neue russische Zar Iwan VI. gestürzt und durch die frankreichfreundliche
sehens durch prügeln und schläge übel begegnet, hierrauß aber doch nichts nuzliches
geschafft, und die Leuthe öffters dummer und
confuser gemachet werden, dannenhero hat
man hierunter mit den Leuthen bescheiden
und vernünfftig zu verfahren, und das angewöhnete Schlagen auf dem Parade-Plaz einzustellen.“
MODERNE METHODEN: Moritz hält nicht
viel von allzu harter physischer Züchtigung
seiner Soldaten
Abb.: akg-images
Katharina I. ersetzt wird, erbittet sich Moritz
Urlaub, um erneut seine Ansprüche auf Kurland geltend zu machen. Er kann seine Forderungen aber nicht durchsetzen und kehrt
bald darauf wieder nach Frankreich zurück.
Derweil haben die Armeen Ludwigs XV.
nicht an ihre Anfangserfolge in diesem Krieg
anknüpfen können, wodurch Moritz Stern
MORITZ VON SACHSEN
WICHTIGER SIEG: In der Schlacht bei Fontenoy kann
Moritz die Briten, Hannoveraner, Niederländer und Österreicher schlagen – allerdings nur unter großen eigenen
Verlusten. Dennoch ist der Sieg die Voraussetzung für die
Eroberung zahlreicher Festungen in Flandern
Abb.: picture-alliance/Mary Evans Picture Library
am Hof von Versailles umso heller zu leuchten beginnt. 1743 kommandiert er die französische Armee in der Pfalz.
Seine langjährigen Erfahrungen in osteuropäischer Kriegführung fließen nun auch in
die Errichtung der „Volontaires de Saxe“ ein,
einem gemischten leichten Kavallerieregiment aus Dragonern und Ulanen, für die er
seinen Halbbruder Friedrich August III. eigens um polnische Freiwillige bittet – denn
zu dieser Zeit glauben die Militärs noch,
dass Osteuropäer sich besonders auf den
„kleinen Krieg“ (von Spanisch „Guerilla“)
verstünden. So schreibt Hans von Flemming
in Der vollkommene teutsche Soldat: „Die Pohlacken sind eben nicht gar zu gute Soldaten,
sie schicken sich am besten als streifende
Partheyen, sie lassen sich nicht so leicht als
regulair Milice commandiren.“ Auch Moritz
teilt diese Einstellung.
Neben Polen versammelt er auch andere
exotische Krieger in dieser Formation: Türken, Tartaren und 78 Schwarzafrikaner.
1744 wird Moritz mit gerade einmal 47
Jahren zum Marschall von Frankreich ernannt. Er erhält das Kommando über eine
HINTERGRUND
Amüsement für die Armee
Moritz weiß um die Bedeutung positiver Motivation seiner Soldaten und er erkennt, dass
nur wenige Dinge sich so negativ auf die Moral
auswirken wie Langeweile – die aber selbst
auf einem Feldzug zum militärischen Alltag gehört. Im Januar 1746 lädt er daher den bekannten Pariser Komödianten und Theaterregisseur Charles-Simon Favart ein, Leiter seines „Kriegstheaters“ zu werden. Moritz ist mit
seinem bisherigen Leiter unzufrieden und will
seinen Soldaten leichtherzigere, teilweise
sogar frivole Stücke präsentieren. So verkündet am Abend vor der Schlacht von
Roucoux eine Schauspielerin auf
zweideutige Art und Weise: „Morgen
Schlacht, Tag des Ruhms […] Kehrt
zurück nach eurem Erfolg, um die
84
Früchte des Sieges zu genießen“, wobei das
französische Wort „genießen“ (jouir) eindeutig
auch sexuell konnotiert ist. Die Zuschauermenge bricht daraufhin, wie
erwartet, in extatischen Jubel aus.
SOLL DIE TRUPPE
BEI LAUNE HALTEN:
Charles-Simon Favart
wird von Moritz
engagiert, um
sein „Kriegstheater“ aufzupolieren
Abb.: picture-alliance/
akg-images
bei Dünkirchen versammelte Armee, die eine Invasion im Bereich der Themsemündung durchführen und einen zeitgleich in
Schottland initiierten Aufstand der Jakobiten
unterstützen soll. Während die jakobitische
Erhebung 1745 tatsächlich losbricht, findet
die Invasion Englands nie statt, da die französische Marine nicht in der Lage ist, die nötige Seeherrschaft im Kanal herzustellen.
Spektakuläre Siegesserie
Moritz hat inzwischen das Kommando über
die in den Niederlanden operierende französische Armee übernommen, mit der er
1745 bei Fontenoy einen spektakulären Sieg
über die Briten erringt. Nach den vielen Niederlagen gegen Marlborough im Spanischen
Erbfolgekrieg und 1743 bei Dettingen gelingt
es Moritz mit einem Schlag, die französische
Waffenehre wiederherzustellen. Es ist eine
umkämpfte Schlacht, in der die Franzosen
wiederholte britische Angriffe abwehren
können und dabei ähnlich hohe Verluste erleiden wie ihre Gegner.
Der Sieg ermöglicht Moritz jedoch die Eroberung der strategisch wichtigen Festung
Tournai. In erstaunlicher Geschwindigkeit
bringt er nun eine niederländische Festung
nach der anderen zu Fall, wobei er von dem
Umstand profitiert, dass die Briten Truppen
abziehen müssen, um den inzwischen ausgebrochenen Jakobitenaufstand in Schottland zu bekämpfen. Als Lohn für seine Erfolge schenkt Ludwig ihm das Schloss, das
Ein leuchtendes Vorbild
wenige Jahre zuvor noch als Residenz von
Stanislaus Leszczynski gedient hat, einem
Rivalen sowohl seines Vaters als auch seines
Halbbruders auf den polnischen Thron.
Im Feldzugsjahr 1746 setzt Moritz seine
Siegesserie in Flandern fort und erobert Leuven, Brüssel und Antwerpen, bevor er im Oktober 1746 eine alliierte Armee bei Roucoux
schlägt. Diesmal geht Moritz, der seinem
Gegner zahlenmäßig überlegen ist, offensiv
vor und operiert mit zwei starken Kolonnen,
mit denen er das gegnerische Zentrum
durchbricht. Im Sommer 1747 erringt er bei
Lauffeldt seinen dritten großen Sieg. Erneut
beweist die französische Infanterie ihren
Wert im Bajonettangriff und nur eine groß
angelegte Gegenattacke bewahrt die alliierte
Armee vor der Vernichtung. Der Erfolg ermöglicht Moritz die Eroberung von Maastricht, während eine zweite französische Armee die Festung Bergen-op-Zoom stürmt,
wobei es zu einem schweren Massaker unter
der örtlichen Zivilbevölkerung kommt.
Für seine Erfolge war Moritz bereits 1747
zum „Maréchal général des camps et armées
du roi“ ernannt wurden. Es ist der höchste
Rang innerhalb der französischen Armee,
den vor ihm nur Größen wie Henri Turenne
und Claude Louis Hector de Villars innegehabt hatten. Diese Stellung verschafft ihm
auch mehr Autorität über die „Prinzen von
Geblüt“ (Abkömmlinge des Königshauses),
die sein Lager überfüllen, mit ihren Höflingen Tausende von Rationen verschlingen
und Intrigen spannen, die Moritz’ Operationen gefährden. So muss eigens eine Armee
für Louis François de Bourbon geschaffen
werden, um diesen aus der Umgebung von
Moritz, den er verachtet, zu entfernen.
Nach dem Frieden von Aachen zieht sich
Moritz auf sein Schloss Chambord zurück,
wo er einen eigenen prunkvollen Hof einrichten lässt. Er betätigt sich als Kunstmäzen, sammelt Bilder und besucht Theater.
Nebenbei überarbeitet er seine militärtheoretischen Schriften und verfasst neue Abhandlungen, unter anderem über die Armee
Chinas – seinerzeit immerhin die größte und
erfolgreichste der Welt. 1749 besucht er
Friedrich II. in Sanssouci. Er stirbt recht
überraschend am 30. November 1750 an den
Folgen eines Fiebers.
Lehrmeister aller Generäle
Sein Verlust ist für Frankreich nicht zu ersetzen und es erscheint zweifelhaft, dass Frankreich im Siebenjährigen Krieg (1756–63) ähnlich schlecht abgeschnitten hätte, wenn Moritz noch an der Spitze der Armee gestanden
hätte. Dennoch lässt sich seine Bedeutung
für die Militärgeschichte des 18. Jahrhunderts nicht leicht einschätzen. Einige seiner
Ideen, etwa die Wiedereinführung der Pike
oder die Ausrüstung der Reiterei mit Vollharnischen, wirken anachronistisch. Viele
andere, etwa sein Vorschlag, Soldaten im
BEEINDRUCKENDER BAU: Schloss
Chambord (Château de Chambord) ist
das größte und prächtigste der über 400
Schlösser der Loire und liegt in einem
großen Jagdgebiet. Die Tatsache, dass
König Ludwig XV. Moritz dieses architektonische Juwel schenkt, zeigt die große
Wertschätzung des Monarchen besonders
eindrücklich
Abb.: picture alliance/prisma
Feld mit Mänteln zu versehen, mehrere Waffengattungen in „Legionen“ zusammenzufassen und nicht die Kolonnentaktik und
der offensive Einsatz der Artillerie, verweisen dagegen bereits in die Zukunft. Friedrich II. schätzt seine „Rêveries“ ebenso wie
Napoleon und der amerikanische General
Nathanael Greene (Unabhängigkeitskrieg,
1775–83). An Voltaire schreibt Friedrich:
„Dieser Marschall sollte Lehrmeister aller
europäischen Generäle sein.“
Dr. Alexander Querengässer ist Historiker und
publiziert zu verschiedenen Themen der deutschen
und internationalen Militärgeschichte.
BÜCHER
Neuerscheinungen und Klassiker
Begegnungen mit Bismarck
Zwei Zeitgenossen über den „Eisernen Kanzler“
s gibt historische Persönlichkeiten, über die man
einfach Bescheid wissen
muss, an denen gewissermaßen kein Weg vorbeiführt.
Dazu gehört Otto von Bismarck, der „Eiserne Kanzler“,
der sowohl geliebt und gehasst wird – und eine der
schillerndsten und umstrittensten Figuren der Deutschen Geschichte bleibt. Diese
Umstände haben nicht nur zu
eine Fülle von Literatur über
ihn geführt, sondern auch zu
einem entsprechenden Mythos, der sich gewissermaßen
wie ein Schleier über die historische Person gelegt hat.
Pünktlich zum 150. Jubiläum
der Reichgründung im Jahr
2021 legt der Theiss-Verlag eine monumentale Doppel-
E
Ausgabe (insgesamt fast 900
Seiten) von zwei Erinnerungsbüchern der BismarckFreunde und Zeitgenossen
Robert von Keudell und Robert Lucius von Ballhausen
vor – und versucht über diesen Weg die spannende Frage
zu beantworten: Wer war der
Mensch hinter dem Mythos?
Dies gelingt, so viel sei verraten, durch diese Neuausgabe
der beiden Klassiker hervorragend. Keudell, der ein enger Vertrauter Bismarcks war,
gibt in seinen Erinnerungen an
Fürst und Fürstin Bismarck intime und sehr persönliche
Einblicke in das Leben – und
natürlich die Politik – des
Kanzlers. Dies gilt ebenso für
den zweiten Band, der die Tagebücher von Ballhausens ent-
Die Klassiker sind nun endlich
einem breiten Publikum zugänglich gemacht – noch dazu in einer hervorragender Ausstattung
hält, der als Abgeordneter
und Minister lange Zeit beinahe täglich mit Bismarck zu
tun hatte – und diese Begegnungen detailliert und fein
säuberlich festhielt. Die beiden Bände bieten einen sehr
direkten Zugang, da die Zeitzeugen Bismarck persönlich
und gut kannten und einen
ähnlichen Geisteshorizont besaßen – alles Dinge, die sie
von einem Biografen oder
Historiker unterscheiden, der
ein Urteil über Bismarck
rückblickend fällen muss.
Eingerahmt werden sie zudem noch von einer umfangreichen Einführung von Oliver F. R. Haardt und einem
interessanten Nachwort von
Christopher Clark. Fazit: Die
gewichtige Neuausgabe hat
nicht nur einen ordentlichen
Umfang, sondern auch einen
entsprechenden Preis – doch
die Ausgabe lohnt sich und
ist sprichwörtlich jeden einzelnen Euro wert.
Robert von Keudell & Robert
von Ballhausen: Begegnungen
mit Bismarck. Darmstadt 2020,
zwei Bände, 85 Euro,
ISBN 978-3806242096
Unser Tipp!
Vaterland
Willensmenschen
Politthriller aus dem Paralleluniversum
Die sozialen Genese des deutschen Offizierkorps
ir schreiben das Jahr
1964: Hitler hat den
Krieg 1945 gewonnen, Großdeutschland reicht vom Rhein
bis zum Ural und dominiert
die Europäische Gemeinschaft. Doch das Reich muss
einen blutigen Guerillakrieg
führen; seit dem Ende des
Zweiten Weltkriegs sind über
eine halbe Million deutscher
Soldaten gefallen. Das ist der
Hintergrund, vor dem
der 1992 erschienene
Kriminalthriller aus
der Feder des Briten
Robert Harris spielt.
W
Harris ist ein packender
Thriller gelungen, der
seine spannende Kriminalhandlung vor einem
alternativen Geschichtsverlauf entfaltet
86
Hauptfigur ist der fiktive Kripo-Sturmbannführer Xaver
März, der einen Mord in Berlin aufklären soll. Das Buch
war und ist wegen seines
Themas umstritten, wurde
aber ein Bestseller und von
der Presse meist positiv rezensiert: „Überzeugende
Handlung und glaubwürdige
Charaktere“ schrieb der Daily
Telegraph. Die Süddeutsche
Zeitung urteilte:
„Brillant konzipiert und ausgeführt.“
Robert Harris:
Vaterland. Zürich
1992, 10,99 Euro,
ISBN 9783453421714
Willensmenschen ist
eine in der
Form einzigartige Studie über die
deutschen
Offiziere
llen historischen, personellen und strukturellen
Umbrüchen zum Trotz ist es
den deutschen Armeen in bemerkenswerter Weise gelungen, eine militärische Werteordnung zu wahren. Willensmenschen – Über deutsche
Offiziere skizziert den Typus
des Offiziers, dessen historische Wurzeln in der preußi-
A
schen Armee liegen. Ferner
beschreibt das Buch die intrinsische Motivation und soziale Stellung der deutschen
Offiziere im Kaiserreich bis
hin zum soldatischen Selbstverständnis der Offiziere in
der jungen Bundesrepublik.
In 15 zu Kapiteln zusammengefassten Aufsätzen gelingt
dem Werk eine vielschichtige
Betrachtung des Offiziers und
seines besonderen Werte- und
Tugendkanons als zentralen
Typus deutscher Kulturgeschichte.
SK
Ursula Breymayer, Bernd Ulrich und Karin Wieland (Hg.):
Willensmenschen:
Über deutsche Offiziere.
Frankfurt am Main 1999 (Antiquariat), ISBN 978-3596144389
Sudetendeutsches Museum
World on Fire
Museumseröffnung in der Münchner Au
Hochkarätig besetztes Weltkriegsdrama
auf DVD, Blu-ray und digital
in neues Museum in München widmet
sich den Sudetendeutschen und ihrer
jahrhundertealten wechselvollen Geschichte
und Kultur. Das unter strengen Corona-Auflagen eröffnete Sudetendeutsche Museum in
der Münchner Hochstraße zeigt auf etwa
1.200 Quadratmetern Ausstellungsfläche rund
900 Exponate, darunter auch Objekte zur gewaltsamen Vertreibung und Aussiedlung der
Menschen aus ihrer Heimat seit Ende des
Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit.
Das Museum will sachlich und ausgewogen informieren, auch tschechische Histori-
E
Foto: picture-alliance/SvenSimon/Frank HOERMANN (2)
SERIEN-TIPP
ker haben dazu beigetragen, die Dauerausstellung zu gestalten. Multimediale Informationsquellen ermöglichen den Besuchern die
Abfrage erweiternder Daten. Eine Installation aus persönlichen Gegenständen, die vom
Lichtstrahl erfasst und mit historischem
Filmmaterial kombiniert werden, wirft
Schlaglichter auf tabuisierte Übergriffe gegen
die Sudetendeutschen und das harte Los der
Zwangsarbeit seit 1945.
Nähere Informationen unter:
www.sudetendeutsche-stiftung.de
Moderne Präsentation zur Geschichte der Sudetendeutschen
ie erste Staffel des
ziemlich hochkarätig besetzten Weltkriegsdramas World on
Fire erscheint am 16.
April 2021 auf DVD,
Blu-ray und digital.
Zum Inhalt: Im September 1939 marschiert die Wehrmacht
in Polen ein. Der
Zweite
Weltkrieg
bricht aus und stürzt
Menschen in ganz Europa ins Chaos.
World on Fire zeigt, wie sich das erste
Kriegsjahr 1939 auf die Leben von Menschen
in ganz Europa auswirkt, vom Zivilisten daheim bis zum Soldaten an der Front. Die aufwendige BBC-Serie wirft einen unter die
Haut gehenden Blick auf die Schicksale von
Menschen, deren Welt buchstäblich in Flammen steht.
D
World on Fire – Staffel 1; Regie: Chanya Button,
Thomas Napper, Adam Smith, Andy Wilson;
Produktion: UK 2019; Genre: Drama, Altersfreigabe: FSK 16; Verleih: Pandastorm (Edel); VÖ:
16.4.2021
Das neue Museum thematisiert auch die Themen
Flucht und Vertreibung
ENDSPIEL 1814
BOOMERANG
Napoleons finaler
Kampf um Frankreich
Australiens erster
Jagdbomber
KREUZZUG 1189
Entscheidungsschlacht
um Jerusalem
Clausewitz
Das Magazin für Militärgeschich
te
LESERBRIEFE
Zu „Mansteins gewagter Coup“
in Clausewitz 2/2021:
Als Erstes meinen Glückwunsch zur noch
vielseitigeren Gestaltung des Eingangsbereichs Ihrer Zeitschrift.
Bei dem Porträtfoto von Erich Manstein
zweifle ich jedoch, dass es ihn als Generalfeldmarschall (GFM) darstellt. Mir scheint,
die Arabeske auf seinem deutlicheren körperlinken Kragenspiegel enthält nur zwei
Blattpaare und nicht drei, wie sie für GFM
üblich waren, sodass deren Kragenspiegel
immer auch ausgesprochen lang wirkten.
Außerdem würden wohl die auf den Schulterstücken stark hervortretenden Marschallstäbe wenigstens andeutungsweise
zu sehen sein.
Dr. Erhard Glier, 06193 Wettin-Löbejün
Anm. d. Red.: Auf dem gut sichtbaren Kragenspiegel sieht die Arabeske tatsächlich
wie die eines Generalobersten aus. Zugleich ist aber auf der uns vorliegenden
Clausewitz 3/2021
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Die Mutter aller
Panzerhaubitzen
Bilddatei ein etwas größerer Teil
Die schlechten, zum Beispiel
Krim 1942
des linken Schulterstückes zu
Fredendall oder Paulus – für
sehen. Darauf sind die Enden
den Sie in Ihrer neuen Rubrik
der Marschallstäbe recht deuthoffentlich noch etwas Kakao
lich zu erkennen. Laut Bildgeber
zum Durchziehen haben – wastammt die Aufnahme von „zirka 1943“,
ren 1914–1918 nur heizungsnah verwendoch wir werden dieses „Rätsel“ vermutlich det worden und überfordert, als sie plötzlich
kaum 100-prozentig lösen können ...
Entscheidungen treffen mussten, welche
mehrere 10.000 Mann betrafen.
Zu „In den Sand gesetzt“
Fredendalls Leistung am Kasserin-Pass
in Clausewitz 1/2021:
ist wohl am besten von seinem Nachfolger
Patton kommentiert worden: „Wie rechtferIhre Ausgabe 1/2021 fand ich wieder eintigt dieser Mann seine Existenz?“
mal sehr gelungen. Besonders haben mir
Matthias Wiechert, 53902 Bad Münstereifel
die Artikel über Lloyd Fredendall und
Georgi Schukow gefallen. Beide Artikel haIn eigener Sache: Zum Beitrag „Napoben mich in meinen Ansichten über die
leons Ritt in den Untergang“ in ClauseGeneräle im Zweiten Weltkrieg bestärkt:
witz 2/2021:
Die guten, wie etwa Rommel, Montgomery,
Es haben sich leider einige inhaltliche Fehde Gaulle oder Patton, hatten ihre Sporen
ler in den o. g. Beitrag eingeschlichen.
während des Ersten Weltkriegs als KompaSelbstverständlich konnte Gneisenau als
nieführer verdient,wenn sie nicht wie
Stabschef seinem Feldmarschall Blücher
Schukow Quereinsteiger aus der Unternichts „befehlen“ und Napoleon hat sich
offizierslaufbahn waren.
WIE EIN GENIALER BLUFF
GEHEIMAKTE D-DAY
Deutscher S-Bootangriff
auf die Invasionsflotte
DEN SIEG BRACHTE
BRISANT!
STEUBEN
Der Kampf um Finnlands
Code-Knacker
Verdankt ihm Amerika
seine Unabhängigkeit?
am 3. November 1813 nicht bei Mannheim,
sondern bei Mainz über den Rhein zurückgezogen.
Besonders unangenehm sind natürlich die
„Fake News“, Marschall Marmont hätte im
Juli 1812 die Engländer bei Salamanca geschlagen – das genaue Gegenteil war nämlich der Fall und die Franzosen mussten dort
eine exorbitante Niederlage einstecken.
Wir entschuldigen uns für diese Fehler
und Ungenauigkeiten in der Formulierung.
Für die zahlreichen Zuschriften unserer kritischen, aufmerksamen und offenkundig
sehr kenntnisreichen Leser danken wir sehr.
Schreiben Sie an:
[email protected]
oder Clausewitz, Postfach 40 02 09,
80702 München
Leserbriefe spiegeln nicht unbedingt die Meinung
der Redaktion wider. Die Redaktion behält sich
vor, Leserbriefe aus Gründen der Darstellung eines
möglichst umfassenden Meinungsspektrums sinnwahrend zu kürzen.
87
Foto: Pandastorm Pictures
MUSEUMSTIPP
ZEITSCHICHTEN
Mit Ross und DAMALS
Reiterabteilung der Roten
Reiter über den Eine
Armee zieht 1941 über den
Roten Platz Roten Platz im Zentrum der historischen Altstadt Moskaus. Ihr
Ziel: die Front, die nach dem
Einmarsch der Wehrmacht in die
Sowjetunion am 22. Juni immer
näher an die sowjetische
Hauptstadt heranrückt. Im
Hintergrund ist gut die Basilius88
Kathedrale mit ihren bunten
Zwiebeltürmen zu erkennen,
die eines der bekanntesten
Wahrzeichen Moskaus ist. Der
Platz ist einer der größten der
Millionenmetropole und wurde
(und wird) gerne für das Abhalten spektakulärer Militärparaden verwendet (so zum Beispiel
am 24. Juni 1945).
HEUTE
Der Rote Platz im Herzen Moskaus ist einer der weltweit bekanntesten Plätze und eine
große Touristenattraktion.
Grund dafür sind besonders die
zahlreichen historischen Bauwerke, die ihn säumen: Neben
der Basilius-Kathedrale sind die
bekanntesten der Kreml, das
riesige Kaufhaus GUM (VerkaufsClausewitz 3/2021
fläche: 35.000 Quadratmeter)
sowie das Lenin-Mausoleum mit
dem gläsernen Sarkophag des
russischen Revolutionärs. Der
Platz gehört seit dem Ende der
UdSSR 1990/91 zum UNESCOWelterbe.
Die Fotocollage des russischen Fotografen Sergey
Larenkov stellt eindrucksvoll visualisiert einen
Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart her www.sergey-larenkov.livejournal.com
89
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Clausewitz ABO-SERVICE
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BRÜCKENKOPF ANZIO-NETTUNO 1944
Schwere Kämpfe südlich von Rom
22. Januar 1944: Alliierte Verbände landen bei Anzio und Nettuno südlich von Rom,
um in den Rücken der deutschen Gustav-Linie zu gelangen und zur Ewigen Stadt vorzustoßen. Was anfangs nach einem militärischen „Spaziergang“ aussieht, mündet in
eine verlustreiche Schlacht. Denn deutsche Elite-Fallschirmjäger und eilig in Marsch
gesetzte Verbände der 14. Armee sollen den feindlichen Brückenkopf mit allen Mitteln abriegeln.
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Impressum
SCHLACHT VON ADRIANOPEL 378
Vernichtende Niederlage Roms
Fotos: ullstein bild - ullstein bild; picture-alliance/CPA Media Co. Ltd; ullstein bild - ullstein bild
9. August 378: In der Nähe von Adrianopel, heute
Edirne (Türkei) kommt es zu einem blutigen Aufeinandertreffen von Westgoten unter ihrem Anführer
Fritigern und römischen Truppen unter Kaiser
Valens. Was folgte, war eine der bedeutendsten
und verlustreichesten Schlachten der Spätantike,
die das weitere Schicksal des Römischen Reiches
maßgeblich beeinflussen sollte.
„FESTUNG“ KOLBERG 1945
Schwere Abwehrschlacht in Pommern
März 1945: Die heftigen Kämpfe um Kolberg wenige Wochen vor Kriegsende sind an Dramatik kaum
zu überbieten. Dicht zusammengedrängt, harren
Zigtausende Ostflüchtlinge in der pommerschen Hafenstadt aus und hoffen auf ihre Rettung über See.
Unterdessen setzen zirka 3.300 deutsche Soldaten
alles daran, den Ansturm der sowjetisch-polnischen
Übermacht abzuwehren, um den Zivilisten die
Flucht über die Ostsee zu ermöglichen ...
Außerdem im nächsten Heft:
Minenräumpanzer Keiler der Bundeswehr. Wuchtiger Wegbereiter auf Ketten.
Unternehmen „Mammut“ 1943. Antibritisches Kommandounternehmen der Wehrmacht.
Und viele andere Beiträge aus den Wissensgebieten Geschichte, Militär und Technik.
Die nächste Ausgabe von
90
erscheint am 7. Juni 2021.
Nr. 61 | 3/2021 | Mai-Juni | 11. Jahrgang
Clausewitz, Tel. +49 89 130699-720
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Redaktion Markus Wunderlich (Chefredakteur
Luftfahrt, Geschichte, Schifffahrt und Modellbau),
Dr. Tammo Luther (Verantw. Redakteur), Maximilian Bunk, M. A.,
Stefan Krüger, M. A., Alexander Müller
Chef vom Dienst Dipl.-Ing. (FH) Christian Ullrich
Mitarbeiter dieser Ausgabe Dr. Joachim Schröder,
Dr. Peter Andreas Popp, Michael Suck, M. A.
Layout Ralph Hellberg
Verlag GeraMond Verlag GmbH
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Geschäftsführung
Clemens Schüssler, Oliver Märten, Claus Küster
Gesamtleitung Media Bernhard Willer
Mediaberatung Armin Reindl
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Anzeigendisposition
Rita Necker
Tel. +49 (0) 89.13 06 99.552, Fax +49 (0) 89 13 06 99.100
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Vertriebsleitung Dr. Regine Hahn
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Druck Severotisk, Ústí nad Labem, Tschechien
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redaktionellen Inhalt: Markus Wunderlich; verantwortlich für
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ISSN 2193-1445
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